Verbucht unter: Chaostage

Das war die letzte Woche, irgendwie lagen die Notizen lange im Entwurfs-Ordner, weil immer etwas dazwischen kam.

Montag: 
Ich hatte extra eine Fahrt zu Primavera verkürzt (aus ganz anderen Gründen dann komplett abgesagt), damit wir Montag zwischen 9 und 10 zu einem wichtigen Termin erscheinen konnten.
Wir stürmten ins Charlottenburger Hotel, glücklich darüber, einen Parkplatz ergattert zu haben und bekamen an der Rezeption gesagt: „Nee, das ist Ende der Woche!“
Dienstag und Mittwoch:
Ging. Gartenwühlen beim Kind. Pixelschubsen. Termine.
Herrn Schnecks Blogumzug fertiggestellt, er ist jetzt international.
Donnerstag: 
Super, Rosegarden-Talk auf der Social Media Week zum Thema Share Economy. Da will ich unbedingt hin.
Am späten Nachmittag schaue ich noch mal genau au die Einladung, ob das nun 19:30 oder 20 Uhr ist. Pustekuchen, das läuft schon seit einer halben Stunde.
Freitag:
Nun also der Hotel-Termin. Wir sind live dabei, wie das Serienmörder-Stasi-Grundstück am See zum Mindestgebot an ein Telefonphantom geht.
Samstag:
Die Entropie ist scheinbar wieder auf ein niedrigeres Level gesackt, alles fein. Hundespaziergang mit Frau Casino und von der armen verunfallten Frau Modeste Opernkarten für die Zauberflöte abholen.
Sonntag:
O-o. Dieser Tag verdient eine ausführliche Erläuterung.
Der Mann fährt ein Elektroauto Probe. Das ist ja erstmal immer etwas nervig, wenn man in ein unbekanntes Auto steigt (ich erinnere mich da an diverse erste Kilometer mit Mietwagen irgendwo im Ausland). Elektro ist sowieso ganz anders, weil leise und dann noch Automatik. Dann fahren wir und eine alte Frau irrt auf der Straße herum. Ich steige aus und bugsiere sie freundlich, aber nachdrücklich wieder in Richtung Altersheim, wo ihr auch schon eine leicht gernervte Pflegerin entgegenkommt, das war wohl das dritte Mal an diesem Vormittag. Ganz eigentlich wollte die Dame mit uns nach Hause nach München.
Wir finden einen Parkplatz am Helmholzplatz. Was wir nicht finden, ist die Karte, die das Auto wieder verschließt. (Stunden später erinnere ich mich erst wieder, wie ich lossprang, weil uns die alte Dame ins Auto laufen wollte, da ist sie wohl irgendwie mit rausgefallen.) Aber das wurde per Hotline relativ flott gelöst. Vorher suchten wir aber dreimal ratlos alle Taschen durch und erinnerten uns an nichts.

Was ich nicht erwartet hatte, war, dass wir auf Anhieb einen Platz zum Frühstücken fanden. Es war auch höchste Zeit. Für einen Menschen wie mich, der morgens nach Kaffee und Frühstück gut anderthalb Stunden meditative Ruhe braucht, um auf gefahrlosem Betriebslevel zu sein ist „komm, wir schauen mal, wo ein Platz beim Brunch frei ist“ so mehr Überlebenstraining.
Aber mir ging es in der Herbstsonne sehr gut, nur der Graf floh irgendwann vor ein paar Kindern, die sich fortwährend laut blökend an ihm vorbei in Richtung Mutter durchrempelten. Wenn sie nicht das taten, kratzten sie mit im Rinnstein gefundenen Glasscherben auf der Menütafel, ein schönes Geräusch.
Dann gingen wir ins Prenzlauer-Berg-Museum in der Dunckerstraße. Das ist sehr empfehlenswert, wenn man wissen möchte, wie Menschen hier früher zusammengelebt haben. Interessant war, dass der Helmholzplatz, zu den Zeiten, in denen diese Region des Prenzlauer Bergs erbaut wurde, Standort eines Ziegelofens war. Nachdem der abgerissen wurde, begann auf dem Platz die Tradition der dort herumstehendenhängenden Säufer, die bis heute besteht.
Wir fuhren zurück und ich nahm noch ein Mützchen Schönheitsschlaf, bevor wir uns für die Oper fertigmachten. Der Graf entschied sich angesichts meines Outfits – Abendrobe, Kollier und große Coiffure, nun doch nicht im Nerdjäckchen loszugehen, zog den Anzug an und und band die Fliege um und so segelten wir zur Straßenbahn. Kurz vor der Oper wunderte ich mich. Der Vorplatz war eine Viertelstunde vor Beginn leer. Ich nahm die Karten heraus, setzte die Lesebrille auf und sah mir das Datum an. Die Vorstellung hatte bereits am Samstag stattgefunden.
Gott sei Dank können wir über solche Karl-Valentin-Szenen lachen.

Plötzlich hatten wir sehr viel Zeit und auch etwas Hunger. Wir überlegten, wir wir mit unserem Wunsch nach Wiener Schnitzel am besten aufgehoben waren. Das Aigner ist ja für mich immer noch durch das Café meiner Studentenzeit überdeckt, das sich am gleichen Ort befand. Im Lutter & Wegner waren wir dieses Jahr schon mal. Ins Borchardt will der Mann nicht rein, aus welchem Grund auch immer und ich habe dort berufshalber ganze Berge von Schnitzel gegessen. Also blieb die Gendarmerie übrig, die der Graf nur als Bargast kannte und ich gar nicht.
Ich spare mir lange Worte über die Gendarmerie. Keine Ahnung, was der Herr Laggner damit für ein Konzept verfolgt. Flapsiger Service, der fast die Gäste umrennt, einen mit „Ah, Generation Facebook!“ deklassiert, sobald man sich auf Foresquare eincheckt und einem parallel ein Gericht, ein Drittel teurer als das Schnitzel, als Zwischengang aufschwatzen will. Wahrscheinlich mussten die Scampi weg. Auch wunderbar zu sehen, wie jedes Jahr die totale gastronomische Überforderung am Sonntag abend ausbricht, wenn es der Marathonsonntag war. Wir überlassen den Laden auch in Zukunft wieder den Anzugträgern mit der dicken Hose und ahnungslosen Touristen.
An den Zionskirchplatz zurückgekehrt, tranken lieber wir noch einen netten Absacker im Rebkeller.

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