Copy Universe

Derzeit scheint viele dasselbe Thema zu beschäftigen. Anke Gröner hat heute eine gute Zusammenfassung zum Thema Mediendistribution geschrieben.
Auch mich beschäftigt es, denn ich bin mehr und mehr der Meinung, daß das Fernsehen und speziell dort die kostenintensiven fiktionalen Inhalte eine ähnliche Entwicklung wie die Musikindustrie nehmen werden.
Ich hatte am Samstag ein längeres Gespräch mit einem Patentanwalt, der sehr viel Politikberatung macht. Er sah zum ersten ein Problem, wie das Urheberrecht grundlegend (und schnell) geändert werden könnte, ist es doch gerade ist einigen Passagen verschärft worden. Aus seiner Erfahrung heraus wird das ein langer politischer Prozeß mit Irrungen und Wirrungen.
Interessant fand ich seine Bemerkung, daß es nicht darum ginge, bereits die Kopie zahlungspflichtig zu machen. Da der Kopiervorgang so extrem einfach geworden ist, sind die Datenträger der (illegalen) Downloader voll mit Werken/Produkten, die sie nicht nutzen. Er ist dafür, daß erst die Nutzung – wie auch immer – bezahlt werden sollte.
Wir tun übrigens so, als wäre das Urheberrecht ein eherner Bestandteil unserer Kultur. Dabei ist es sehr jung, ähnlich wie der Begriff der Autorenschaft. Die verbreitetste Raubkopie der Welt ist die Bibel, weder Petrus noch die Jünger haben Tantiemen dafür erhalten. Herrn Shakespeare könnte man auch mal channeln, um zu fragen, was seine Dramen gebracht haben. Das, was wir von ihm kennen, haben Leute in den Vorstellungen mitgeschreiben, um es dann an einen Verlag zu verkaufen, der die Stücke drucken ließ. – Eine klassische Raubkopie.
Vor der Zeit von Rundfunk und Tonträgern gab es Notenblätter. Die wurden verkauft, vielfach abgeschrieben, auswendig gelernt und vorgetragen. Wenn der Vortrag gut war, also konzertreif, gab es dafür Geld. Der Komponist hatte früher nichts oder wenig davon.
Da der Konsum von Kunst im Alltag wichtiger geworden ist, als der Gang zur Kirche, ist eine Art Zehnter für Künstler nicht unlogisch. Nur, wer bestimmt, wer Künstler ist? Als kostenpflichtiger Prediger konnte sich auch nur ausgeben, wer die Prüfungen einer Gemeinschaft bestanden hat und vom Machthaber anerkannt war.
Es ist eine spannende Zeit, in die wir gehen. Wahrscheinlich wird die herrschende Anarchie Wege freibrechen, die wir vorher nicht denken konnten. Und nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

In diesem Gespräch habe ich auch eine kleine Lektion darüber gelernt, wie im Wahlkampf von Leuten, die nichts vom Thema verstehen, Gesetzentwürfe gemacht werden. Da schreibt ein Referent was zusammen und gibt es in die Welt und die soll gefälligst damit zurechtkommen. Kippt die Verschwörungstheorien über Bord, Kinder. Das Ding hat wahrscheinlich eine Eigendynamik bekommen, die der Ursula mittlerweile gar nicht mehr lieb ist.
btw. Beziehen sich die Sperren nur auf das TCP/IP-Protokoll oder auch auf ftp? Wäre es das erstere, ist es tatsächlich nur eine riesige, mit Bullshit gefüllte Blase.

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6 Gedanken zu „Copy Universe

  1. REPLY:
    ah, danke! so weit standen weder mein gesprächspartner noch ich in der materie. ich dachte ftp wäre was separates.

  2. REPLY:
    wäre ich auch gern, geht aber tatsächlich nicht. wer altmodisch ist, ist bei diesen entwicklungen binnen kürzester zeit geschäftlich tot. (siehe musikindustrie, einige meiner freunde konnten da ziemlich gut von leben). und ich lebe auch vom rundfunk im weiteren sinne.

  3. Nicht alles, was hinkt, ist ein auch vergleich: Komponisten waren angestellt an höfen oder kirchgemeinden und produzierten im auftrag, dramatiker wurden für aufführungen bezahlt bzw. an deren einnahmen beteiligt… Das recht am original hat doch sowohl merkatile hintergründe als auch individualistische. Die frage muss schon zugelassen sein und beantwortet werden, wovon schöpfer von originalen existieren sollen. Und die unter leuten, die es finanziell nicht nötig haben, um sich greifende „mode“, freeware-programme und raubkopien zu nutzen, um im eigenen job damit geld zu verdienen, kann man nur verachten…

  4. REPLY:
    so weit wollte dann doch nicht ausholen… ja künstler waren angestellte musische handwerker. nicht frei schaffende genies, die von einer industrie vermarktet werden.
    fakt ist, daß die verkaufskonzepte der industrie nicht mehr funktionieren. ich lasse jetzt mal die ganze moraldiskussion vom geistigen diebstahl beiseite, in anbetracht dessen, daß die künstler selbst kopieren (mash), ist sie müßig.
    für neue distribution und neue nutzungsarten sind andere preisgestaltungen nötig. niemand käme auf die idee, rundfunkhörer für jeden einzelnen titel abzukassieren. leute, die heute mp3 hören wie früher radio, sollen aber dafür hohe summen zahlen. das muß komplett neu strukturiert werden.
    was freeware und open source betrifft, so habe ich für mich einen leitfaden: experimente mache ich mit freeware, von mir für gut empfundene open source bezahle ich und ziehe sie den industriellen programmen vor.

  5. ftp nutzt TCP/IP zum Datentransport.

    (die aktuell vorgehabte Sperrtechnik verbiegt die Namensauflösung [DNS], die von allen möglichen Protokollen in der Startphaase genutzt wird – dh den Dienst von IP-Providern, der zB den Namen http://www.hamburg.de in die IP-Adresse 212.1.41.12 umsetzt. Soll funktionieren, indem sie alle auf der BKA-Sperrliste befindlichen Namen in die einheitliche IP-Adresse eine Stop-Seite umsetzt.)

  6. REPLY:
    …manchmal wär ich gern richtig altmodisch und dreiaffig. Geht aber nicht.
    Das beispiel radio vs. podcast (etwa „hörbar rust“) zeigt übrigens treffend, dass die debatte auch weg vom inhalt und den für seine produktion notwendigen aufwendungen entlang der technik geführt wird. Es bleiben aber die gleichen beiden menschen plus team, die das da produzieren, ganz gleich, ob das der inhalt via ultrakurzwelle, digital audio broadcast oder eben mp3 in mein ohr dringt.

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