Leser, die schon länger dabei sind kennen das Thema.
Plötzlich ploppt es wieder auf. In irgendeiner Zeitung las ich etwas Populärpsychologisches dazu: Sehnsucht sei dazu da, sich an Blockaden abzuarbeiten und zeige menschliche Tiefe. Nur Depressive empfänden keine Sehnsucht.
Hm, dann bin ich wahrscheinlich seit Jahren ein völlig verflachter, depressiver Mensch, der keine Blockaden kennt.
Vielleicht habe ich das Selbständigsein viel zu sehr verinnerlicht. Wenn bei mir Sehnsucht nach etwas aufkommt, dann schaue ich entweder, was ich machen muß, damit ich mir den Wunsch oder das Bedürfnis erfülle oder ich mache einen Plan, wie ich dieses Ziel langfristig erreiche, wenn es komplizierter ist. Dabei schaue ich natürlich auch, ob das Sehnsuchtsziel überhaupt erreichbar ist, ob es adäquten Ersatz gibt oder ob ich mich da gerade mit einem völlig unrealistischen Thema beschäftige.
Die Zeit ungehemmter Träumereien ist bei mir tatsächlich lange vorbei. Immer wenn bei mir so ein Ausbruch von: Hach ich würde/wäre gern kommt, packe ich mich am Schopf und sage mir: Dann mach, wenn es dir tatsächlich so wichtig ist!
Jetzt passiert es mir zum ersten Mal seit langer Zeit, daß ich tatsächlich große Sehnsucht habe und weiß, ich kann das Bedürfnis nicht erfüllen, wahrscheinlich auch nicht langfristig. Und überhaupt ist das Ziel im jetzigen Setting komplett unrealistisch. Das Setting zu ändern macht auch keinen Sinn, denn das ist wichtig und war investitionsintensiv.
Hach, das ist so kompliziert, wenn ich darüber keinen Klartext schreiben kann, aber es geht tatsächlich nicht, denn es betrifft nicht nur mich.
Also, um mal einen Vergleich zu bemühen: Stellen Sie sich vor, sie wollen mit ihrem Mann zusammenziehen und ein Haus kaufen, suchen lange und finden eines, das zu 95% alles an Ausstattung hat, was sie wünschen, teilweise sogar noch mehr, was Sie sehr schön finden. Der einzige Makel: es hat keinen Balkon. Da Sie aber noch nie ohne Balkon gewohnt haben, ihn in den letzten Jahren aber immer weniger benutzten und der beteiligte Partner einen Balkon nicht wichtig findet, entscheiden Sie sich für das Haus, verbunden mit dem Gedanken, daß man schließlich die Fenster weit aufmachen und vielleicht später noch einen Balkon anbauen könne. Das geht auch eine Weile gut, es ist nicht so schön wie mit Balkon, aber das wird von der Weitläufigkeit und der Lage des Hauses aufgewogen. Doch dann werden die Fenster vom Partner immer wieder zugemacht: es zieht. Einen Balkon anzubauen lehnt er ab mit der Begründung, daß von vornherein klar war, daß er keinen Balkon will. Seine Mutter habe sich vor seinen Augen vom Balkon gestürzt und seither hasse er Balkons und auch offene Fenster versuche er zu vermeiden, auch wenn er versucht hätte sich dahingehend anzupassen. Sie merken, wie sehr Ihnen ein Balkon fehlt, erwischen sich bei blöden Szenen: einer macht die Fenster auf, der andere schließt sie brummelnd wieder.
Irgendwann sind sie bei Freunden zu Besuch. Die haben ein schönes Landhäuschen und in diesem Zusammenhang gibt es ein Angebot der Nachbarin, Ihnen ein Zimmer zu überlassen. Die Probleme sind: es ist nur für Sie bestimmt, sie müßten ihren Anteil ihrer Rate für das Haus kürzen, um das Zimmer zu bezahlen und sie würden das gemeinsame Haus öfter verlassen, um einiges an Zeit in diesem Zimmer im Landhäuschen zu verbringen. Sie müßten auch dieses Zimmer einrichten, putzen und die Miete pünktlich bezahlen. Abgesehen von der Unsicherheit, die dieses Mietverhältnis mit sich bringt. Da sie so selten da sind, könnte ihnen auch bald wegen Eigenbedarf gekündigt werden…
Lohnt das oder ist das Schwachsinn?
Wieso sind Sie ein verflachter, depressiver Mensch ? Sie HABEN ja Sehnsüchte ! Dass Sie nach deren Erfüllung trachten, spricht eher für Ihre Stärke und Ihren Charakter.
Was das „Wohnen“ anbelangt: In solch einer Situation neige ich dazu, kurzfristig eine Auszeit (ein Wochenende genügt) zu nehmen, um aus gebührender Entfernung an einem Ort, an dem ich mich wohlfühle, nochmals das Thema zu überdenken.
REPLY:
moralisch verwerflich ist es auf jeden fall. schaden würde es darüber hinaus wahrscheinlich nicht anrichten. bzw. ich weiß es nicht.
REPLY:
nein, das it dem depressiven menschen war auch ironisch gemeint. allerdings hatte ich bereits einen ganzen urlaub zeit, über die grundsituation nachzudenken, mit dem fazit, daß sich etwas ändern sollte. manchmal stößt man mit solchen gedanken etwas an, was in diesem fall auch geschehen ist.
REPLY:
Gut, Sie haben darüber nachgedacht und sind offensichtlich nach wie vor unschlüssig. Was sagt denn Ihr sogenanntes Bauchgefühl dazu ?
REPLY:
das fährt grad achterbahn und der kopf funkt fortwährend dazwischen und ruft zur vernunft.
REPLY:
Wieviel von der „Vernunft“ besteht aus Angst (im Gegensatz zur Furcht nicht konkret, sondern
sehr diffus) ?
Selbstverständlich lohnt es sich.
Wir haben es hier doch mit symptomen und bildern zu tun… Der partner verzichtet nicht bei einem essential (Balkon) und das hinzumieten des, sagen wir, ersatzbalkons bringt entspannung bei ihr… Der rest sind die völlig normalen unwägbarkeiten, die sich bei jedem spezialinteresse – sport, reisen, sammeln – in einer partnerschaft ergeben können.
REPLY:
da ist natürlich auch angst dabei. das diffuse gefühl gibt es immer. aber auch viel konkretes, ein konsequenzenszenario.
REPLY:
je mehr ich mich mit dem thema beschäftige, merke ich, daß vielleicht noch einmal ein gespräch zum thema offenen fenster nötig ist, bevor der ersatzbalkon erklettert wird…
REPLY:
reden. immer das wichtigste. immer.
mir ist noch niemand begegnet, der gedanken lesen kann. einander verstehen oder zumindest sich verständlich machen ist bereits höchste schwierigkeitsstufe.
REPLY:
@blogistin: hm, vor allem bei einem so emotional besetzten thema wie männer und balköne…
wird schwierig. aber ich sollte wenigstens einmal vorher die zähne auseinander kriegen, bevor ich mal wieder die halbe welt vor vollendete tatsachen stelle.
das gras auf der anderen straßenweite wirkt immer grüner als das auf der eigenen …
REPLY:
es geht nicht um die übliche träumerei. die kenne ich auch und die brauche ich nicht mehr, dafür bin ich alt genug.
Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, es lohnt nicht. Aber das hängt natürlich wirklich vom Thema ab und in Sachen Wohnen war ich noch nie sehr anspruchsvoll. Bei „anderen Dingen“ kann das ganz anders sein :-) Wenn der Wunsch, die Sehnsucht sehr groß werden, könnte ich sicher hier oder da ins Wanken geraten. Dann bleibt für mich u. U. nur die Frage zu klären, ob man damit Schaden anrichten würde … Ist das moralisch verwerflich?
REPLY:
ich meinte nicht träumen, sondern scheinen. das mit der wiese ist eine sinnestäuschung. das was man haben will wirkt anfangs oft interessanter als das was man hat.
ich denke für mich, dass es nicht um wohnen geht. aber selbst wenn doch: schwachsinn. ich gehe gerne risiken ein, aber nur wenn der mögliche gewinn stimmt. und der wirkt – zumindest von der beschreibung her – nicht unbedingt wie die einmal-im-leben chance, die ich im zweifel immer nehmen würde.
REPLY:
hm, genau das gefühl habe ich auch. das das „unterschreiben sie hier“ gerade wunderbar mit meinem defizit zusammenpaßt. unterm strich gibt das nur neue schulden. die frage ist nur, wie das defizit in den griff bekommen.
(natürlich geht es nicht um wohnen!)
REPLY:
hm, guter gedanke. meine freundin sagte gestern ähnliches.
schaun mer mal. dann sollte ich vor allem nichts überstürzen.
REPLY:
…männer und balkone?!? Na hallo!
Die crux der beschriebenen situation ist vermutlich, dass sich die beteiligten nicht voneinander besiegt vorkommen dürfen; also bei den kerlen ist das in jedem fall so und ich hab gelernt, dass es bei den frauen – mehr hinter dem schleier zwar – nicht anders ist.
REPLY:
…meine freundin auch, nachdem ich ihr vom balkonproblem erzählte …dann schöne grüße, unbekannterweise ^^