Spätestens am Mittwoch trudeln in meinem Postfach – wie es sich für jeden Hauptstädter gehört, der noch so etwas wie ein Nachtleben pflegt – die Partyeinladungen ein.
Einige, sehr schlichte Mails sind offenbaren solche Geheimtipps, daß ich mich nicht hintraue, weil ich fürchte, die einzige Uncoole/Alte/Schlechtangezogene/Falschangezogene/Zufrühkommende (Nichtzutreffendes bitte streichen) zu sein. Und die Anfangszeiten: 0 Uhr steht da, das heißt vor 3 wirds nicht interessant. Damit kann man den Tag danach vergessen bzw. im Bett verbringen. Da steht meine preußische Natur dagegen stramm.
Vieles ist unsäglicher Schrott. Warum bitte muß neuerdings in Berliner Clubs gepokert werden? Und die Angebote von Wodka-und Champagnertischen richten sich an eine sehr andere Klientel. Bestimmte Clubs gehen sowieso sowas von so garnicht mehr, egal, was dort stattfindet. Im Felix dürfen die geilen alten Säcke und die Teenager aus den Einfamilienhausrandbezirken gern unter sich bleiben. Das 90 Grad (gibts das noch?) habe ich das letzte Mal zu einer Michael-Ammer-Party besucht. Das war eine surrealistische Tat. Das Sage, eineinhalb Jahre in meiner Laufnähe gelegen, hatte in dieser Zeit die Atmosphäre eines Friedenauer Nachbarschaftsheims. Für das White Trash bin ich – ich gestehe es – zu unhip, auch wenn ich problemlos am Türsteher vorbeikomme. Ich war entsetzt über ein paar bedröhnte Pete Doherty & Kate Moss-Verschnitte, die sich auf der Erde rumwälzten und hoffte, nie meine Tochter so sehen zu müssen. Da sind sie mir zu gewollt in, das interessiert mich nicht.
Bestimmte Namen wecken in mir die Edelzicke, die es mag, als VIP am Volk vorbei in einen Laden einzuziehen. Thomilla, Timbaland, Mousse T. oder wie gestern Falcon. Da diese Herren nicht mehr für ein paar Freidrinks am Pult stehen, sind die Parties meistens vom Hort des Bösen finanziert. Was mir egal ist, ich fürchte, in diesem Leben lerne ich keine Lungenzüge mehr.
E-Werk wie in alten Zeiten und doch ist alles anders. Zunächst: alle, die anstehen, stehen auf der Gästeliste (hmpf!). Drinnen dann sind nur der DJ und noch zwei, drei Menschen in meinem Alter. Die schicken jungen Menschen stehen mit ihren Drinks da und schreien sich an. Ab und zu wippen sie ein bißchen.
Der Sound ist zu leise, richtig laut geht ja nicht mehr, ist mittlerweile sogar sanktioniert, glaube ich. Ich gehe nach vorn. Tanze. Alles nicht mehr so wie früher. Sie tanzen paarweise, mit dem Rücken zum DJ. Kaum einer schreit, wenn die Bassline einsetzt. Mir egal. Ich zappele, springe, fuchtele und habe Spaß. (Gab es da nicht irgendein Problem mit der Bandscheibe?)
Irgendwann mache ich mich auf die Suche nach einem Drink und treffe meinen jüngsten, und erfolgreichsten Klienten. Die Haare kleben naß am Kopf, der Schweiß läuft mir zwischen die Brüste und der Junge springt mich an, sichtlich erfreut darüber, daß er seinem Kumpel so ne coole Alte vorstellen kann.
Wir tanzen ein Weilchen zusammen, aber so ganz ist das nicht seine Musik und für mich geht Techno nicht mit einem Tanzpartner – vor allem nicht, wenn man noch geschäftlich verbandelt ist. (Außerdem klemme ich sowieso völlig, wenn wir uns privat über den Weg laufen, er ist wirklich süß. Aber Arbeit ist Arbeit und Schnaps ist Schnaps. Aber das nur am Rande.)
Gegen fünf Uhr wird es leer, einmal geht (als Rausschmeißer?) sogar das Hauptlicht an. Es ist hell draußen, die Vöglen singen und beim Gespräch mit dem Taxifahrer merke ich, daß ich doch ein paar Shooter zu viel hatte, überspiele dezent Artikulationsprobleme. Interpretiere in der Wodkalaune seine Fragen nach meinem Alter, ob ich allein unterwegs wäre und seinen Satz, er würde nicht noch mal losfahren sondern jetzt Schluß machen mit seiner Tour plus ein paar Komplimente für mich natürlich in die Richtung, daß ich sogar noch bei hübschen türkischen Studenten Chancen habe, die fast 20 Jahre jünger sind als ich.
Der Kater heute war schlimm, noch schlimmer war das Gefühl, für Tage übermüdet und gaga zu sein. Und der Rücken tut auch wieder etwas weh…
Ach so und an der Garderobe habe ich mich endgültig ins jugendzielgruppengesellschaftliche Aus geschossen. Indem ich den jungen Mann im Gedränge neben mir, der seine Zigarette in Hüfthöhe hielt, in 1A-Mutterton abwatschte: Paß auf, sonst brennst du jemand Löcher in die Sachen! Der hat nicht schlecht gekuckt. Und als er dem ersten Chick neben sich die Glut aufs Polyestertop schnippste, schaute er mich schuldbewußt an. Und ich hab strafend zurückgeschaut.