Und dein Rad war wirklich zur Durchsicht? Das muß funktionieren, wenn wir am Sonntag die Radtour machen wollen. belehrt mich HeMan. Ah, wir wollen am Sonntag eine Radtour machen! Es ist immer wieder ein Erlebnis, mit einer Führungspersönlichkeit liiert zu sein.
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Es gibt Kombinationen zwischen Mann und Technik, die hinreißend sind. Graumelierte entspannte Herren in guten Anzügen mit Oldtimer. Bullige Schlachter in Leder mit Motorrad. Gummistiefel, Kordhose und Traktor, der Kerl dazu riesig, grob und mit sanfter Seele. Über Surfer in Neopren mit Board unterm Arm habe ich mich hier schon des öfteren ausgelassen.
Von Mountainbikern, sprich Fahrradfahrern habe ich bis jetzt immer nur die Oberschenkelmuskulatur wahrgenommen, der Rest, der über die Landstraße buckelte, hat mich nicht so interessiert. Als HeMan am Samstag abend bei mir ankam, bereits in voller Montur und das Rad neben meinem Bücherregal parkte, war ich dann doch recht angetan. Auf der Maschine steht Rotwild, sie ist mattschwarz lackiert und sieht sehr schnittig aus. (Ich würde damit wahrscheinlich sofort auf die Fresse fliegen.) Der Mann hat sich in schwarzen Stretch geschlängelt und ich verstehe bei seinem Anblick Leute, die aus so was einen Fetisch machen. Sieht scharf aus, fühlt sich gut an und wird auf der nackten Haut getragen. Ja, bitte gerne öfter.
Am nächsten Morgen, ich stehe schon mit Safari-Shorts und gepacktem Rucksack bereit, blinzelt HeMan fiebrig und verschwitzt unter der Decke hervor. Nach einer Stunde, ich habe ihm Tee und Aspirin ans Bett gestellt, kann er sogar sprechen, wenn auch unter Husten und Röcheln.
Also macht sich der Teil des Teams, der gar nicht so auf Radfahren steht, allein auf den Weg ins schöne Berliner Umland.
Nach nicht einmal einer Stunde Fahrzeit falle ich am Körbiskruger See vom Rad und mache das, was mir Spaß macht. Nämlich auf einer Wiese ungestört in der Sonne liegen und lange im kalten Wasser schwimmen. Als ich aus dem See komme, aus praktischen Erwägungen nackt, weil ich nur den Sonnenbikini mithabe, starren mich von der Straße begeistert drei Leute an. Ich bin etwas irritiert und schaue an mir herunter. Nein, das Wasser hat mir keine Playmate-Figur beschert. Es sieht alles so aus wie immer. Dann kommen sie auf mich zu. Ich wickele mich schnell in mein Handtuch und setze den Sie stören mich grade-Gesichtsausdruck auf. Das bringt gar nichts. Sie hätten mich am liebsten noch befingert. Mann das ist ja toll, du, daß man hier einfach so nackig ins Wasser springen kann. Ist das warm? Aha Wessis auf der Erkundung des wilden Ostens. Sie lernen grade, daß es stimmt, was Focus und auch die TAZ immer schreiben, die Ostdeutschen gehen tatsächlich nackt baden. Ist eiskalt. Nur für ganz Harte., knurre ich sie an. Das schreckt sie aber nicht ab. Sie plantschen ohne Klamotten im knietiefen Wasser (ich dagegen bin schnurstracks untergetaucht und hatte das Handtuch am Ufer liegen) und auf der leeren Wiese von der Größe eines halben Fußballfeldes haben sie ihre Räder und Sachen gleich neben meiner Decke fallengelassen. Dann reden sie noch ein wenig über die und den du, der studiert jetzt wieder, du. und die Inge kann sich da auch richtig einfühlen. Ich lerne grade kuschliges WG-Leben. Und dabei sind das garnicht solche Grünen-Wähler-Urgesteine, denen ich solche Distanzlosigkeit und dieses Alternativensprech zugetraut hätte. Sondern Mama – Typ Musiklehrerin – mit graumeliertem Pagenkopf und dazu ihre Tochter (wie Mutter nur ohne graue Haare) und ihr Freund, ein verspieltes Jungchen, der vom Äußeren her eher in eine Schwulenkneipe passen würde. – Vielleicht sind es ja auch Geschwister.
Nachdem ich dann leidlich trocken bin (man kann sich ja nicht mal in Ruhe im Schritt abtrocknen, wenn einem diese Deppen aus anderthalb Meter Entfernung dabei zusehen, als wäre man ein Affe im Zoo), fummele ich mich irgendwie in meine Sachen, ohne mich zu sehr zu entblößen und ergreife die Flucht.
Irgendwann auf dieser Tour packt mich dann doch der sportliche Ehrgeiz und mein Rückweg wird 25 km lang. Mit einem Halt an einer Kneipe am Wasser. Eine idyllische Seeterasse mit einem herrlichen Blick auf Bötchen (schreibt man die mit Doppel-ö?) und Schiffe, balzende Haubentaucher und glitzernde Wellen. Über den Rest decken wir den Mantel der Liebe und des Schweigens. Daß es tatsächlich noch möglich ist, 10km von der Berliner Stadtgrenze, mitten im Speckgürtel (meine werten Mitesser und-trinker sahen sehr danach aus) Pulvercappucino mit Sprühsahnehäubchen zu bekommen zum Beispiel. Und was auf den Tellern der Nachbarn lag, hätte mich erschlagen. Hamburger Schnitzel mit Bratkartoffeln. Dazu eine Orangenscheibe mit Sprühsahne. Schnitzel mit mehligem Mischgemüse, als Kind habe ich diese Mehlpampen geliebt, die gab es nämlich zu Hause nicht, meine Eltern wollten eben schon immer was Besseres sein.
Jedenfalls habe ich mir den Cappu reingeprügelt, mit der Motivation, auf Koffein käme es an und bin weitergeradelt. 3 Seniorenheime später – phänomenal um Königs Wusterhausen sind jede Menge alte Kasernen zu Altenheimen umgewandelt worden – biege ich in Wernsdorf um die Ecke, werfe einen Blick auf ein Plakat Thüringer Rostbratwürste und frisch geräucherte Forellen und muß nach 20 Metern wieder umkehren. Der Forellengeruch zog mich magisch an. Der Mann am Holzkohlegrill wendet seine Würstchen (40-Kilo-zuviel-Plautze, wahrscheinlich muß er nach Feierabend immer die Reste essen). Ich frage Wie ist das denn mit den Forellen? Er deutet mit der Grillzange nach unten: Na wie siehtn dit hier aues? Auf einem Hocker vor einem winzigen Räucherofen liegen drei frische, mit Kräutern eingeriebene und drei goldbraune, noch warme Fische. Ich muß mich konditionieren, daß ich sie wirklich nur kaufe und nicht an Ort und Stelle auffresse und nur die großen Gräten liegenlasse.
Am Stand gegenüber gibt es grünen Spargel und neue Kartoffeln. Und so kommt es, daß HeMan seinen Grippeschlaf unterbrechen durfte für
* gebratenen grünen Spargel sautiert mit Balsamico, mit Parmesanspänen bestreut
* geräucherte Forelle (fast noch warm) mit hauchdünnen roten Zwiebelringen
* gebackene Kartoffelscheiben mit Rosmarinnadeln
Schön bunt, mit unterschiedlichsten Konsistenzen und seeehr deftig, so daß auch ein verschnupfter Mensch etwas schmeckt.
Zum Dank hat er mich auf den Mund geküßt und heute habe ich die Seuche auch…
dit war jetze so schön plastisch, dit war, als wär man dabeijewesen!
na wenn doch sonst keener bei war!