Zwischen den Polen

Der Graf und ich waren heute ein wenig im Viertel unterwegs. Zuerst dort, wo es nur noch dem Namen nach Mitte ist: Im Supermarkt, zur Verleihung des Ernst-Zedler-Preises von Wikimedia Deutschland.
Eine sehr schöne Veranstaltung. Ohne Hype, mit ganz viel Engagement und Herzblut. Hohes Nerdaufkommen. Schwarze Motto-T-Shirts, Herrenpferdeschwänze und bleiche Haut.
Special Guest: Bosch.
Die Wikipedia-Welt fasziniert mich so ausnehmend, weil ich finde, das hier die wahre Revolution unserer Gesellschaft stattfindet: Ein Wissenswerk, geschrieben von vielen. Absolute Demokratisierung von Information, von Schnurren bis fachlicher Gigantik, von Pizzakarton bis Portal Österreichischer Denkmallisten. Da sind Leute zugange, weil sie es wollen und können und nicht, weil sie dafür Geld, geile Weiber und Ehre bekommen. Natürlich ist es ein Abenteuer, anonym unterwegs zu sein und für die Preisverleihung jemand anders auf die Bühne zu schicken, weil man die Anonymität wahren will. Wann kann man schon noch Zorro sein? (Oder so ein bißchen Anonymus?)
Dann gingen wir quer durchs Viertel, zum Pfefferberg. Das Guggenheim Lab geht schon deshalb nicht an uns vorüber, weil wir als Anwohner ständig per Postwurfsendung beschworen werden, daß das doch von den Guten ist und wir nicht dagegen sein sollen, auch wenn BMW draufsteht.
Wir standen ein wenig rum und fragten uns warum in drei Teufels Namen so viel Wind um so etwas Langweiliges gemacht wird. Internationale Hypes, aufgewärmt und medial-diskursive Form gegossen. Für sich ja alles nett: Eisbachsurfen, Urban Gardening etc.

Klar, daß die alteingesessenen Kreativen in Arealen, über die gerade die Gentrifizierung hinwegrollt, abkotzen. Aber Entschuldigung! Eure 20 Jahre alten Kunst- und Kulturprojektskamellen, bei denen Publikum egal war und mit denen ihr euch damals von „Maßnahme“ zu „Projektförderung“ gehangelt habt, fand ich schon damals blöd und langweilig. (Und ich habe mich bewußt dagegen entschieden, mich in solchen Kreisen zu verwirklichen.)

Wir waren heute an entgegengesetzten Enden der Skala: Hier die, die Spaß haben, etwas Sinnvolles zu schaffen und nicht aufs Geld schauen, finanziert von Spenden der Nutzer. Da genau solche einst als Spaß begonnene Trends, die in die Hypemaschine geraten sind, mit viel Bühnenaufbau und PR, an dem sich ein Autohersteller profiliert und sich ein paar Eventheinis eine goldene Nase verdienen (hoffentlich). Und in der Ecke die eingeschnappten Minimal-Subventionsabzocker, die nicht gefragt wurden und dagegen sind.

Für diese Brüche mag ich dieses Viertel.

Ach, und das noch zum Schluß:

 

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Ein Gedanke zu „Zwischen den Polen

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