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Zahlen.
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ARGH!
Archiv für den Monat: Oktober 2007
Ist Sex wichtig?
Fragmente meinte irgendwann in einem Kommentar sehr ironisch, Sex würde überschätzt. Das ist ein Satz, den ich nicht zum ersten Mal zu hören bekomme. Auch Männer sagen ihn, zu meinem großen Erstaunen. Und er landet bei mir so nachhaltig, daß ich sofort ein „Ja aber….!“ dagegensetzen muß.
Seit ich relativ früh gestartet bin, strukturiert Begierde mein Leben. Von meiner Jugendliebe gefragt; „Würdest du mich verlassen, wenn ich impotent wäre, querschnittsgelähmt oder spastisch vor mich hinvegetieren würde?“, habe ich genau die entscheidende Sekunde mit der Antwort: „Natürlich nie!“ gezögert, um einen Riesenkrach zu bekommen. In dieser Sekunde schoß mir so allerhand durch den Kopf: oh gott, fiese frage +++ aber das geht doch nicht, sex machts doch aus, sonst wärst du mein bruder/onkel/kumpel/vater +++ wenn du dann noch willst, daß ich dir treu bin, kann ich mich gleich lebendig begraben lassen +++.
Sex ist eine spezielle Form von Kommunikation. Manchmal die einzige, in der Männer und Frauen sich verstehen (wie heißt es so schön: die einzige Stelle, wo Männer und Frauen zusammenpassen, ist in der Mitte) und für mich mit meinen Kontaktängsten eine Brücke zum anderen Menschen, wie ich sie mir sexlos nie aufbauen könnte. Wenn die Kommunikation dann eingespielt ist, kann man auch wieder reden und dann werde ich ruhiger. Viel Arbeit und das hormonelle Auf und Ab tun das ihre.
In den Zeiten, als ich eine schlimme Stoffwechselstörung hatte, die mir so was wie Wechseljahre in der zweiten Hälfte der Dreißiger bescherte, fand ich dieses ganze Balzen, Gurren, leichtgeschürzte Flatterkleider anziehen, verstohlen Bizepse begaffen schlicht abartig wie ein alte Jungfer.
Und, wie gesagt, entgegen der landläufigen Meinung, kannte ich auch Männer, die meinten, das ganze Hoppe-Hoppe sei nicht wichtig.
Der eine war zwar recht aktiv, leugnete aber schlichtweg, so was wie sexuelle Phantasien zu haben oder außerhalb des Moments, in dem es ihn „übermannte“, überhaupt nur daran zu denken. Ich verlor an diesem Aspekt der Beziehung mit ihm daher auch recht schnell das Interesse. Eine meiner Freundinnen, die er so nebenher auch mal beglückte, meinte zu mir, das wäre der schlechteste Sex gewesen, den sie je gehabt hätte. Was etwas heißen mag, denn die Gute hatte in ihrem Leben sehr viel schlechten Sex.
Der andere war mit Sicherheit homosexuell. Allein die Umstände seiner Herkunft und Jugend – Bauernjunge, der in den 50ern im katholischen Eichsfeld aufgewachsen war – hinderten ihn daran, so einen Gedanken überhaupt an sich heranzulassen. Er stand auf sehr knabenhafte Frauen, die dann aber auch auf keinen Fall zu aktiv sein durften und war froh, wenn er in Ruhe gelassen wurde.
Frauen sind in ihrer Abneigung gegen Sex offener. Es ist in gewisser Weise auch Bestandteil des Spiels: Eigentlich mag sie es nicht, aber mir zuliebe tut sie es bzw. nur ich kann den Funken in ihr entzünden.
Besagte Freundin berichtete an ihrem Küchentisch von wunderbaren Kuschelnächten. Ich saß stumm daneben und sagte zu mir: Kitty, du bist eine Sau! Halt jetzt bloß die Klappe und sag nicht, daß du so was grauenvoll öde finden würdest. Schäm dich lieber.
In die gleiche Kerbe hauten von Anfang an die kleinbürgerlichen Frauen aus dem mütterlichen Zweig der Familie. Die Qualiät eines Mannes wurde daran gemessen, ob er schweinische Witze erzählte. Männer wollten sowieso nur das eine und die Frauen, die es machten, waren Schlampen.
Das scherte mich alles herzlich wenig. Ich war sowieso hormonell ferngesteuert und hatte den Drang, mir auf diesem Weg die Geborgenheit und körperliche Aufmerksamkeit zu holen, die mir meine Familie nicht gab.
Ich lernte, zu genießen, Vorlieben zu entwickeln. Guter Sex ist für mich genauso wichtig wie guter Wein, hervorragendes Essen oder ein gutes Gespräch. Sexueller Umgang ist eine Form von Kultur. Genau so, wie man lernt, welches Besteck zu welcher Speise paßt und wie man ein Gespräch führt. Oder weiß, wann Zeit für Currywurst mit Pommes und hemmungsloses Herumblödeln ist. Natürlich verhindert die Angst viel. Sexualität ist ein Bereich, den gerade Frauen unter Kontrolle zu halten konditioniert sind. Triebhaftigkeit ist ebenso der Beginn grenzenloser, durch nichts kontrollierbarer Freiheit wie des gnadenlosen, mechanischen Stumpfsinns. Männer behindert eher Leistungsdruck, scheint mir. Groß genug? Ausdauernd genug? Oft genug? Bullshit. Ekstase kann mitunter im großen Zeh sitzen.
Das Alter macht mich ruhiger. Der hormonelle Strudel dreht sich langsamer, sein Sog ist schwächer geworden. Ich muß zugeben, ich habe Angst vor der Zeit der ruhigen Wasser. Wer bin ich dann? Fühle ich mich dann wie eine der Frauen, die ihrer verlorenen Schönheit nachtrauern? Oder ist es einfach nicht wichtig?
P.S. Aus gegebenem Anlaß. Meine Herren, wenn Sie jetzt den Impuls verspüren, mich diskret zu kontaktieren, weil sie das Gefühl haben „einer geht noch“, muß ich sie enttäuschen. Ich treibe es nur mit Leuten, die ich gut kenne. Und seit langem überhaupt nur mit einem. Unaufgefordert eingesandte Spatzlbilder werden mitsamt Begleittext und Mailadresse unverzüglich veröffentlicht.
Nu isser weg
Gestern abend habe ich HeMan zum Flughafen gebracht. Für fünf Wochen Nepal, die er versuchen wird, unter hiker zu dokumentieren.
Die letzte Stunde vor dem Abflug verbrachten wir knutschend auf einem Sofa in der Business Lounge.
(Übrigens gibt es immer wieder Lebensenttäuschungen. Die Business Lounge in Tegel zählt dazu. 80er-Jahre Design, das mittlerweile den Charme von Möbel-Tick hat. Uralte Telefone und Faxgeräte, ein Fall fürs Technikmuseum. Jede Menge Alkoholika und zum Essen Käse aus der Plastikfolie und Chips. Man kann sich dort hungrig und überarbeitet gut volllaufen lassen und später die Flugbegleiter belästigen oder in den Flieger kotzen.)
Die letzten Wochen, in denen auch ich an den intensiven Reisevorbereitungen teilnahm, haben mich mehr in C-Burg als in X-Berg leben lassen. Ich habe mich gern um die eine oder andere technische Sache gekümmert. Blog und Flickr-Account einrichten, Mailumleitungen, iPod bespielen. Mütterlich Medikamentenpackungen beschriften, mit knappen, ohne Lesebrille lesbaren Hinweisen: Fieber, Durchfall, Allergien etc. Ich gesellschaftsunfähiger Mensch habe sogar eine Abschiedsparty organisiert. Die Nähe war mir wichtig. Eine produktive Nähe, in der es nicht darum geht, sich stundenlang in die Augen zu starren oder sich im Bett zu wälzen.
Nicht, daß ich jetzt in ein schwarzes Loch falle. Die Ereignisse dieses Jahres haben genügend Arbeit auf die Halde geschoben. Ich bin in meinen Geschäften einfach so mitgerutscht. Von Führung kann nicht mehr die Rede sein. Also den Berg abarbeiten und wieder einen Überblick schaffen.
Erholung. Wir waren viel unterwegs, aber das waren anstrengende Zeiten, mit wenig Schlaf und kaum einer Möglichkeit, einfach Zeit für sich zu vertrödeln. Dieser vermeintliche mentale Leerlauf ist es aber, der mich produktiv macht. Mein Beruf verlangt von mir Erreichbarkeit und kompetentes Reagieren in jeder Situation, ich mache das seit dem 10. Januar ohne Unterbrechung. That sucks.
Ganz banale Sachen kommen dazu: Das Loft aufräumen, einrichtungstechnische Provisorien beseitigen. Die dunkle Jahreszeit kommt und ich habe immer noch nicht genug Licht. Mein Kühlschrank macht mir Sorgen. Ist Botterbloom-Eis immer so weich oder wird er nicht mehr richtig kalt? Bitte jetzt keine gaggenauteure Reparatur, nicht bei meinem Kontostand. Das Küchenregal ausräumen und alles wegwerfen, was nicht luftdicht verpackt ist (was nicht viel ist), denn ich fange immer noch Maden von der Wand.
Vier Kilo abnehmen. Ich habe einfach zu wenig getan und zu viel gegessen in den letzten Monaten. Eigentlich könnte ich sofort für den ganzen Tag in der Muckibude verschwinden. Vielleicht mache ich das morgen auch.
Ich leide nicht unter Trennungsschmerz. Das ist vielleicht das schöne am Älterwerden. Ich gönne HeMan die Reise und hatte selbst keine Lust, Zeit und Geld, mitzufahren. Das ist nicht mein Traum sondern seiner, der da verwirklicht wird.
Ich habe den einen oder anderen Augenblick der letzten Tage als möglichen finalen Moment abgespeichert. Still, für mich, ohne hysterisches Hyperventilieren. HeMan ist in einem Alter, wo das eine oder andere auf einem Treck im Nepal zu einem gesundheitlichen Problem werden könnte. Und er hat die typisch männliche Tendenz, auf Körpersignale nicht zu hören. Zumindest nicht, wenn er beschäftigt ist. Hypochondrie im Leerlauf ist durchaus erlaubt. Außerdem hat er hat eine Neigung zu Unfällen. Und ich bin ein Mensch, der glaubt, daß Unfälle keine Zufälle, sondern naturellbedingt sind. Einmal mit Unterkühlung im Krankenhaus gelandet, ein Genickbruch, zweimal unters Auto gekommen, dazu diverse Stürze mit dem Fahrrad oder Inline-Skates. Da liebt jemand das Risiko. Von der letzten Bergwanderung kam er mit einer angebrochenen Rippe zurück. Das war eine Tour in Südtirol, zusammen mit drei Sechzigjährigen.
Kein Grund zur Panik, aber ich bin Zweckpessimistin. Das schlimmste wäre für mich, wenn mich ein Unglück überrascht.
Und sonst? Es gibt viele Angebote von Freunden, etwas mit ihnen zu unternehmen. Auf manche habe ich Lust. Ich habe auch Lust, mit meinem neuen Auto einfach wegzufahren, ganz allein. Mal sehen, wo ich lande.
Das schöne
am allein zu Hause rumhocken ist, daß man zu Sachen kommt, die man ewig vor sich hergeschoben hat. Ich ersetze jetzt mal „man“ durch „ich“.
Ich habe heute Kündigungen verschickt. Für zwei Fahradversicherungen, deren versicherte Objekte längst im Nirvana rollen. Ein Mieterschutzportal, in das ich mich vor Jahren zweimal eingeloggt habe und von dem ich einmal den fachlichen Rat bekommen habe, ich solle doch bitte einen Anwalt konsultieren (Danke!). Drei Zeitungsabos, weil ich in X-Berg eh nicht zum regelmäßigen Tagesspiegel-Lesen komme, eine Fernsehzeitung nicht mal mehr beruflich brauche, sie nur noch aus Sentimentalität (Milchstraßenrevolutionäre) und wegen der letzten Seite vom Kalkofe behalten habe und die Zeit, weil sie von vier Wochen nur drei kommt. Aber letztere buchen scheinbar nicht mal mehr ab. Hm. Im Überschlag spare ich an den Zeitungen 500 € im Jahr. Blogs sind doch die bessere Alternative zum Journalismus. Sie sind basisdemokratische Unterhaltung und Information auf Gegenseitigkeit.
Es ist sehr befriedigend, wenn der Berg, den ich vor mir herschiebe, schrumpft und ich trotzdem nicht das Gefühl habe, zuviel zu arbeiten.
Und noch etwas ist schön: Ich habe viel Lust, zu bloggen.