Sonntag abend. HeMan und ich sitzen uns gegenüber. In unseren Gesichtern ein Flackern zwischen Lachen und Heulen. Unser Konsens lautet: Ich glaubs nicht!
Jeder von uns hatte in der Pubertät den Schwur geleistet, nie nie!!! so einen peinlichen Urlaub wie die Eltern zu machen. Kajakfahren in McPomm und wild zelten, ja. Mounainbike fahren in Tirol, ja. Und nun befinden wir uns im Aufenthaltsraum einer Harzpension. Auf den Tischen beigefarbene, fleckabweisende Spitzendecken. An den Wänden hölzerne Volkskunstartikel. Dekorativ angeordnete, mit Brandmalerei verzierte getrocknete Apfelscheiben aus Holz zum Beispiel. Oder Blüten aus Birkenrinde auf eine Holzscheibe geklebt. Die Decke ist praktisch mit Styropor verkleidet. Zum Abendbrot gab es Boullion mit Eierstich, (grandiosen, Kinderzeiten beschwörenden!) Braten mit Sahnesoße und Klößen und dann noch Pudding mit Sprühsahne. Wenn wir Rotwein bestellen, werden wir gefragt Wieder den trockenen?
Wir spielen „Mensch ärger dich nicht“ und trinken ein Kräuterlikörchen nach dem anderen.
Unsere Tischnachbarn unterhalten sich in schweren Dialekten über die Agrarreform. Ein paar prollige Bulettenberliner wissen wieder alles besser: Ick mach immaerst ne Stadtrundfahrt, bevor ick im Ausland ne Stadt anseh, dann weißick watick mir allet noch mal ansehen kann.
Ich bin todmüde und meine Achillessehne kühlt ein Eisbeutel. HeMan hat sich die Ferse enthäutet.
Ganz am Rande: Den Wanderführer vom Harzclub e.V. kann man in die Tonne treten. Die dort für geübte Wanderer beschriebenen Touren schafft noch meine Oma mit ihrem kaputten Hüftgelenk und der Gehhilfe.
Am nächsten Tag geht es wieder hinauf auf den Berg, dort wo nur noch wenige unterwegs sind. Es gibt Frösche (auf 880m!), bergeweise Foschlaich, Felsen en masse, einen märchenhaften Abstieg durch den Windbruch ins Tal. Und wir fahren nach einer Flußpassage mit einem dampflokgezogenen Minizug zurück. Zu Braten, Sauerkraut, Klößen und Roter Grütze mit Spühsahne. Danach selbstredend eine Menge Kräuterlikörchen…
das weckt wieder erinnerungen an meine pubertät, als mich meine eltern jeden sonntag aus sorge mich mit zwölf allein zuhause zu lassen, um sämtliche harzer talsperren geschleppt haben. natürlich mussten wir in genauso ein gasthaus einkehren. dass das da noch immer so aussieht, ist irgendwie doch schön. darauf trinke ich im gedanken ein kräuterlikörchen mit! prost.
ah frau choc und ihr gesicht, das sie beim umrunden der talsperren gemacht haben, kann ich mir gut vorstellen. 12, die muffige, pampige teenagerphase. wo man sich noch nicht so recht wehren konnte.
ich muß allerdings zugeben, daß ich mit meiner tochter vor einigen jahren zu ostern dasselbe veranstaltet habe. allerdings in zittauer gebirge. das sprach bände, wie sie in stummem protest hinter uns hertrottelte.
Solche klischeebehafteten Situationen erfordern klischeegerechtes Handeln. Meine Eltern rieben sich die Augen als ich während eines Wanderausflugs vor ihnen über alte Zeiten schwadronierte und die Herrlichkeit der Landschaft pries. So soll es dann auch wohl so sein das man im Harz in likörtrinkender und bratenessender Weise über die neuesten Reformen spricht.
sollte man eltern tatsächlich in ihrer eigenen spießigkeit überholen können? doch, ich erinnere mich an meine ersten versuche der bürgerlichen haushaltsführung…