Tagebuchbloggen – 19. Oktober 2013

Vormittags ein Telefonat der mit der besten Freundin. Wir fieseln manchmal Sachen, die passiert sind oder von uns Entscheidungen fordern, auseinander. Sie hatte mich um Rat gefragt und ich hab ihr ungebremst ein paar Sätze um die Ohren gehauen, die zu diesem Thema schon lange in mir drinsteckten. Hui.
Ich könnte es jetzt Eso-mäßig so einordnen, dass ich von einer höheren Macht mit Furor ausgestattet wurde, um ihr den entscheidenden Impuls zu geben. (Glaube ich nicht, wir haben alle Themen, bei denen wir mauern, bis es gar nicht mehr geht.) Oder aber ich sehe es, wie es ist. Es ist auch mein Thema, deshalb piekt es mich so an. Die Entscheidungen, die demnächst anstehen, werden auch Auswirkungen darauf haben, wie ich in 20 Jahren lebe, bzw. was ich dann überhaupt zum Leben habe. Denn im mittleren Alter kommt noch einmal eine wichtige Orientierungsphase mit Langfristkonsequenz-Entscheidungen, die der Berufsorientierungphase ähnelt (darüber sollten sich auch Menschen, die spät KInder bekommen haben und sich dadurch dem Altern entrückter fühlen, nicht hinwegtäuschen). Klar kann man immer von neuem anfangen, jeden Tag ein leeres Blatt vor sich legen, wie es so schön heißt. Aber bei strategischen Dingen ist das mühselig und energievernichtend.

Dann verbrachte ich den Nachmittag an der Kulturfront. Eigentlich hatte ich mich für das Frauen-Barcamp eingetragen, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass das über die üblichen Themen der üblichen Verdächtigen hinausgehen wird. Nächstes Jahr, wenn meine Equal-Pay-Thematik besser ausgearbeitet ist, werde ich das noch mal angehen.
Am Rande: „Wenn Frauen die Familie allein finanzieren müssen“ als Thema kann frau referieren, sollte aber nicht vergessen, dass das für viele Männer Realität ist und dass von ihnen erwartet wird, dass sie es nicht als „müssen“ empfinden, sondern als ihre ureigenste Aufgabe. Ich sehe da schon wieder eine unbemerkte traditionelle Zuschreibung. Frauen „müssen“ etwas, was von Männern seit Jahrhunderten erwartet wird, sie tun es nicht einfach. Schon an der Wortwahl ist ersichtlich, dass selbst bei Feministinnen das als Zwangssituation und nicht als normale Option unter vielen empfunden wird.
Nennt mich Erbsenzählerin, aber ich bin halt empfindlich uff die Worte.

Der Nachmittag war gut, wenn er auch eine Begegnung mit einer Sorte Mensch brachte, die ich sonst weiträumig umfahre. Menschen, die kein anderes Thema als ihre Kinder haben. Ich bin auch nicht scharf darauf, mich mit jemandem zu unterhalten der/die nur über Fußball oder Motorräder oder Justin Timberlake spricht.

Der Graf holte mich ab, wir aßen Falafel und Schawarma, streuselten noch etwas die Bergmannstraße lang und fuhren nach Hause. Am Ende der Fahrt erwischte mich mal wieder die klassische U-Bahn-Panik. Vor mir eine dunkle dünstende Wand aneinandergequetschter Leute, neben mir ein zappelndes, intensiv nach Pipi riechendes Kleinkind, ich selbst müde vom Essen und dem langen Tag, da flackerten und brummten bei mir die inneren Neonröhren.

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11 Gedanken zu „Tagebuchbloggen – 19. Oktober 2013

  1. kleine bemerkung zu „am rande“, es gibt natürlich schon einen kleinen unterschied zwischen dem allein finanzieren der frauen und der männer, und dem müssen und sollen – im klassischen modell kommt der mann abends nach hause, findet einen gedeckten tisch, einen vollen kühlsschrank und die wäsche im schrank vor, die kinder sind wohlerzogen, waren beim sport und haben vokabeln gelernt, alles aufgaben, die die alleinfinanzierende frau obendruff erledigen muss, ebenfalls alleine, es ist ja zumindest bei den frauen mit kindern ein „… und außerdem noch allein verdienen“ gemeint – plus der fehlenden equal pay, so jedenfalls mein jammergrund, wenn mal jammern angesagt ist.

    • Ich habe das ja selbst jahrelang gemacht, zwar nicht ganz allein ernährt, aber sein Anteil zum Familienetat war sehr überschaubar, und es hat sich größtenteils von allein ergeben, das der Mann das andere tut – den Kühlschrank füllt, den Tisch deckt, die Wäsche wäscht und sich ums Kind kümmert.
      Die Wäsche mochte ich nicht delegieren, das konnte ich besser (aber frau muss auch loslassen können). Putzen war ein ewiger Streit um unterschiedliche Sauberkeitsstandards, den wir dann wöchentlich plus Bügeln an eine Putzfrau delegiert haben. Einkaufen habe ich erledigt, wenn ich mit dem Auto unterwegs war, er hatte keins und Abendbrot und Kind klappten sehr gut, die guten vorausschauenden Dinge der Kindererziehung stammen von meinem langjährigen Lebensgefährten und ich bin ihm immer noch sehr dankbar dafür.
      Klar ist es nicht einfach. Aber wer das Standing hat, einen anspruchsvollen Beruf auszuüben, sollte auch den A… in der Hose haben, Einsatz von einem Mann verlangen, der aus war für einem Grund auch immer, keinen verdienenden Beruf ausübt. Und loslassen können. Dann ist eben alles nicht ganz so perfekt am Anfang.
      Ja, es war hart, nach einer Studienwoche nach Hause zu kommen und zu sehen, dass das Kind in meinen Augen falsch angezogen war (deshalb auch krank wurde) und sich das dreckige Geschirr in der Küche stapelte. Mein Ex-Mann hatte so viele Ignoranzen in der Hinsicht, daß mich erst mal mich wieder ein Jahr mehr zurückstellte, dank Frauensonderstudienplan und dann erst mal ihn losließ. Meine Mutter ist dann zwei Jahre eingesprungen, damit ich weitermachen konnte. 25 Jahre später erzählte er mir, dass es nicht Unvermögen von seiner Seite war, sondern bewusster Streik, die Trennung war also goldrichtig. (Man muss wissen, dass wir getauscht hatten, ich hatte sein Leben während des Studiums größtenteils finanziert.)
      Wenn Frauen jammernd eine Doppelbelastung übernehmen und die Männer zu Drohnen werden, die ein feines Leben ohne Konsequenzen haben, Sex wann sie wollen ohne Verantwortung, eine Frau, die verhütet und das Geld verdient, Hobbies galore und sich um Haushalt und Kinder nicht kümmern, so ist das nur zu einem Teil Schuld der Männer. Sie gehen den Weg des geringsten Widerstandes und halten vehement an alten Besitzständen fest. Das halte ich für normal. Das einzige, wo ich das Wort „müssen“ akzeptiere ist, beim Streitigmachen dieser alten Besitzstände.
      Das war einer der Gründe, weshalb ich nicht in das Barcamp gegangen bin, es war mir zumindest in der Vorschau zu jammer-, nöl- und „die andern sind schuld“-lastig, Trotz des Titels „Was können wir tun?“. (Mal abgesehen von für mich uninteressanten Diskursen um einen Unterstrich im Wort gender_gap und so.) Unsere Großtanten und Großmütter hatten Grund zu Jammern, weil sie nicht viele Optionen hatten, da war das ein Ventil. Wir haben jede Menge Optionen, ich finde allzuviel Jammern unzeitgemäß und nur ein Grund, auf der Stelle zu verharren.

  2. hihi, merke grade, dass ich die option „frau in beziehung“ bei meinem kommentar nicht mal in erwägung gezogen habe!! bin zu lang alleinstehend und -verantwortlich, ich bin bei keinem beziehungversuch seit meiner trennung überhaut nur in die nähe eines gemeinsamen haushalts gekommen. bei zwei leuten, die miteinander leben, sollte selbstverständlich die verteilung von zuständigkeiten frei entscheidbar sein, nach fähigkeiten, vorlieben und persönlichkeit, und nicht nach geschlecht. da sollte man das „müssen“ in der tat einfach weglassen, macht die frau im titel gleich souveräner, misstände gibt es ja wirklich noch genug.

    es wär schön, wenn deine kämpfe aus studizeiten heutzutage gewonnen wären. studieren, alleinerziehen und geld verdienen ist immer ein besonderer klopper, mit langen strecken auf dem zahnfleisch. hut ab.

    in meinem bekanntenkreis gibt es da eigentlich nur gemischte modelle, beide verdienen, die frau häufig einen tick mehr als der mann, der eine kocht lieber, der andere hilft den kids, im idealfall macht einer lieber lasagna, der andere kann den braten besser. es spielt sich irgendwann ein, sonst würden die beziehungen ja auch kaum halten, nehme ich an. das ist meine idealvorstellung immer. die alleinverdiener in einem wie auch immer geartetem familiären zusammenhang sind ausschließlich auch alleinerziehende. mein freundeskreis ist sicher nicht repräsentativ, gibt aber hoffentlich doch einen hinweis darauf, dass das modell alleinverdienender mann, zumindest in beziehungen, nicht mehr mehrheitsfähig ist. oder ist das filterbubble?

    (es wird in ernst über unterstriche diskutiert? )

    • Da stimme ich dir zu, vollkommen allein für Kinder zu sorgen ist Härte hoch drei. Wer heute Alleinerziehend ist, arbeitet, weil ohne Unterhalt oder eben wegen eines guten Berufes und dann noch Vollprogramm für einige Kinder machen muss, weil das Geld nicht für eine Nanny reicht, ist im Vollstress.
      Ich würde mich nicht wundern, wenn wütende Frauen statt Umgangsrecht demnächst Umgangspflicht einklagen.
      Dazu gab es ein gutes Thema gestern.

  3. ein schöner artikel! ich schick den mal gleich weiter …

    (und eine umgangspflicht fände ich auch toll.)

  4. Das meinte ich übrigens mit Unterstrich-Diskussion, da schrumpft mir die Vagina zur Dörrpflaume, wenn ich so was lese.

    • … hihi. verstehe. andrerseits: erinnert mich ans reden über einzelne gedichtzeilen im studium, not? diese französischen theoretiker und moderne lyrik im hauptseminar! wenn es hier um, weiss nicht, rené char ginge? bei dem gedanken verfliegt die aggression und ich würde es zumindest mit interesse lesen, glaub ich, es ist auch so selbstvergessen engagiert wie empfindsam, ne mischung aus den 60zigern des 18. und des 20. jhs. das mag ich dann wieder. und diese wichtigkeit von sprache, die da zelebriert wird, jedes zeichen eine debatte wert- das hat doch was!

    • Ah, sehr interessant, dieser Vergleich. Das erklärt auch meine Reaktion. Ich reagiere als Dramaturgin, bei mir ging es eher ums große Ganze, um Handlungsbögen, Fabeln, Figurenentwicklungen. Diese einzelnen Zeilen wurden unter „Tonalität“ oder „sprachlicher Gestus“ subsummiert, da wurde höchstens noch mal das Versmaß angeschaut.
      Jetzt verstehe ich. Es ist mein Unvermögen, Details zu würdigen.

    • Ich hatte ganz vergessen, wir furchtbar solche Diskussionen sein können. Habe wohl auch gar keinen Blick für das Detail. (Zum Glück?!)

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