Nein, ich habe nicht vergessen, daß ich die Entdeckerin und vormalig betreuende Agentin des Autors V. K. Ludewig mal mokant und despektierlich in der Art böser alter Frauen unter „Literaturmädchen“ einsortierte. Ich nehme das hiermit zurück und bitte um Vergebung!
Also nun „Ashby House“ . Ein Debüt, das keines ist, hat der Autor doch schon mehrere von ihm geschriebene Bücher gedruckt in den Händen gehabt, auch wenn nicht immer sein Name auf dem Titelblatt stand. Ein Buch, das ich unbedingt und dringend lesen mußte, hat es doch der scharfzüngige und warmherzige Freund geschrieben.
Schauerliteratur las ich ungefähr von von zehn bis dreizehn, als ich mich schuleschwänzend am Bücherschrank meiner Eltern vergriff. Edgar Allan Poe, Mary Shelley, Ambrose Bierce, E.T.A. Hoffmann. Als mentaler Gegentwurf zum wissenschaftlichen Materialismus, der Landesreligion in der größten DDR der Welt und den naturwissenschaftlichen Dogmen meines Vaters, der alles andere als Spinnerei abtat und nur manchmal zugab, daß Heisenberg … naja … aber das ist eine andere Geschichte.
Also Ashby House. Der Waschzettel sagt es: zwei amerikanische Schwestern, eine davon sehr prominent, ziehen sich, von Hollywood kommend, auf ein Anwesen in Cornwall zurück. Das Haus ist verwünscht und beginnt, kaum bewohnt, sein Eigenleben. Ja, nee, ist klar. Das ist dann so eine Geschichte, wo Leute zu Mitternacht mit einer Kerze in der Hand allein auf den Boden oder in den Keller gehen, weil sie dort sonderbare Geräusche gehört haben. Dieses Klischee unterläuft der Autor sofort, indem er sich schon auf den ersten Seiten darüber lustig macht.
Das Setting ist das Übliche: Ein altes Haus, verstaubt, jahrelang nicht bewohnt und wunderbar vintage in der Ausstattung. Die Landschaft ist breathtaking english und das Ambiente erwählt und einsam. Die Protagonisten sind schön und es wäre nicht Glämmy, der das Buch geschrieben hat, wenn die Männer nicht hothothot wären.
Ich war sehr schnell drin in der Geschichte und wollte nicht wieder raus. Die Sprache hat es mir angetan. Brilliant. Wenige Worte und jedes sitzt, sofort habe ich ein Bild im Kopf. Nur ein paar Sätze, um eine Figur zu beschreiben, ein paar weitere, um eine Figurenverhältnis klarzumachen, jedes Wort sprüht Funken. Ich bin entzückt!
Die Handlung eskaliert vorbildlich, unter Einsatz von homosexuellem Anals*x, Dolmen und Hubschraubern. Überhaupt, das ist es, was ich mag. Stringenz. Kein waschlappiges Abbiegen, weil man sich zu weit in den hyperprägnanten Stil oder ins Genre hinausgewagt hat, Weiterentwicklung mit Tempo und Rhytmus. Und selbst der Umstand, den ich wiederholt als dramaturgische Schwäche notierte (Warum vergißt der denn grade ne Figur? Wo ist die denn hin?), hatte einen Grund.
Diese Art von Schreibe ist nicht deutsch, der einzige Deutsche, der das vorher konnte, war vielleicht E.T.A. Hoffmann, der zwergenhafte, häßliche Trinker. Sie ist global, weil medial, die Hollywoodzitate unterhalten ungemein. Keine bräsigen Frauenbefindlichkeiten, garniert mit Esoquatsch, ausgewalzt auf 500 Seiten, sondern Witz, Schärfe, Ironie und rasende Handung bis zum Finale und hinein in den hintergründigen Epilog, verbunden mit Treue zum Genre.
Hach! Ich muß mich erstmal verpusten…
Herrschaften, lesen Sie dieses Buch.
Es ist zu vernehmen, daß die Fortsetzung in Arbeit ist. Ich freue mich drauf!
Und: Warten Sie mal drauf, wenn der Ludewig aus dem Genre rausgeht. Paul Auster ist nämlich leider völlig humorlos.