Seit 10 Tagen ziehen sie dem alten Haus an der Barnimkante die Adern und Därme raus und legen neue. Eine wirklich gruselige Aktion. Denn als das Haus hier als eine der ersten am Platze gebaut wurde, irgendwann zwischen 1870 und 1880, gab es wahrscheinlich keine Wasserleitungen und Kanalisation ganz sicher nicht. Die Pumpe war unten vor dem Haus und der Rinnstein tat das seine.
So ist das Rohrsystem eine verfrickelte, krampfadrige Angelegenheit, zudem in den 50ern die Wohnungen in zwei bis drei Parteien mit gemeinsamer Klo-, aber getrennter Küchenbenutzung aufgeteilt wurde. Es geht immer mal eine Leitung in den anderen Strang rüber, um sich dort zu entleeren oder Wasser zu zapfen und einen scheinbar toten Strang gibt es auch noch in einer Wand (fast da, wo die Wand durchgebrochen werden soll, das hätte eine Überraschung gegeben).
Als Vorhut kam ein taubstummer Riesenmann mit einem Bohrhammer, der die Decken und Fußböden durchbrach. Ich weiß nicht warum, ich hab ihn Dunderklumpen getauft. Die Konversation ist Dunderklumpen läuft schriftlich, denn Gebärdensprache kann ich nicht. Geht aber.
Danach fiel ein Heer von Klempnern über Küche und Bad her. Sie wiegten bedenklich den Kopf, spachen von „dreizehner Muffe“ und „Fünfer“ und kündigten an, da es am nächsten Tag ab 8 weder Wasser noch Klo geben würde. Dann kamen sie morgens und zogen im Bad die Rohre von oben nach unten raus, um sie von unten nach oben wieder einzubauen. Irgendwann am Mittag meinte der Vorarbeiter, es sei schon blöd, daß wir als einzige Partei überhaupt anwesend seien, denn man schaffe es wahrscheinlich nicht. Worauf ich augenklimpernd entgegnete, es sei doch garnicht schlimm, wenn es länger dauere. Wir würden auch bis 22 Uhr arbeiten. Also zogen sie die Sache bis 20 Uhr stöhnend durch. Am nächsten Tag kam Dunderklumpen und machte die Löcher zu und dann war erst mal frei. Gleiches sollte nach dem Wochenende mit dem Küchenstrang passieren.
Ich putzte inzwischen dreimal das Bad. Die Schüttung in der Decke ist aus Schlacke und der Dreck ist durch den Zug und die Arbeiten in jeden Winkel und auf jede Wand gezogen wi-der-lich!
Als es am Montag weiterging, war bei den Jungs scheinbar die Luft raus. Janee, man würde doch von unten anfangen, es wäre alles so kompliziert, da müsse man langsam vorgehen. (und vor allem um 16 Uhr den Hammer fallen lessen) Ich stehe nun seit drei Tagen um 7 Uhr auf und decke die ausgeräumte Küche mit Planen ab, die Herren könnten ja ab 8 Uhr kommen und arbeiten wollen.
Heute kamen sie dann, aber so richtig voran geht es nicht. Die Wiederherstellung des Ausgangszustandes ist auch so ein Problem. Ständig wird festgestellt: „Dit jeht doch so!“ Ach und Duschen geht grade auch nicht…
1. Es ist anzunehmen, dass Bau- und Umbaupläne des Hauses vorhanden sind, auf deren Basis die Generalsanierung geplant wurde.
2. Für die Arbeiten muss jemand verantwortlich sein, sozusagen als Mittelstück zwischen Bewohnern und Hausverwaltung bzw. Hauseigentümer.
3. Draufloswursteln und schauen, was dabei rauskommt, war gestern. Zeigen Sie Zähne, Frau KItty !!!
Besonders delikat war bei der Sanierung, daß es sich bei den Bewohnern nicht etwa um Mieterpack handelte, das als Kollateralschaden auf der Strecke bleiben durfte, damit man die Wohnung dann teurer vermieten konnte. Nein, bis auf 2 Parteien alles Eigentümer.
als jemand, der so einen wahnsinn gerade von anderer seite hinter sich hat [und auch weiß wie superscheiße das für die bewohner ist]:
zu 1): *kicher*
[das dachte ich früher auch mal. real stellt sich das so dar, dass nach etwa 10 jahren nicht mal von 250 mio. objekten noch brauchbare grundlagen für die wirklich kniffeligen zu finden sind. ich habe gerade so ein ding, 45.000 qm büro, 2 Tg ebenen , da finde ich nicht mal was zur abnahme. weder beim besitzer noch beim bauamt oder feuerwehr.]
zu 2): *nochmalkicher*
zu 3): *schenkelklopf* … „wursteln“ hört sich immer so negativ an. wir sagen meist „so müßte es in etwa funktionieren – augen zu – und durch!“. und spätestens nach ein paar tagen ist alles völlig anders als geplant. ganz ehrlich: im bewohnten zustand ist in über die jahre verbastelten kisten nicht wirklich viel planbar. ich habe ewig gebraucht, bis ich – als übler kontrollfreak – das endlich eingesehen habe. noch übler: richtig alte einkaufspassagen und bürogebäude aus den 70ern. da hört der spaß vollends auf …
bilanz letztes jahr: 56 wohnungen saniert, 130 abgerissen … thema: „und, was machst du gerade so?“ „dresden ’45!“
Liebe Frau Walküre, der Herr Timanfaya hat leider recht. Unterlagen??? Die Jungs sind bei ihrer Arbeit von einer Katastrophe in die andere gerutscht. Plötzlich tauchten Rohrstränge in Wänden auf, in die Überlaufwasser aus Heizungen tropfte, die aber im Keller tot endeten, liefen Abzweige hinter Küchenzeilen weiter und versorgten wichtige Zimmer. Am Donnerstag gingen alle mehr oder weniger genervt nach Hause und die andere Seite des Hauses ist noch garnicht gemacht.
Abreißen oder entkernen ist einfacher.
Ich habe hier in Wien gänzlich andere Erfahrungen gemacht. Warum auch immer, und vielleicht war die Liegenschaft, mit der ich zu tun hatte, eine Ausnahme, aber: Baunterlagen aus den frühern 60er-Jahren beI der zuständigen Magistratsabteilung, ebenso die vollständigen Sanierungsunterlagen der folgenden Jahrzehnte. Die Hausverwaltung (im Haus Mieter und Eigentümer gemischt) kompetent, was die Vorgänge betraf, Zum Zähnezeigen gabs für mich keinen Anlass.
Im Nachinein ist mir auch der Gedanke gekommen, dass speziell in Berlin aufgrund der großen Kriegsschäden und seiner wechselhaften Vergangenheit die Situation wohl wirklich anders sein dürfte.