Sonntags-Montagsmäander April/3

per aspera ad astra Quilt (tut mir leid, erstmal nur dieses Bild, bessere Fotos mit Details folgen…)

  • 415 Teile
  • 3 1/2 Bett- und 2 Kissenbezüge aus Omi-Nachlässen
  • um 200.000 Stiche
  • gut 1.200 m Faden
  • geschätzt 100 Stunden Arbeit, wenn nicht mehr
  • unschätzbare Beratungsarbeit von Primavera

stecken in dem guten Stück. Weil es Sterne, interstellaren Waber und jede Menge irrer, bleicher Sonnen hat und von einem fetzenfliegenden Diskurs zum Thema Arbeit begleitet wurde, nenne* ich ihn „per aspera ad astra“. Das war wirklich rauh. Ich habe völlig unterschätzt, was das für Zeit frisst, vor allem, wenn man etwas zum ersten Mal macht. Außerdem habe ich mich wieder mal völlig überschätzt, mit einem Format von 2x2m und halbgeteilten 16er-Quarters anzufangen, ist sehr sportlich. Nächste Erkenntnis: Ich bin für Free Motion Quilting (also dieses Muster-Rumnähen) nicht gemacht.
Das ist wie Klavier spielen. Gas geben, Stoff bewegen, Schwung in das Muster bringen, gleichzeitig Entscheidungen treffen, wo und wie es weitergeht… Nach einer Stunde Arbeit war mir vor Konzentration auf zu viele Dinge immer dezent übel und die Schulter schmerzte, weil der Stoff schwer ist. Die flotte Leichtigkeit, mit der die Damen in den Video-Tutorials arbeiten, geht mir völlig ab.
Ein paar Mal war ich kurz davor, alles hinzuschmeißen. Zwei Wochen lag die Arbeit auch völlig. Aber ich war zu faul, alles in den Schrank zu räumen und hatte auch Angst, bei einer längeren Pause den Faden zu verlieren. Ich bin sehr happy mit den Farben. Zuerst war mir das zu knallig, die bunten Sterne auf hellem Grund, denn beim Färben hatte ich tief in den Bunt-Topf gegriffen, ohne daran zu denken, was zusammen passt. (Außerdem hatte ich die Sterne des Ausgangsentwurfs um 50% vergrößert, sonst hätte ich mir mit dem Fummelkram die Finger gebrochen, sie wurden dominanter.)
Hell sollte die Sofadecke nach Wunsch des Grafen sein und noch mal eine dezente Farb-Komposition „Schlumpfeis an Leberwurst“ wie hier wollte ich nicht machen. Viele historische Quilts waren bunt auf hellem Grund. Keine Ahnung, warum. Vielleicht griff man zu Wäscheleinen als Grund, weil davon sowieso das meiste da war und man dann die bunten Reste besser zu arrangieren konnte.
Eins weiß ich, in der Größe gibt es so schnell keinen Nachschub und wenn, dann nehme ich mir ein Jahr Zeit und mache immer mal wieder etwas daran.

Weiter gehts. Der Freitag war der Termin von Enno Parks traditionellem Karfreitagssteakessen. Für mich ein Grund, Menschen wiederzusehen, die ich sonst selten treffe und ordentlich Fleisch zu essen. Für manche ist es eine Beleidigung ihrer religiösen Gefühle, für andere ist gerade eben das beabsichtigt.
Seit dem Beginn von Twitter, seit ich die Schotten aufmachen kann für das Reden mir völlig fremder Menschen, denke ich am Karfreitag: Ups, da haben aber welche ein Problem! Dieses tourettehafte „Tanzverbot!“-Geschrei von Leuten, die ich im Leben nie unter die Tänzer sortieren würde, das Abspulen der ältesten Konfirmandenwitze zum Thema Jesus und Nägel. Ach du liebes Bisschen! Ich mache Twitter meist spätestens um die Mittagszeit zu. Das nervt und ist mir auch ein bisschen unangenehm.
Ich frage mich, warum so viele erwachsene Leute, die aus der Kirche austraten, sobald sie aus der Fuchtel ihrer Eltern waren, nie ein eigenes und erwachsenes Verhältnis zur Religion ihrer Abstammung gefunden und ihren Frieden gemacht haben. Wer so angepiekt und pubertär reagiert, in dem ist das doch noch sehr lebendig. Wahrscheinlich lässt man die Kinder, so man welche in die Welt setzt, dann doch taufen.
Ich weiß, ich bin nicht frei von solchen Reaktionen. Bei fundamentalideologischem Hirnwäsche-Gedöns anderer bin ich schneller auf der Palme, als man sich das vorstellen kann, da sitzt die orthodox-kommunistische Erziehung zu tief in den Synapsen. Vielleicht ist das nichts anderes. Aber mich befremdet es.
Nicht mein religiöses Empfinden ist verletzt, sondern eine tiefe kulturelle Prägung meldet Widerspruch an. Das Christentum liegt wie ein Boden unter jedem meiner Schritte. Da kann ich exotische Ausflüge in Richtung Buddhismus machen und nichts kapieren von dem großen Wagen und den Kostbarkeiten und dem Goldlotus. Ich brauche nur einmal das Wort Welterlöser hören und weiß, was gemeint ist. Die Bildsprache der Altäre ist in tausend Kopien in meinem unbewussten Archiv abgelegt, so wie die Soundfiles des Halls der großen Kathedralen und als ich zum ersten Mal Weihrauch bis zur Trance einatmete, in einer tausend Jahre alten armenischen Wallfahrtskirche auf einer Halbinsel im Sewansee, begrüßte ich den Geruch wie einen alten Bekannten.
Das konnten drei Generationen Atheismus und das elterliche Verbot, eine Kirche zu betreten, nicht auslöschen. Auch wenn ich für die Religionsausübung wahrscheinlich verloren bin, weil ich nicht glaube, dass es funktioniert, genauso wie Homöopathie, ich bin zu skeptisch. Nach ein paar Wochen Katechumenat, denn ich hatte mich vor knapp zehn Jahren auf die katholische Taufe vorbereitet, habe ich es bleiben lassen. Wozu? Das Leben findet jetzt und hier statt und helfen muss ich mir immer noch selbst. Ich finde keinen Halt und Trost im Glauben an Gott. Auch wenn die Predigten in St. Michael ziemlich gut waren, ich fühlte mich fremd.
Doch es ist ohnehin mal wieder alles anders, es gibt keine einfache Wahrheit. Für viele meiner Generation und Herkunft war die Kirche eine Nische der ideologischen Freiheit. Selbst ich habe mich, trotz strengem Verbot und drohendem Mega-Ärger, zu den Veranstaltungen der Jungen Gemeinde geschlichen. Ich wohne nun am Zionskirchplatz und ich denke oft daran, was dieser Ort und das Gemeindehaus eine Straße weiter für die deutsche Geschichte bedeuteten. Dort konnten Menschen frei sprechen und denken. Denn die Kirche hatte selbst für sozialistische Herrschaftsstrukturen eine eigene, unerschütterliche Macht, war in Teilen unberührbar (wenn auch nicht uninfiltrierbar). Auch das halte ich für einen Effekt der tiefen christlichen Basis.
Antje Schrupp schrieb in dem etwas sonderbaren Damen-Gemischtwarenladen-Blog 10 vor 8 über Jesus am Kreuz. Eine Autorin, die ich sehr schätze, ein Fakt, mit dem ich mich auch sehr beschäftigt habe. Denn warum betet das Abendland eine starre Folterleiche an? Ich war ein wenig enttäuscht, dass der Text von den historischen Fakten, von Christus, dem vormaligen Paradieskönig, einen steilen denkakrobatischen Schlenker machte und tatsächlich behauptete, Gewalt wäre vor dem 10. Jahrhundert ehrlicher gewesen. WTF? Es gab immer Einen, der einem Anderen erzählte, warum man einem Dritten jetzt eins über den Schädel ziehen musste. Ich sage nur Kreuzzüge. Vor dem 10. Jahrhundert liegt nur dankenswerterweise der Schleier des geschichtlichen Quellenverlustes. (Dazu übrigens Anke Gröners Text zum Überliefernswerten, sehr wichtig!)
Antje Schrupp endet in einem abrupten „habt euch alle lieb und macht das Paradies auf Erden“, wie das Wort zum Sonntag, wenn die Sendezeit abläuft. Ein bisschen schade, nein, sehr schade sogar.

Jetzt wird es wieder weltlich. Am Ostersonntag kamen das Kind und ihr Freund ganz altmodisch auf Kaffee und Kuchen zum Elternbesuch. Da das Wetter zu schön war, packten wir den gedeckten Tisch in eine Plastikbox, holten Omas Campingtisch und Segeltuchstühle aus dem Keller und setzten uns mit Tarte Tatin, Rhabarberbercrumble, Eistee und Cremant in den Weinbergspark. Stilvoll geht die Welt zugrunde. Mit Servietten, Tafelsilber und gutem Tischleinen. Gutes Leben also.

* Quilts müssen ja immer irgendwie heißen, habe ich gelernt.

Weihnachten. Erledigt.

Weihnachten und icke, das ist ja nicht so die super funktionierende Partnerschaft. Dieses Jahr lief das ganz gut. Das Besinnlichkeitsmonster und ich arrangierten uns miteinander.
Das Größte, war, dass das Kindchen, die kleine, resolute Elfe, den Heiligabend ausrichtete. So, wie sie es schon immer wollte. Mit einem Essen am großen Tisch, allen Geschenken unterm Weihnachtsbaum, einem der sie verteilt, öffentlichem Auspacken und zum Schluss noch einem Familienfoto. Ich hatte den ganzem Abend blinkende Herzchen um den Kopf. Selbst die rasante Zusammenstellung von Eltern, Stiefgefährten und Schwiegereltern funktionierte hervorragend. (typische deutsche Bevölkerungspyramide – viele Leute 40+, wenige junge Menschen, keine Kinder)
Meine Eltern machten für eine Nacht Station an der Barnimkante, auch eine Premiere, und es war gut.

Was bei mir passierte, war ein typischer Kitty. Aus der Weihnachtskleinigkeit, ein kleines Patchworkplatzdeckchen für jeden Gast des Weihnachtsabends, wurde eine stundenzehrende Arbeit. Es sah super aus, aber ich wußte schon beim zweiten Arbeitsschritt, dass das zu frickelig ist und etwas erprobtes, unaufwändiges und trotzdem effektvolles besser gewesen wäre. So schaffte ich es schon vor Weihnachten mühelos, mich zu überfordern.
Aus des Kindes „Meh, wir haben gar keine Einladung zum Essen von den anderen!“ entwickelte sich in meinem Kopf „mach doch einen Weihnachtsbraten am ersten Feiertag“. Eigentlich nicht so schlimm, ich nahm ein Rezept, dass ich vor Jahren schon einmal mit Erfolg für 6 Leute gemacht hatte (sogar mit verbundener rechter Hand): Gegrillte Entenkeulen mit dreierlei Gemüsen und Rieslingsauce. Wunderbar vorzubereiten und am eigentlichen Tag gibt es nur noch ein Finish der einzelnen Elemente. Aber irgendwie…
Ich stand in der Küche wie auf dem Schlachtfeld und merkte, das war nicht zu gewinnen. Nicht, weil es nicht richtig geplant war, sondern weil ich den Puffer für Unvorhergesehenes vergessen hatte. Da war (mein klassischer Trigger) ein Zeitlimit eingebaut, weil meine Eltern nicht zu spät loswollten, machte ich zu viel zeitgleich und verlor den Überblick. Das Gemüse stand erkaltet auf dem Tisch, die Ente war noch zu hart, die Klöße schon zu fest und mit einem Tag Verspätung merke ich erst, dass ich einfach hätte sagen können: „Sorry, ich habe eine Dreiviertelstunde Verspätung!“, um das zu entzerren. (Auch die Hilfe meiner Mutter nutzte nichts.)
Und so haderte ich mit mir. Für meine Überhebung, mir so etwas zuzutrauen (das ich vor fünf Jahren fast nebenbei gemacht hatte), für meine mangelnde Leistung, für meinen Scheiß-Anspruch, dafür dass die anderen meinen Stress gesehen hatten… das lässt sich beliebig fortsetzen. Wie blödsinnig.
Nebenher lief mein Berufs-Belastungstest in die anspruchsvolle Phase, auch das hatte ich nicht auf dem Schirm, die Weihnachtstätigkeiten liefen parallel. Naja, dafür ist es auch da, es sollte mir zeigen ob und wie es laufen kann und worauf ich achten sollte – zum Beispiel die privaten und beruflichen Pläne gegeneinander zu gewichten.
Die innere Kitty kam mit in paar unübersehbaren Statements dazwischen. Einen Sonntagsdienst verdrängte ich ganz, da musste man mich erst anrufen, wo ich bliebe. Und meine Dämonen tanzen wieder. Ich wachte nach Luft schnappend aus einem Alptraum auf. Irgendjemand hatte mich in diesem Traum gefragt, was mit meiner Katze sei. Panisch suchte ich die Katze im ganzen Haus ohne sie zu finden, später nur noch nach ihren Spuren, einem Katzenklo, dass ich wohl nicht saubergemacht hatte, das ich aber nicht fand, scheinbar hatte ich es nicht aufgestellt, nach Katzenfutter dass ich nicht besaß, schienbar hatte ich vergessen, welches zu besorgen. Ich wand mich vor Schuldgefühlen, dass sie wahrscheinlich irgendwo eingesperrt und verhungert und verdurstet war, weil ich mich nicht gekümmert hatte. Erst Minuten nach dem Aufwachen wurde mir klar: Ich habe gar keine Katze.
Ich bin also die Idiotin, die sogar auf nichtexistente Probleme mit Aktionismus, Versagenspanik und Schuldgefühlen reagieren kann. Sauber.

Aber nun reden wir über etwas anderes. Das Kind und ihr Liebster haben mir Gretchen Hirschs „Rock a Bella“-Buch geschenkt. Auch wenn es wahrscheinlich für mich nicht immer der Fifties-Style sein kann, weil zu taillienbetont und es geht ja eher in Richtung victorianische Zitate, aber ich liebe dieses Buch. Ich brauche kein Slow-Sewing-Manifest zu schreiben, die Frau trifft es. Warum sollten wir mit viel Liebe Kleidung für uns schneidern, die in Materialanspruch und Verarbeitung genauso billig, optimiert und auf schnelle Masse orientiert ist wie das, was wir in Discountklamottenläden bekommen können? Da hat sich jemand mit Konstruktionstechniken auseinandergesetzt, schaut auch in und unter ein Kleid oder ein Jackett und muss nicht an einem Tag einen Fummel fertig machen. Das gefällt mir.

Entwürfe zeichnen

Je mehr ich nähe und Nähblogs verfolge, desto mehr schule ich meinen Blick für Kleidung an Frauen, die nicht ihr Geld mit der Präsentation ihres idealen Körpers verdienen. Das freut mich, macht ich aber auch kritischer mir selbst gegenüber, denn mir fallen Paßformprobleme und unvorteilhafte Schnitte und Linienführungen nun viel schneller auf. Unvorteilhaft gar nicht mal, weil Makel nicht kaschiert werden, sondern weil Proportionen nicht stimmen. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die aus einer alltäglich und leicht langweilig aussehenden Person plötzlich einen Hinkucker machen.
5 cm Saumlänge entscheiden oft über schöne oder sonderbare Beine, der Sitz der Taillenlinie macht den Unterschied zwischen schnittigem Schlachtschiff oder Boje und minimale Details am Dekollete sind entweder *hach* oder *ups*.
Mein heißgeliebter Look, bestehend aus engem Jeans + weißem Shirt wurde schon bei den 60-90-60-Fotos auf Instagram verworfen. Ich sah einfach nur öde, übermüdet und gedrungen aus. Nachdem ich zu nähen begonnen hatte, lief ich auch erstmal prächtig vor die Wand.
Mein erster Rock nach Jahren war ein Tante-Trude-Faltenmonster, das aus mir eine Landfrau machte. Die wunderbare rosa-schwarz karierte Seide war schlichtweg fürn A…
La Primavera gab mir noch ein paar Tipps, das mir den Beinen und der idealen Rocklänge hatte ich auch schon von ihr gelernt, nun definierten wir den Sitz der Taille und die Linie, die sie möglichst machen sollte, zwei Finger breit unterm Rippenbogen. Damit kam ich schon mal weit, aber mir fehlte immer noch die Vorstellungskraft, ob ein Schnitt funktioniert oder nicht.
Die Lösung sind diese Figurinen: (Die Fotos lassen sich mit Mausklick vergrößern.)
Figurine vorn Figurine seite Figurine hinten
Die Umrissbilder lassen sich prima bemalen:
Victorianisches Kleid vorn Victorianisches Kleid seite Victorianisches Kleid hinten
Hier habe ich an ein Oberteil aus einem Burda-Schnitt, das eng weiterging, einen Rock in A-Linie angebaut. Das Kleid ist nun, nach 1000 Änderungen auch fertig, am neu entworfenen Rock hat es definitiv nicht gelegen.
Bluse 1 Bluse 2
Das ist der Test, ob eine Bluse mit Schößchen besser aussieht als ein Rock mit Sattel.

Nein, ich bin kein Maltalent. Ich habe mich mit Gummiband um die Taille vor die Wand gestellt und den Grafen gebeten, mich zu fotografieren. In Photoshop habe ich die Bilder mit dem Fotokopie-Filter in Schwarzweiß-Zeichnungen verwandelt. Schlimm. Die Ergebnisse sahen aus, wie von Zille gemalt.
Damit ich mir das nicht ständig ansehen muss, habe ich die Umrißlinien exakt nachgezeichnet und die Zeichnungsebene separat abgespeichert. Dafür habe ich mein iPad, einen Bamboo-Stift und die Adobe Ideas-App verwendet. Auch mein Bamboo-Pad hätte dazu gedient  – oder einfach Transparentpapier, das sich einscannen oder umkopieren und dann bemalen läßt.
Die schnellen Handzeichnungen entstehen auch auf Adobe Ideas, Basisebene ist die Umrißzeichnung.
Der große Vorteil ist, dass ich nun mit einigen netten Ideen gar nicht mehr anfange, weil ich sie vorher auf Herz und Nieren geprüft habe. Tiefsitzende Taille oder enge Sättel am Bauch, Kellerfalten im Rock aus steifem Stoff – muss nicht sein. Nice to have, aber das ist die Arbeit nicht wert. Dafür merke ich gerade, wie ich schon mit der Differenzierung von Ausschnitttiefe und Ärmellänge oder Rockweite  und den Silhouetten spielen kann.
Demnächst würde ich gern noch die abfotografierten Stoffmuster einbauen.

Veröffentlicht unter Nähen

Nachhilfe für Bastelhasserinnen

Nein, das wir jetzt nicht noch ein Martinslaternen-Bastel-Erfahrungsbericht! Die wahre Heldin ist ohnehin Frau Casino, die lange Zeit DREI! Martinslaternen pro Jahr bastelte.
Ich habe schon vorausschauend konstatiert, dass der Graf sehr gerne und gut bastelt. Das Enkelkind kann also irgendwann kommen und wird nicht von mir versehentlich auf dem Tisch festgeklebt.
Schnitte verändern ist auch ein bisschen wie Laternen basteln. Erst ist alles flächig und hinterher soll es in 3D gut aussehen. In meiner ersten Nähära hatte ich noch eine Taille und dass ich wenig Busen, gerade Schultern und breite Hüften hatte, machte bei diesen Oversized-80er-Schnitten mit Bundfalten gar nichts aus.
Jetzt sieht das anders aus. Mein räumliches Vorstellungsvermögen ist etwas unterbelichtet und so habe ich jetzt ziemlich alles durch, was Änderungstricks angeht und wurde meiner Klimakteriumsfigur (an der sich in den nächsten Jahren nicht grundlegend etwas ändern wird, auch mit Sport nicht, wenn ich mir meine Vorfahrinnen so ansehe) trotzdem nicht gerecht. Nachdem ich eine ganze Zeit alles an der Oberweite aufgehangen hatte  – was bei Hängerkleidern durchaus geht – aber damit ein Oberteil bekam, das an den Armen, Schultern und am Rücken viel zu weit war, kapiere ich langsam, dass es um ganz andere Stellen geht.

  1. Genau im voraus schauen, was für einen BH ich unter einem Teil tragen werde. Das ist je nach Polsterung ein Unterschied von fast 10 cm Oberweite und der Brustpunkt sitzt auch mal 5 cm höher oder tiefer. Falls das Kleid Dekolleté hat, muss ich auch an der Büstenkonstruktion basteln. Bei einem Formschnitt ist es dann die D-Körbchen-Variante mit nach oben verschobenem Brustpunkt. Bei einem eng anliegenden Normalschnitt, egal mit welchem BH, wäre immer eine kleine FBA* nicht schlecht.
  2. Auch wenn ichs nicht gerne höre und es deshalb immer auf anderes geschoben habe: „Vortritt“ heißt das in vornehmem Maßschneiderdeutsch. Oder zu gut deutsch: Den Bauch einplanen.** Wenn man das einmal durchexerziert hat, ist das ähnlich wie mit der FBA, ich danach weiß hoffentlich, wo zugegeben und weggelassen wird, außer die Schnitteile sind zu exotisch konstruiert.
    Was Schnitte angeht, kann man auf der Website von Anna Scholz (deren Zielgruppe nicht umsonst dicke und modebewußte Engländerinnen sind) ganz gut sehen, wo sie Taillen und Teilungsnähte hinsetzt, wo es weit und wo eng ist und wie die wirklich dicken Models damit aussehen.
    Vielleicht hilft mir eine Konsultation bei einer befreundeten Schneiderin sogar besser als ein Schnittkurs.
  3. Schneiderpuppe bauen. Steht auf der To-Do-Liste.
  4. Von ein paar Sachen verabschieden. Hm, will ich einfach nicht. Ich bin fest entschlossen, eine unwürdige Alte zu werden. Dafür muß ich heute schon die Weichen stellen.

*Für Nicht-Näh-Nerds: Full Bust Alteration
**Hat mich da jemand fett genannt?

 

Veröffentlicht unter Nähen