Kollateralschäden

Dieser Artikel in der Zeit über die Pädophilen als politische Bewegung bei den Grünen ist lesenswert. Nicht aus puritanistischer, diskreditierender Häme heraus. Ich finde die heutige Kindesmißbrauchshysterie mancher eher übertrieben, gemessen an realen Fakten. Es entsteht eine neue Diabolisierung von Sexualität und sexuell handelnden Menschen, wenn das Thema nicht differenziert und aufklärerisch angegangen wird.* (das Thema ist mir aber zu weit, als dass ich es hier und jetzt diskutieren möchte) Mir scheint, die Kindesmissbrauchsdenunziation der Grünen war eine wirksame Keule im Wahlkampf.

Die Interviewpassagen in der Zeit geben tiefe Einblicke in die frühe grüne Bewegung. Eine Partei, die sich findet. Menschen, die alle ihre Wünsche und Utopien verwirklicht sehen wollen. Radikale Gruppen, die in die sich gerade formierenden Strukturen massiv einbrechen und hier wie alle gehört werden. Aktivisten, die sich zurückhalten, auch wenn ihre politischen und moralischen Werte nicht mehr gemeint sind, im Namen der globalen Schleifung von Barrieren und Grenzen. Denn: „man könne doch keine Randgruppen diskriminieren“.

Die Kinder, die Teilnehmer der befreienden Experimente waren, scheinen die Kollateralschäden der sexuellen Revolution zu sein. Erwachsene, die frei sein und pur und unverstellt handeln wollten wie Kinder, die Kinder frei aufwachsen lassen wollten (und einige, die es letztlich mit Kindern taten, so es sie anzog). Die 68er als die infantile Generation. Im Wortsinn. Einfach nur innehalten und sich das betrachten.**

Und, erinnern die Schilderungen der Interviews an etwas? Die Piraten? Die Geburt einer Partei scheint so auszusehen. Nur scheint heute keine Zeit zu sein, eine Partei auf die Beine zu stellen. Zu fest, zu alt ist diese Gesellschaft. Den Parteigründern von heute steht eine Mauer älterer Menschen gegenüber die ihre eigenen Ansichten und Werte allein schon massemäßig durchsetzen. Was übrig bleibt, muss man abwarten. Die Narzissten halten meist nur die kurze Zeit des Aufmerksamkeitsheischens durch und ziehen dann weiter zum nächsten, der ihnen eine Bühne für ihre Show bietet.
Ich finde die Arbeit von Martin Delius im Berliner Abgeordnetenhaus noch immer wegweisend. Ich werde mich hoffentlich in 5 Jahren an diesen Artikel erinnern und ein Fazit ziehen, so ich dann noch blogge.

(Das ist wie immer Stöckchen-Hölzchen-Knöpfchen.)

* Das ist nur die halbe Wahrheit. Die puritanische Weltsicht entsexualisiert das eine und sexualisiert zugleich anderes in monströsem Maße. Die sexuelle Energie bleibt, die geht ja nicht weg, sie wandert nur.

** Ich war in den 90ern auf einigen Landesdelegiertenkonferenzen der Berliner Grünen. Diese Leute blieben mir zutiefst fremd, im Habitus und in der Diskussionskultur. „Das ist ja unheimlich spanndend, du!“ ist für mich Empfindliche uff die Worte immer noch Kindergartensprech. Könnte sein, dass sich das nun geändert hat. Alle maßgeblichen Parteien haben sich seitdem geändert. (Die FDP dabei nicht zu ihrem Vorteil.)