Ein Auto ist ein Auto ist ein Auto?

Im Spätsommer muß ich mein rotes Hurenauto zurückgeben.
Was ich nicht ungern tue. Mittlerweile läßt sich das Verdeck einfach schließen. Was nicht immer so war. Es klemmte auf der rechten Seite, vor allem, wenn es warm war.
Voriges Jahr um die Zeit habe ich dadurch fast einmal ein Vollbad im Cabrio genommen. Es war der berühmte Sommerwolkenbruch, der am Savignyplatz das Wasser knietiefstehen ließ. Ich fuhr einen Miet-LKW in Schöneberg abholen, es war schwülwarm, ich fuhr offen und die schwarze Wand rückte immer näher. Fast angekommen, trickste ich die ersten schweren Tropfen mit Schnellfahren aus. Parkte noch. Ließ das Dach zugehen, versuchte zuzuhaken. Pustekuchen! Es paßte nicht mehr. Ich machte noch einmal auf, mittlerweile goß es in Strömen. Binnen Sekunden war ich naß bis auf die Haut. Die Ledersitze auch. Das Dach klemmte trotzdem. Nach zwei weiteren Fehlversuchen, der Wasserstand auf dem Boden betrug inzwischen mehrere Zentimeter, stand ich in der Beifahrertür, schmiß mich mit meinem ganzen Köpergewicht auf die klemmende Ecke und schrie: Scheiß italienischer Schrott!!! Ich verfluchte ganz nebenbei meinen Entschluß, wegen der Hitze Hot Pants, ein lockeres Minishirt und keinen BH zu tragen. Aus sicherer und trockener Entfernung sahen einige ältere türkische Herren fasziniert zu. Wahrscheinlich war das die erste Wet-T-Shirt-Performance, die sie zu Gesicht bekamen.
Als ich es dann endlich geschafft hatte und tropfend und prustend im Büro des Autovermieters stand blickte mich das Personal – ausschließlich Schwule von Selbstfindungs-Männergruppentypus – pikiert an. Was hätte ich gegeben um einen bärigen Truckertyp, der sagt Baby, hier haste erstmal n Handtuch und mich trocken rubbelt. Aber wat nich is das is nich.
Mittlerweile paßt das Dach bei jeder Temperatur. Dafür regnets rein. Und überhaupt quietscht und knarzt der Wagen mittlerweile jämmerlich.
Auch wenn mich im Tagesrhythmus die Händler dieser Marke anrufen und mit tatsächlich Kampfpreise für das neue Modell anbieten, ich will nicht mehr.
Und so bin ich am Samstag losgestiefelt. Da ich wußte, daß Autohändler Frauen gern unernst (oder ungern ernst) nehmen, mit HeMan als Verstärkung. (Den zunächst erst einmal unangenehmen Was wünscht ihre Gattin denn-Effekt nahm ich in Kauf.)
Der eine deutsche Autohersteller bietet gerade Sonderkonditionen für ein Modell, das ich nicht einmal schlecht finde. Auch wenn man einen Schuhanzieher braucht, um einzusteigen und auch nur eine ganz kleine Damenhandtasche im Innenraum abstellen kann.
Während der Verhandlung schickte mich HeMan noch mal in den Hof: Sieh dir mal den Wagen vorn links an, sag mal, wie dir der gefällt. Ich kam mit Schulterzucken zurück: Isn Auto. Er verstand nicht. Es war doch das Super-Duper-Coupé mit tausend Schikanen.
Dann sind wir noch zu einem anderen deutschen Autohersteller gegangen. Der mich, als ich vorab anrief, zunächst in eine Ost-Berliner Zweckbau-Filiale am Stadtrand verwies, weil es Gebietsschutz gäbe. Aha. Frauen aus der besten Kreuzberger Wohngegend, die einen Luxuswagen leasen wollen, fallen also in die Kategorie: Fahr mal -in den Osten- nach Mahrzahn, Mädel.
HeMan unterließ es nicht, mich darüber zu unterrichten, daß er zum ersten Mal eine Filale dieser Marke betritt. Für ihn haben diese Autos nichts mit der entspannten Fun&Erfolg-Generation zu tun, zu der er sich zählt, sondern mit Mutter, Vater und Schwiegermutter, die sich endlich etwas richtiges leisten konnten.
Was mache ich? Gehe hinein, ignoriere die angefetten Socken-in-Gesundheitssandalen-Träger mit schütterem Haar, die mit den feingemachten Eltern in beigefarbener Kluft mal Autos kucken gehen. Sehe mich kurz um und treffe IHN. Matter Lack in dunklem Silber, carbonfarbene Armaturen, fette Felgen. Mein Geschmack ist oft sehr simpel. Ostblock eben, wenn etwas aussieht wie ein eleganter Panzer, dann mag ich es.
HeMan sagte hinterher, leicht degoutiert, aber verständnisvoll, beim Einsteigen in diesen Wagen hätte ich zum ersten Mal gelächelt bei unserer Erkundungstour. Ich fühlte mich zu Hause. Der Geruch, die Haptik, die Optik. Wie das erste große Schiff, das ich vor fast 10 Jahren fuhr.
Leidenschaft ist kontraproduktiv in der Hinsicht, denn die Konditionen sind schlichtweg eine Unverschämtheit.
Tja. Dann kauf ich mir wohl zunächst mal einen Schuhanzieher, um dann die Vernunftlösung zu wählen. Schnüff

Edit: Die europäisch regionale Bezeichung der Autohersteller ist nicht als politisches Statement gemeint.Überhaupt hab ich lange zur vollsten Zufriedenheit einen Japaner gefahren. Und der lebt heute noch und tut meinen Eltern gute Dienste.

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