Von bösen alten Frauen

Hexen, Vetteln oder einfach „die Alte“. Mit den Jahren nehmen die negativen Bewertungen für alte (in der Regel allein lebende, „übriggebliebene“, nicht verwitwete) Frauen überhand.
Sie taugen zu nichts mehr. Kinder? Enkel? Meistens Fehlanzeige. Dafür verlangt ihr welkes Fleisch noch immer nach Männern. Fürsorglich? Nett? Anpassungsfähig? Auch meistens Fehlanzeige. Durchsetzungsbereit. Kompromisslos. Selbstbezogen. Das sind sie meistens. Aber dann wären sie ja Männer…
Bevor ich den wohlfeilen Klischees noch weitere hinzufüge, muß ich den Auslöser dieses Textes erläutern. Ich habe ein paar Freundinnen, die älter sind als ich und unter denen sind zwei, die entwickeln sich genau so. Sie werden böse alte Frauen. Sie sitzt mit dir im Restaurant und wechselt dreimal den Tisch, am Dritten ziehen wir einem jungen Mann den Stuhl unter dem Arsch weg, der sich gerade dran setzen wollte. Dann ist der Kaffee zu kalt und wird neu geordert. Dem ist ein Klagelied vorausgegangen, daß der Service hier zu langsam sein. Ich merke, daß die Freundin hier schon bekannt ist. Das Personal zieht ein langes Gesicht und bewegt sich extra langsam. Sie erzählt mir von einem Streit neulich mit dem Koch und der Inhaberin: die Scampi waren glasig, sie ließ sie dreimal zurückgehen.
Die andere ißt nichts, was auf der Speisekarte steht, weigert sich „in den Osten“ zu fahren und zieht in meinem Beisein über „euch Ostler“ her. „Auf euch ham wir grade noch gewartet und jetzt sitze ich mit einer im Auto und die fährt ein besseres Auto als ich.“ Sie will gefahren, mitgenommen, bedient werden und gibt selten mehr zurück als Neugierde („wie läufts denn bei euch?“).
Und bevor Lucky mich wieder abwatscht, daß ich mich scheinbar in meiner Opferposition wohlfühle, muß ich zugeben, daß ich in solchen Situationen zu stummem Entsetzen und Mitleid neige.
Ich sehe die verkniffenen, schmalen Lippen. Ich höre mir die Geschichten über Gesundheits- und Hundeprobleme an. Höre über früher. Die vielen Männer, wilde Zeiten… Und jetzt? Sie haben es aufgegeben. Da kommt niemand mehr. Sie arbeiten viel, zuverlässig und kompetent. Aber ihr Privatleben ist ein mühselig mit gerade abkömmlichen Freundinnen und Kulturveranstaltungen gefülltes Brachland.
Sie haben nicht die diskrete Weisheit einer abgeklärten alten Jungfer oder die graumäusige Naivität eines Mauerblümchens. Sie hatten einmal fast alles, wollten noch mehr und haben irgendwann alles verloren. Das Leben ging weiter und sie standen noch immer an derselben Stelle und kaprizierten sich. Und irgendwann sind die Kapricen nicht mehr niedlich oder sexy oder aufregend, sondern sie bekommen sehr schrille Untertöne.
Warum ich darüber schreibe? Weil ich Angst habe, daß mir das irgendwann selbst passiert. Das mich das Leben irgendwann als ungenießbar ausspuckt. Daß der Zug abfährt und ich habe nicht mal mehr eine Bahnsteigkarte. Oder anders formuliert: daß ich es nicht schaffe, mir ein wenig Weisheit und Würde zu erarbeiten.
Ein Freund hat immer Sprüche im Gepäck, über die ich zunächst lache und die einen wahren Kern haben. Er meinte mal: „Junge Frauen sind alle ein bißchen blöd und leicht unzurechnungsfähig. Das müssen sie auch, das muß was hormonelles sein, sonst würden sie das mit dem Kinderkriegen und -aufziehen nicht auf sich nehmen wollen. Später werden Frauen hart, clever und ernstzunehmende Gegner, das ist dann für Männer nicht mehr so angenehm. Außerdem sind sie dann körperlich nicht mehr anziehend. Frauen müssen ab einem bestimmten Lebensalter keine Kompromisse mehr machen, weil sie für sich selbst sorgen und niemandem mehr gefallen müssen.“
Ich beobachte das an mir. Noch bin ich zwar nicht so weit, wie die Freundinnen, die ihr NEIN! und ihre Beschwerden in die Welt hinausdonnern, ob es einer hören will oder nicht. Aber immer öfter kommt mir der Gedanke: Das muß ich nicht mehr haben. Jenes will ich nicht mehr. Und nun auch noch das lasse ich mir von niemandem bieten. Und vor lauter innerer Ablehnung wird mein Leben ärmer und ärmer. Und es kommen die ersten vorbei, mit denen ich seit Jahren eine Rechnung offen habe…

Aber keine Angst, das wird hier keine moralisierend-misogyne Seite. Demnächst bekommen die alternden Pofilneurotiker ihr Fett ab.

41 Gedanken zu „Von bösen alten Frauen

  1. Wegen des letzten Satzes sollte ich mich wohl besser eines Kommentars enthalten, aber ich kann es nicht lassen.
    Auf alle Fälle muss ich ein Stereotyp loswerden. Im Alter ist man für sein Gesicht verantwortlich.
    Eines der zuverlässigsten Anzeichen sind sowohl bei Mann als auch bei der Frau die Mundwinkel. Was passiert mit ihnen bei Anspannung. Kürzlich sah ich im Zug eine Frau etwas schreiben. Jedesmal, wenn sie nachdachte, verzogen sich ihre Mundwinkel nach unten.
    Das gesagt habend, denke ich, dass im Alter nur die allgemeine Lebensdisposition verstärkt herauskommt. Diese Frauen, die schon einmal alles gehabt haben, haben es ja nicht wirklich gehabt. Die waren schon damals immer auf mehr aus. „Der Fischer un sine Fru“ ist das richtige Märchen. Je älter ich werde, desto häufiger begegnet es mir in der Realität.
    Es ist nicht die gewesene oder noch vorhandene Schönheit der Frau, welche sie im Alter angenehm oder grässlich werden lässt. Es ist die Bereitschaft zum Lachen oder Lächeln, die sie im Alter liebenswert und liebenswürdig werden lässt.
    Eine Frau, die das besonders gut verkörpern kann, ist Martha Argerich. No na, Künstlerin, erfülltes Leben, da kann man leicht charmant bleiben.
    Anderes Beispiel gefällig? 88-jährige Deutschrussin nach langer Zeit in Russland mit ihrem Mann nach Deutschland zurückgekehrt. Sohn bleibt in Transural, sprich Sibirien, ist praktisch Russe. Dieses Ehepaar hat Arbeitslager, Bergbau, schwerste Krankheiten mitgemacht. Von dem Funkeln, was beim Lächeln in ihren Augen zu sehen war, kann man noch die Attraktivität von hundert Zwanzigjährigen steigern.
    Man bleibt selbst für sein Alter verantwortlich. Ist man bereits mit vierzig frustriert, wird sich das abbilden. Kommt man selbst nicht aus dieser Frustration heraus, hat man Pech gehabt.
    Vielleicht ist es in den Genen. Ob jemand eine schwere oder leichte Kindheit gehabt hat, scheint definitiv nicht ausschlaggebend zu sein.
    Wenn ich in der U-Bahn fahre, dann scheint der Prozentsatz von mieselsüchtigen alten Frauen bei mindestens 80% zu liegen. Sie haben wahrscheinlich schwerere Leben gehabt als diejenigen, die von ihrem Mann im Auto irgendwohin gefahren werden.
    Aber ich freue mich über jede ältere Frau, die hervorsticht. Es gibt zwei Erkennungsmerkmale. Lächelnde Augen und Aufmerksamkeit.

  2. Man wird sich – egal, wie man sich entwickelt – daran gewöhnen müssen, dass ein alter Mann ein Mann bleibt, und alte Frauen ab einem gewissen Alter nicht mehr als weiblich wahrgenommen werden, und wenn die Wünsche die Möglichkeiten überdauern, sehr, sehr böse Reaktionen nach sich ziehen. Das trifft dann alle, die charmanten, alten Damen und die Hexen.

  3. REPLY:
    Eine böse Darstellung, die leider wahr zu sein scheint. Allerdings ist das bewusste Alter mittlerweile sehr stark hinauf gerutscht, so dass es keinen so großen Unterschied zwischen Männer und Frauen mehr geben sollte.

  4. ich? abwatschen? das würde ich NIE tun… dazu bin ich ein viel zu zartes wesen, hrhr
    (aber ich glaube zu wissen, welchen kommentar sie meinen, sorry dafür.)

  5. REPLY:
    nicht entschuldigen! das war richtig und wichtig, denn es hat mich zum nachdenken gebracht.

  6. REPLY:
    ja, da ist was dran. das vom fischer und seiner fru und die sache, daß man ab 40 für sein gesicht verantwortlich ist.
    ich glaube, daß die neigung zu einer gewissen unverletzbarkeit und einem unverwüstlichen optimismus tatsächlich in den genen liegt.
    ich frage mich manchmal, ob meine freundinnen ob ihrer frustriertheit keinen lebenspartner mehr finden oder ob sie von vornherein unbewußt nie kompatibel sein wollten und es nun erst offensichtlich wird, da sich die männerwelt begehrenswerteren objekten zugewandt hat.

  7. REPLY:
    doch, den unterschied gibt es. es gibt sicher nicht mehr die konvention, daß eine frau mit dem klimatkterium zum asexuellen wesen mutiert. aber daß eine älter werdende frau in der „blink!“-wahrnehmung nicht mehr als frau auffällt, ist eine irritierende erfahrung. es gibt tatsächlich ein alter, wo frauen happy sind, wenn ihnen die bauarbeiter hinterherpfeifen.

  8. Das immer wieder aktuelle Thema „Ossi vs. Wessi“ wäre sicherlich eine eigene Diskussion wert ;-)

    Ansonsten gibt es natürlich auch böse, zynische „alte“ Junggesellen wie mich – scheint also kein typisch weibliches Phänomen zu sein.

  9. Wer sich als Frau über sein Äußeres und dessen Anerkennung definiert, wird natürlich biestig, wenn die Schönheit und der Sexappeal altersbedingt verloren geht. So wie ein Mann, der sich über seinen Beruf und die daraus resultierende gesellschaftliche Stellung definiert, in ein tiefes Loch fällt, wenn er in Rente gehen muss.

    Ich hab mich immer schon gefragt, wie manche Frauen überlebten, würden sie so wenig Komplimente kriegen wie Männer.

    Wie man Weisheit erlangt, ist auch meine größte Frage. Es muss aber einen Weg geben. Vielleicht mal hier einen Blick reinwerfen?

  10. es gibt andere, also andere alleinlebende frauen. ich habe eine 87jährige freundin, die immer so etwas wie beziehungen hat, sie erzählt sehr fröhlich und äußerst pointiert von geheimnisvollen männern, erst neulich wieder, allerdings ist sie sowieso randvoll mit geschichten und abenteuern. ich kann mir gar nicht vorstellen, dass sie überhaupt irgendwann stirbt, sie ist immerzu mitten im leben, gut, das laufen fällt schwer nach einer op, aber sie war 42 mal im theater in dieser saison – immer auf premieren. keine kinder. paar bücher geschrieben, in einer sammlung von kinderfotografien bin ich auch drin, und sie sammelt dinge aus allen ländern der welt, und weiß zu jedem etwas zu erzählen. geist !(und sie hat immernoch dunkles sehr langes haar, in einem großen knoten gebunden). also, was ich sagen will: man ist nicht für sein gesicht verantwortlich, sondern für das leben, das man führt, und die bücher, die man liest. diese vetteln gibts natürlich, aber es gibt auch spießer, und hässliche kinder, und cdu-politiker, nichts davon ist eine gefahr für frauen wie dich. du hättest schon mit 20 eine dumme nuss sein müssen, um so zu enden, der zug ist weg zum glück.

  11. REPLY:
    das ist übrigens eine häufige aussage von männern.
    „frauen in meinem alter? die sehn doch alle vollkommen vergammelt aus.“ (o-ton eines herren mitte 50)
    ich glaube schon, daß im präklimakterium weichen gestellt werden, wo es hingehen wird: mental, körperlich, gesundheitlich.
    aber wie frau damit umgehen kann, ist oft garnicht so klar. sagt doch die feministische lehre, frauen sind gleichberechtigt. im altern bekommen sie den vortritt…

  12. REPLY:
    die ehemals schönen frauen sind tatsächlich sehr bedauernswert. ihre ganze lebensstrategie funktioniert dann nicht mehr. natürlich haben auch männer das problem. plötzlich sind sie nicht mehr wichtig. aber frauen kommen da früher hin.
    der link ist gut.

  13. Toll geschrieben..boah.
    Ich denke, mir als 40+-Mann geht es in gewisser Weise ähnlich. Um das Bild mit dem Zug aufzugreifen: Ich habe für mich das Gefühl, der Zug verlässt bereits den Bahnhof und hat dabei eine Geschwindigkeit erreicht, die ein Aufspringen auf’s Trittbrett nicht mehr zulässt…
    Man(n) bleibt zurück, alleine. Es kommt nun darauf an, wie man es sich mit sich allein einrichtet – ohne der Neigung zur Verzweiflung nachzugeben. Das wird wohl eine der größten Herausforderungen in den kommenden Jahren sein.

  14. REPLY:
    banal gesagt: torschlußpanik. ich wußte garnicht, daß männer auch drunter leiden. aber bei den sachen, die du so schreibst, ginge mir das nicht anders.
    freuen wissen eben nicht, was sie wollen.
    männer leider auch nicht. was eine schöne überleitung zum nächsten post ist…

  15. REPLY:
    Naja, wissen tät ich schon, was/wen ich will – bloß DIE wollen mich nicht. Blöde G’schicht…
    Und so wird sich das Tor wohl schließen und das restliche unerfüllte Leben anbrechen…

  16. REPLY:
    wäre praktisch, mal an der zielformulierung zu arbeiten, oder? wenn ich auf Brad Pitt gewartet hätte, hätte ich jetzt eine ganz schön lange nase.

  17. REPLY:
    Das Ziel wäre: von dem depperten Verlangen und Wollen loszukommen und auf die Weisheitsscheine rüberzuschwenken…
    :-))
    Glücklich allein, so was nach der Devise…

  18. REPLY:
    ja oder glücklich mit einer realen Frau und nicht mit der Traumfrau…

  19. REPLY:
    …es gibt ja auch reale Traumfrauen :-)). Ich seh sie ja – aber bloß in den Armen irgendwelcher Blödeln :-)

  20. REPLY:
    Wenn man in seinem bisherigen Leben nur auf Beute aus war, wird man so. Irgendwann ist man zu müde und zu kaputt um auf die Jagd zu gehen.
    Wenn es einem aber um etwas anderes geht, darum, ein erfülltes Leben zu haben, Freude an den Menschen und den Dingen, am eigenen Tun, kann einem das kaum passieren, eine solche Giftzwicke zu werden.
    Woher ich das weiß? Drei unverheiratete Damen zieren meine Verwandtschaft. Alle drei Meisterinnen des Tricksens, Erpressens, der Ausübung übler Nachrede und keinen Tag froh.
    Keine der Affären hat sie je geheiratet, sie hatten auch keinen Grund dazu. Ihr größten Interessen bestand im Hab und Gut und der Beeinflussung anderer Menschen.
    Mir dienen sie als schlechtes Beispiel, ist auch was wert.

  21. REPLY:
    das ist interessant. beide frauen, die eine eine ehemalige rock ’n roll-braut, die andere eine gewesene militante superfeministin, haben tatsächlich nur dünn bemäntelte enorme materielle erwartungen an männer und manipulieren für ihr leben gern.
    giftzwicke. schönes wort.

  22. REPLY:
    mit diesem Thema könnte man ganze Bibliotheken füllen …

    „Vielleicht ist es in den Genen. Ob jemand eine schwere oder leichte Kindheit gehabt hat, scheint definitiv nicht ausschlaggebend zu sein.“ schreibt der Steppenhund. Obschon auch mir keine Erklärung auf der Zunge liegt, glaube ich dennoch nicht recht, dass die Gene eine positive oder negative Lebenseinstellung direkt beinflussen. Mir scheint, es handelt sich hier eher um die Fähigkeit, auch aus fremden Erfahrungen zu lernen und diese in das eigene Leben zu integrieren, und diese Fähigkeit allderings könnte wiederum möglicherweise genetisch begünstigt sein.

    „Wenn man in seinem bisherigen Leben nur auf Beute aus war, wird man so.“ Das glaube ich allerdings auch, und ich möchte noch hinzufügen, dass – metaphorisch gesprochen – etwas, das man jagt, niemals einem lebendig und/oder freiwillig gehören wird. Die Kunst besteht darin, das Leben auf sich zukommen zu lassen, die Augen offen zu halten und zu genießen, was einem geschenkt wird, und das ist nicht wenig !

    Frau Kitty, SIE sehe ich allerdings nicht als alte Giftnudel, die zänkisch vor sich hingrummelt, sobald sie nur die Augen aufschlägt. SIE stehen mitten im Leben, kennen echte Freundschaft und wissen recht gut, was sie wollen – gute Voraussetzungen, um zufrieden zu altern.

  23. scheisse. warum schreibst du immer sachen über die ich weinen muss?

  24. Ich mache mir gerade ernsthafte Sorgen, mir fielen gerade aus dem Stehgreif zwei Freundinnen ein mit dem gleichen Verhaltensmuster – aber viel jünger als ich.

    Ich habe mir vor Jahren – als ein gewisses Lebensgefühl in mir die Kritiklust zu einer überbestimmten Handlungsweise wachsen ließ und mir eine gute Freundin deutlich in den Allerwertesten trat – geschworen, mindestens einmal am Tag über irgendetwas, was mich ärgert spätestens am Abend einmal gelacht zu haben. Das geht mit etwas Training inzwischen recht gut und ich merke, wie sich im Allgemeinen mehr Spaß und Humor rund um den Frust breit macht. Wenn ich es schaffe, dabei zu bleiben mache ich mir diesbezüglich keine Sorgen mehr. Alleine, die Gefahr habe ich im Hinterkopf. Mal gucken, was die fiesen hinterhältigen Wechseljahre in demnächstiger Zukunft so bringen …

  25. Vielleicht aber ist das Zauberwort auch einfach nur «Demut». Empfinden dafür, was man hat. Und Dankbarkeit empfinden für das, was man nicht hat und auch nicht haben möchte.

  26. REPLY:
    das mit dem gesicht … daran habe ich vor einigen wochen auch gedacht. wir hatten 20 jähriges abi treffen. was beim 10 jährigen noch nicht zu bemerken war, ist jetzt schon fast unabkehrbar in einige gesichter eingebrannt. im positiven wie im negativen.

    deshalb freue ich mich auch sehr über ein 5 uhr foto von mir mit zwei schulfreundinnen. da hat sich zum glück eigentlich garnichts verändert. und wie mir hinterher auffiel: mit denen, die glücklich aussahen, habe ich nicht ein einziges wort über beruf oder familie gewechselt. wir haben uns mehr über das leben an sich ausgetauscht. was man falsch gemacht hat, was man gelernt hat … usw. blabla. …

  27. REPLY:
    ich glaube, das ist ein irrtum. das liegt mehr daran, daß menschen sich im alter zunehmend weiniger bis keine mühe mehr mit ihrem äußerem geben und im prinzip dieses grantelige etwas werden, was im text beschrieben ist. was natürlich auch nicht mehr attraktiv wirkt. mit anderen worten: die quantität der qualität nimmt in gewissen altersschichten ganz rapide ab [rubrik: pudelfrisur]. ich habe definitiv auch schon der ein oder anderen frau hinterher geguckt, die 25 jahre älter ist als ich. also so alt wie meine nachbarin, die irgendwann auch noch mal den auffahrunfall vor unserer türe provoziert …

  28. Es scheint noch einen Ausweg zu geben, der mir gerade einfällt. Bei Männern funktioniert er besser als bei Frauen, aber ich kann die Vorgangsweise durchaus auch bei Frauen beobachten.
    Es betrifft „Spielen“.
    Ich fange einmal mit dem traurigen Beispiel an. Ehemaliger Geschäftsmann, Frau verstorben, jammert, dass ihn das Reisen nicht freut, weil er sich nur leid sehen täte, weil seine Frau nicht die Eindrücke teilen kann.
    Der Mann war ungefähr fünfundsiebzig, als ich ihn das letzte Mal sah. Die Jammerphasen waren eher selten. Sonst hielt er sich im Stamm-Café auf, wo er beim Schach zuschaute oder manchmal auch spielte. Dabei führte er die übliche Kibitz-Schnauze, war aber nie gehässig. Er hätte sicher noch eine Partnerin gefunden, doch das wollte er gar nicht. In seinem Caféhaus, das verlängerte Wohnzimmer der Wiener, hatte er Ansprache, Unterhaltung, Kontakt zu anderen Menschen, die Zeitung und das Essen. (Es muss dazu gesagt werden, dass man in Wien auch bei zwei Cafés den ganzen Tag dort verbringen kann.)
    Das Schachspiel im Caféhaus ist keine stumme und brütende Angelegenheit. Es wird rasch und mit Kommentaren gespielt, manchmal unterhält man sich über dies oder jenes Thema zwischen den Partien.
    Und es fördert den Adrenalinschub. Die meisten Personen denken, dass Schach eine sehr körperlose Angelegenheit ist. Das täuscht, der Stoffwechsel ist dabei ziemlich angeregt. Bei einer echten Turnierpartie kann man bis zu 2 kg abnehmen.
    Eine andere Möglichkeit ist das Kartenspiel. Ich habe schon als Kind den Pensionisten im Park gerne beim Tarockieren zugesehen, dem sogenannten 20er-Rufen.
    Die edlere Variante, das Königrufen, ist etwas schwieriger. Eine gute Kartenrunde (es braucht 4 Spieler) zu finden, ist gar nicht so einfach.
    Es gibt Cafés, in denen sich Damen zum Kartenspiel treffen. Bridge, Rummy, manchmal auch Tarock. Diese Frauen schauen alles andere als verbiestert aus. Auch hier gilt, dass jedes Spiel ein kleines Leben ist.
    Jedenfalls ist das Wiener Caféhaus eine gute Möglichkeit, sich in eine kurzweilige Atmosphäre zu versetzen. Das ist auch notwendig, weil wir in Wien ein sehr hohes Durchschnittsalter haben.

  29. REPLY:
    ja, das ist eine alternative. eine der freundinnen hat sich einen hund angeschafft, damit ist sie auch entspannter geworden.
    mit den bridgerunden könnte es aber komplizierter werden. die zwei frauen, über die ich schrieb, wollen eines ums verrecken nicht: so zu werden wie die eltern. sie kippen von ungeheuer bemühter (noch)-jugendlichkeit sofort in die altersdepression, weil ihr selbstbild und ihr tatsächlicher zustand so unterschiedlich sind.

  30. … das, was du geschrieben hast spricht mir laut aus der Seele und die Kommentare, einsame Spitze. Ein Thema für ein Buch.
    Kompliment für diese Anmerkungen und deine Gedanken, bei weitem das Beste was ich seit langer Zeit gelesen habe…
    Mit hochgezogenen Mundwinkeln (o;
    und einem lieben Gruß,
    Barbara

  31. REPLY:
    Auf Seite 74 lese ich:

    Du wirst eine böse, alte Frau, sagte sie sich.

    Wäre wohl auch ein Wunder, wenn es anders wäre. Eigentlich war sie doch wirklich großzügig, trug dem Sohn nicht nach, wie das damals gewesen war.

    Die geschilderten, inneren Monologe sind so nachvollziehbar. Sie erinnern mich einerseits an typisches Wiener Verhalten, andererseits an meine Großmutter, wenn sie über die Nachbarn geschimpft hat. (Eine Großmutter, die ich sehr geschätzt habe, weil sie so gut gekocht hat und nicht nur deswegen.)

  32. Diesen Text habe ich mir ausgedruckt, um ihn an Kandidatinnen im Bekanntenkreis zu verteilen.

    Aber Kopf hoch, kittykoma, mit „your looks“ wird Dir das nicht passieren.
    (Hoffentlich gibt es jetzt keinen Ärger mit dem kittykoma-Begleiter…)

  33. REPLY:
    über den begriff „demut“ kann an den ganzen bildschirm füllen. ich mag dieses wort sehr, obwohl es etwas altmodisches hat.

  34. REPLY:
    hauptsache, sie haben genug pflaster im verbandskasten, wenn ihnen die damen dann die handtasche um die ohren hauen :) und der begleiter ist tolerant und souverän…

  35. soooooooooo fein beobachtet.
    bin vom hirschartikel hier zur damenvariante gekommen und habe mich in beiden fällen schlapp gelacht. herrlich beschrieben.
    wer so beobachten kann, wird keinesfalls ne olle gewitterziege. never :-)

Kommentare sind geschlossen.