Attention please! Very romantic content!
Und Hinweis ans Kind: Das willst du gar nicht lesen!
Es muß in der Luft liegen. Glam, Lucky und der Raketenprinz erzählen Geschichten früherer Affären. Auch ich feile seit Tagen an einer Sache, die in bunten Zeitschriften unter der Überschrift Das große Geständnisgedruckt würde. Nun
denn. Das ist der Soundtrack zur Szene:
Es ist Sommer, sehr heiß. Ein Loft mit langen Musselinvorhängen, die im Wind wehen.
Eine Frau geleitet einen Mann zur Tür. Sie gehen langsam, Hand in Hand.Er: Ick lieb dich sowieso für immer. Dit weißte doch.
Sie: Hm ja. (schnief)
beiseite: Scheiße, auch noch mein Lieblingslied.Die beiden bleiben vor der Tür stehen und umarmen sich.
Sie: Ich denk an dich
Er: Wenn wir alt sind, dann…
Er geht, dreht sich vor der Treppe noch mal um. Sie steht in der Tür.
Sie sehen sich noch einmal lange in die Augen. Es ist nicht klar, wer den Impuls zuerst hat. Sie, die Tür zu schliessen. Er, die Treppe hinunter zu gehen.
Ich war 18 Jahre mit ihm zusammen. Länger als mit jedem anderen Mann.
Wer jetzt weiß oder ahnt, wie alt ich bin und aufaddiert, wird sich fragen, ob ich doppelt so alt bin oder zwei Leben gelebt habe. Letzteres ist wohl mehr oder weniger der Fall.
Wir haben uns als Studenten getroffen. Er ein schmaler Stadtcowboy. Ich eine überforderte Möchtegernlady. Ich weiß gar nicht, wann und wie wir uns kennengelernt haben. Irgendwie über Kollegen. Es gab schon vorher Begegnungen. Ich sah ihn in einer öffentlichen Prüfung, in der er schmählich versagte. Er sah mich in der S-Bahn mit einer Freundin und traute sich nicht, mich anzusprechen.
Dann waren wir irgendwann verabredet mit seinem Opel Manta nach auswärts zu einer Premiere zu fahren. Ich war very Madonna in Vogue ausstaffiert. Schwarze Leggings, Schnürstiefel, enge Schößchenjacke und eine paillettenbestickte Korsage, die ich mit Schaumgummi ausgepolstert hatte, so dass mir die Brüste unterm Kinn standen. Dazu Lippenstift und Nagellack Trés Dior, platinbleiches Haar und zu dunkle Augenbrauen. – Kann gar nicht begreifen, dass ich mal so ein scharfes Luder war.
Wir kamen zu spät zur Premiere, weil er die ganze Zeit mit seinen Cowboystiefeln nervös durch seine Wohnung preschte. Bis er dann vor mir stehen blieb und sagte: „Scheiße, ick muß dich küssen!“ Meinen Lippenstift über sein Gesicht verschmierte, lange vor mir niederkniete und mich schließlich an an seinen Hochbettpfosten nagelte.
Bei solchen Eroberungen verknalle ich mich ja sofort, vor allem wenn ich grade solo bin. Er reagierte verhalten auf meine Anrufe, tauchte aber immer wieder bei mir auf und versuchte, sich sehr liebevoll, aber tollpatschig bei meiner Tochter zu profilieren. Als ein halbes Jahr später eine Wohnungsmodernisierung bei mir anstand, bot er mir an, mit Kind und Katze zu ihm in seine Vierzimmerwohnung in Mitte zu ziehen, er bräuchte sowieso nur ein Zimmer und außerdem wäre er immer öfter beruflich unterwegs. Ich lehnte freundlich mit den Worten ab: Ich möchte einen Mann, der zu Hause ist.
Wir waren bald in festen Beziehungen und trafen uns trotzdem. Sahen uns Filme an, im Kino oder bei ihm auf Video. Lasen uns unsere Drehbücher vor. Redeten uns die Köpfe heiß darüber. Hatten harten, körperlich fordernden Sex. Morgens deckte ich ihn zu, schlich mich davon und fuhr in der Dämmerung nach Hause.
Die Zeit verging. Wir sahen uns manchmal monatlich, manchmal alle halbe Jahre. Er machte Karriere, ich auch. Er hatte Probleme, ich auch. Wir halfen uns, ohne wenn und aber. Mit Kritik, mit Kontakten, was grade nötig war. Da war alles dabei. Berufliche und gesundheitliche Katastrophen, Trennungen, uneheliche Kinder.
Wir liebten uns, in dem Bewusstsein, dass es ewig sein konnte, wir aber nie miteinander leben würden. Wir akzeptierten uns in jedem körperlichen und seelischen Zustand. Verfettet und abgerackert. Gepflegt und trainert. Ich hatte ihn mit 20 Kilo Übergewicht und vom Kiffen zugeschwollenen Augen über mir, wie mit aufgepumpten Muskeln, eine Rapperkette auf der schweißbedeckten Brust baumelnd.
Wir schrammten am Rande von Ehekrach und Ärger. Er klingelte um vier Uhr morgens bei mir. Ich knurre ihn verschlafen an: „Bist du bescheuert, mein Freund wohnt jetzt hier!“ Er krempelt den Ärmel seines T-Shirts hoch, wollte mir nur das neue Drachen-Tatoo auf seiner Schulter zeigen. Ich taperte wieder ins Bett. Der Anblick seiner Oberarme begleitet mich in den Schlaf.
Ich spreche auf seine Mailbox, will ihn treffen. Er kann seiner Frau das Telefon grade noch so aus den Händen reißen. Er fährt sofort zu mir. Sagt mir, dass ich seine Wichsphantasien begleite. (Ich?! Bin Ich ein Pornostar?)
Wir halten die Geschichte absolut geheim. Selbst enge Freunde wissen nichts, ahnen höchstens. Manchmal geben wir uns Signale. Auf Parties, wo wir beide nicht allein unterwegs sind tauschen wir einen Blick. Begegnen uns im Eiscafé, an der Straßenkreuzung, andere Menschen an unserer Seite und sehen uns nur einige Sekunden in die Augen.
Letztes Jahr ruft er mich an. Wir hatten länger nichts von einander gehört. Er war fast wieder verheiratet, hatte ein neues Kind, ich hatte es in der Zeitung gelesen und freute mich für ihn. Er wollte mich sehen, sofort. Ich dachte nur: „Scheiße, nicht jetzt.“ Ich hatte mich ebenfalls ernsthaft verliebt. Wollte alles anders machen, mir Mühe geben. Keine Halbheiten mehr. Keine Fluchtmöglichkeit. ir saßen im heißen Frühsommer nackt auf meinem Bett. Die Musselinvorhänge blähten sich. Er sprach von seiner neuen Frau, von dem Baby. Ein Kind, das er nicht an eine Frau verlieren wollte wie die anderen drei. Davon, dass ich unsichtbar dazwischen stehen würde. Ich verstand, weil es bei mir nicht anders war. Er war mein Halt gewesen, die ganzen Jahre über. Egal, was passierte, es gab die Gewissheit, es gab ihn, selbst wenn wir monatelang nicht miteinander gesprochen hatten.
Ich begriff, es war Zeit für ein Leben ohne Netz und doppelten Boden.
Wir packten uns ein letztes Mal am Nacken, sahen uns in die Augen, den ganzen Akt lang. Es war das letzte Mal. Doch ohne die Schärfe der früheren Jahre. Wir waren älter, versöhnlicher, zärtlicher geworden. Dann schwiegen wir lange. Bis es Zeit war, zu gehen. Ich brachte ihn den langen Weg zur Tür.
(schnief)
neben der insbesondere psychologisch sehr interessanten schönen geschichte taucht eine unbeantwortete frage auf. warum nie ohne andere? aber man muß auch nicht alles im leben ergründen …
p.s.: ich will unbedingt mehr affären und intimes aus den nähkästchen von bloghausen. die herzschmerz-drama-hormon geschichten sind halt nun mal die einzig waren! (o;
hach!
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bis auf den start haben wir unsere solophasen nie synchronisieren können. und genau das war der reiz daran. wenn wir uns zusammengetan hätten, wäre es vielleicht nach einem halben jahr vorbei gewesen.
ich habe übrigens mein gedächtnis nach der kosmonautengeschichte durchwühlt. ich bin mir sicher, daß ich sie irgendwann gelesen habe. aber ich komme auch nicht mehr auf den titel.
REPLY:
schon nachvollziehbar, wo der reiz lag. die nichtverpflichtung, der nichtalltag, das doppelte netz und das wissen um des nicht funktionierens führt fast automatsich zu einem leben in zwei parallelwelten. ich hatte mal eine sehr ähnliche situation, habe aber sehr schnell gemerkt, daß ich entweder nie wieder davon los komme – oder das ding auf den punkt bringen muß.
übrigens: kaum zu glauben, aber ich habe sie gestern tatsächlich gefunden. und man bekommt es gebraucht über amazon. ich habe einfach mal völlig anders gegugelt und einen treffer in einem sci-fi forum gefunden …
„Kennt jemand James P. Hogan?
Er hat diverse Roman geschrieben unter anderem eine Trilogie die anfing mit „Der tote Raumfahrer“, weiterging mit „Die Riesen von Ganymed“ und in „Stern der Riesen“ endete. Die ersten beiden Bände beschreiben in einer populärwissenschaftlichen Darstellung diverse besonderheiten des Sonnensystems, die wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Sicht der 80er und 90er Jahre verblüffend anschaulich werden lassen.
Man stelle sich vor, auf dem Mond wird ein toter Raumfahrer gefunden in einem Raumanzug, dessen Abstammung / Genetik eindeutig menschlich ist. Der einzige Haken ist, er ist 50000 Jahre alt. Und dann gehts los…..“
sie nehmen mir mit einer gewissen regelmäßigkeit das gefühl der einzigartigkeit.
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ah madame, danke für das kompliment. aber ihre messerscharfen sätze sind weiterhin ein neidstachel in meinem weichen fleisch.
Klingt auch irgendwie nach dem Wunsch, ankommen zu können. Wunderschöne Geschichte.
REPLY:
ja, nach diesem hakenschlagen ein halbes leben lang wünsche ich mir dringend, endlich anzukommen. vielleicht ist das das erste symptom von altern. auch nicht schlecht.