Keine Ahnung, warum der Hegemann-Hype mir seit langem die Nackenhaare sträubte. Weil ich bei Hype ohnehin vorsichtig bin? Weil ich es unerträglich fand, wie das Feuilleton eine postpubertäre Rotzgöre umschleimte? Weil ich die Prallele zu „Cazy“ und Benjamin Lebert sah, dessen Vater ebenfalls als Wegbereiter hinter ihm stand? – Was spätestens bei den ersten Standalone-Produkten von ihm offensichtlich wurde. Jungstar mit dem richtigen Stallgeruch sein, das hat weniger mit eigenen Verdiensten zu tun, als damit, der Vätergeneration als Projektionsfläche zu dienen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Schuld abzuarbeiten. Väter, die mit dem Karriereanschub fürs durch das junge Leben kriselnde Kind wahrscheinlich ihre Abwesenheit, Egozentrismus und Ignoranz der frühen Kinderjahre kompensieren wollen und sich zudem bescheinigen, ein besonderes Wesen, das nach ihnen gerät, in die Welt gesetzt zu haben.
Helene Hegemann – ein Volksbühnen-Kantinenkind (das war auch Katharina Thalbach und ihr hat es nicht geschadet, Thalbach war sehr früh Schauspielerin und wechselte immer wieder und öfter auf die Regieseite). Regie hat etwas mit Reife zu tun, übrigens. Helene Hegemann steigt schnell ins reife Fach ein.
Mit 15 produziert sie das erste Theaterstück, das von Deutschlandradio als Hörspiel adaptiert wird. Ihr Film „Torpedo“ bekommt den Max-Ophüls-Preis, da ist sie 17, der Film ist finanziell gefördert von der Kulturstiftung des Bundes. (Quelle) So mancher Teenager setzt sich pubertierend-revoltierend in Szene. Nur bei Helene Hegemann steht die Kulturindustrie sofort bei Fuß und kauft. Denn sie muß nicht entdeckt werden, sie muß ihre Texte nicht auf Lektoratsstapel legen und sie ist nicht nur nicht eine der hunderte Festival- und Filmsubventionsbewerberinnen. Sie heißt Hegemann – beziehungsweise hat den Namen ihre Vaters mittlerweile angenommen – und Papa kennt die richtigen Leute.
Helene Hegemann äußert sich auf die Plagiatsvorwürfe, die seit dem Wochenende die Runde machen, sie sehe das mit dem Material, von dem sie sich inspirieren ließe so eher regiemäßig.
Auch da fällt mir Papa ein, der vor ein paar Jahren – er war noch Chefdramaturg der Volksbühne – auf einer Podiumsdiskussion abwinkte: Ja, nee junge Theaterautoren würden ihn nicht interessieren. Er ginge lieber ins Kino und entdecke den einen oder anderen Film, den man dann auf die Bühne holen könne.
Kein Risiko mehr eingehen. Etwas nehmen, was ohnehin funktioniert, das Herzblut eines anderen saugen. Denn es ist doch viel besser verkaufbar, ein minderjähriges Mädchen in Sex & Drugs & Techno zu schicken, als einen Mittzwanziger, der gerade mit dem Studium fertig ist und vor dem Ernst des Lebens und dem Erwachsenwerden davonrennt. (dazu)
Ein neues Fräuleinwunder, die Intellektuelle aus dem Sumpf des Berghain. Nun ja. Vor einigen Jahren kam mir die Idee, über jugendliche Entgrenzung zu schreiben. Über die Zeit, wo einem alles egal ist, man alles einmal ausprobieren muß und niemand, niemand darüber Rechenschaft ablege will. Mein einziges Problem war, daß ich für die Marktfähigkeit eines solchen Textes zu alt gewesen wäre. Ich hätte meine Tochter zu einem kleinen, frühreifen Fräuleinwunder machen können. Aber ich habe es gelassen. Ich habe mir gewünscht, daß sie Filmproduzentin wird. – Das, was ich gern geworden wäre. Sie ist einige Schritte in diese Richtung gegangen und hat dann ihren eigen Weg eingeschlagen.
Was für alle Beteiligten sicher besser war.