Frau Brüllen fragt wieder, was wir am Monatsfünften gemacht haben.
Ich bin relativ spät aufgestanden, so gegen 8:30 Uhr. Aber es war ja Samstag, da ist das ok. Ich hübschte mich nach dem Duschen etwas, zog eine neu genähte Lieblingshose an, aus dünnem schwarzem Viskosejersey (eine nettere Variante der Jogginghose) und dazu ein schwarz-graues Ringelshirt.
Dann machte ich Frühstück. Das Seelchen verlangte warmen Grießbrei mit Zucker und Zimt statt kühlem Joghurt mit Früchten. Ich kochte glutenfreien Maisgrieß mit Milch, etwas Butter und einem Stück Vanillestange.
Dann setzte ich mich mit Kaffee und meinem Grießbreischüsselchen an die Zeitungen des Tages und las meine Timeline. Auf Facebook fand ich den Link zum tumblr
Die leeren Gesichter des deutschen Kinos
Ich amüsierte mich vortrefflich und nannte den Style kurz und bündig Caspar-David-Friedrich-Acting. Das große Geworfensein in die Welt und die Weite.
Wobei dieses „Gesichts-Rügen“, wie es jemand nannte, für mich tatsächlich eine Erklärung hat. Die qualitativ gute und seriöse Schauspielausbildung in Deutschland findet ausschließlich für die Theaterbühne statt. Schauspielerei auf der Bühne ist eine ganz andere Technik als für die Kamera. Viel Größer, Symbolischer, Beschreibender, mit Ganzkörpereinsatz. Wenn man dann noch, wie einige der dort Abgebildeten, nach der Brecht- und nicht in der Stanislawski-Lehre ausgebildet wurde*, dann liegt die völlige Entleerung der Mimik vor der Großaufnahme wesentlich näher als das Strassbergsche** „denk an die Blumenwiese als du fünf warst und du hast den authentischen Glow“.
Also das wäre meine Lach- und Sachgeschichte dazu.
Noch ein Nachsatz: Til Schweiger kommt aus der Strassberg-Schule. Der ist kein Theaterschauspieler. Diese Nasennebenhöhlensprechtechnik hätten sie ihm an einer deutschen Schauspielschule nicht durchgehen lassen.
(ah, in den Facebook-Kommentaren empören sich die ersten Schauspielerinnen über meinen Acting-Witz)
Nach dem Frühstück räumte ich die Spülmaschine aus und packte gebügelte Wäsche in den Schrank. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich meine eBooks mit Calibre sichern wollte. Besser ist es, bevor mir in einem Lizenzstreit gekaufte Bücher unterm A… weggezogen werden. Nur, ärgerlicherweise läuft die Kindle-App nicht mehr auf Snow Leopard, ich kann mich bei meinem Amazon-Konto nicht anmelden. Da ist dann eben so, wenn ein Macbook 8 Jahre alt ist.
Ich überlegte gerade, ob ich am aktuellen Chevron-Quilt weiternähe oder die Baskenmütze im Fair Isle-Muster weiter stricke, da klingelte eine liebe Freundin, die ihr Fahrrad in unserem Keller geparkt hatte.
Wir trinken Kaffee und plaudern ein wenig und ich erzähle davon, dass es mir mit der unerwartet positiven Änderung meiner Situation nicht spontan besser geht. Es geht um so viel, es ist so viel zu klären und ich fühle mich oft sehr kraft-, rat- und hilflos, dazu mißtrauisch bis ängstlich, was gar nicht so meine Art ist. Die Freundin hilft mit einem spontan diktierten Schriftsatz sehr, sehr weiter.
Als sie gegangen war, muss ich mich erst einmal hinlegen, etwas lesen und eine Runde schlafen. Ich las Das Testament der Jessie Lamb (Amazon-Link) zu Ende. Ein spannendes Buch, dessen Schluss zumindest ich sehr schwierig finde. Aber ich will nicht spoilern.
Als ich wieder wach war, regnete es so, dass ich das Vorhaben, einen Spaziergang zu machen, schnell aufgebe.
Ich strickte mein Fair Isle-Mützchen weiter und höre dazu Metro 2034 (Amazon-Link) als Hörbuch. Die Stimmung des Romans wird von meiner Stimmung und der verregneten Schwärze draußen gedoppelt.
Gegen halb neun Uhr abends überlegten wir, was wir noch essen könnten. Mir reichten Käsebrote mit rohen Gemüseschnitzen, der Graf holte etwas aus der Focacceria gegenüber und ich bekam ein Teilchen mit Thunfisch und Gemüse.
Dann strickte ich weiter, bis ich die Farben nicht mehr sehen konnte und ging zu Bett.
Das war mein Samstag. Es ist gerade alles etwas komisch und anstrengend und ich schleiche umher, als hätte mich jemand verprügelt, aber da muss ich durch.
Ach und als Bonustrack gibt es noch zwei schöne Autoren-Blogpost-Empfehlungen. Das Geheimnis des grauen Greifers und Like a Virchow.
Die anderen Einträge stehen hier.
*Kurz und grob umrissen: Stanislawski läßt den Schauspieler die Rolle fühlen und sich identifizieren, Brecht orientiert sich u.a. am asiatischen Theater und lässt die Schauspieler die Figur aus Elementen „bauen“ und distanziert vorführen, sie sind quasi Puppenspieler ihrer selbst.
** Wieder kurz und grob: Lee Strassberg ist der Vater der Camera Acting-Lehre. Er entwickelte den Stanislawskischen Ansatz, sich in eine Rolle einzufühlen, weiter für die Kamera. – Die oft sehr nahe ist und nur Teile des Körpers aufnimmt und damit Informationen über den Zustand der Filmfigur übertragen will. Da ist schon das Einfühlen zu groß, da reichen winzige Gedanken- und Erinnerungsblitze für einen Widerschein auf dem Gesicht.
Die leeren Gesichter spiegeln doch das „cool-bleiben“ vieler anderer wieder. Bloss keine Gefühle zeigen, bloss nicht zeigen, dass etwas berührt hat. Die Schauspieler machen etwas vor, alle anderen machen es nach. Oder umgekehrt?
Die Farben Ihrer künftigen Baskenmütze sind sehr schön. Es gibt eine Bloggerin „City Views Country Dreams“ die strickt unentwegt diese komplizierten Muster (verkauft auf Etsy).
Den leersten Blick im Bärengesicht (die haben auch keinen Ausdruck) hat unsere Bundeskanzlerin. Die beherrscht das in Perfektion.
Cool, die Frau:-)
(etwas was mich gerade etwas verwirrte, in der Überschrift steht November 2015)
argh! dass ich das aber auch nie hinbekomme! danke!
Nasennebenhöhlensprechtechnik
Nasennebenhöhlensprechtechnik
ich wiederhole das Wort so an die fünf mal, sehr genießerisch, falle mit einem Lachflash fast von der Bettkante. Nasennebenhöhlen…usw. Danke. Köstlich.
Eva