Es geht grade alles so ineinander über.
Schaffensschub und danach in den Seilen hängen. Flow und Heulen und Zähneklappern.
Der frühe Herbst trägt sicher dazu bei. Ich weigere mich, jetzt schon die Heizung anzustellen, aus purem Geiz, und bibbere leise vor mich hin.
Angesichts des Fakts, daß in diesem Sommer vieles ungelebt blieb, bekomme ich einen dieser seltenen sentimentalen Anfälle. Sitze schmachtend vor Ein gutes Jahr und realisiere dann Gott sei Dank, daß ich in 12 Tagen selbst im Süden sein werde, bevor ich vor Selbstmitleid zerfließe.
Wüte über meine Weiblichkeit und den Umstand, daß ich seit einiger Zeit zu monatszyklischen Kopfschmerzen neige.
Aber es geht mir gut. Ich kann über mich selbst bestimmen, werde geliebt, repektiert und beachtet und ich habe Freunde.
Das Schöneberger Eckchen, in dem ich wohne, ist angefüllt mit Maroden und Greisen. Überall Pflegedienstautos auf der Straße, um die Ecke das Büro einer „Gesellschaft für ambulante Beatmung“. Wenn ich mit dem Fahrrad herumfahre, begegnen mir Leute mit Rollstühlen, Krücken, Blindenstöcken und Rollatoren oder Verwirrte werden geführt. Das ist schräg. Als ich vor knapp 20 Jahen hier schon einmal wohnte, gab es jede Menge allein lebende alte Damen, die nach und nach hinfälliger wurden und starben. Vorher tippelten sie mit ihren braunen Handtaschen und in ihren beigen Klamotten zum Löckchendrehfriseur oder kauften ein Viertelchen Hack fürs Mittagsessen. Das teuerste, was sie sich leisteten, waren Gesundheitsschuhe. Aber so viel offensichtliches Siechtum und Kriechtum hat es damals nicht gegeben. Ich weiß nicht, ob es mich freut, im Krankheitsfall von einer ganzen Industrie beim Kranksein unterstützt zu werden oder ob ich mich vor dieser Perspektive gruseln soll, wenn ich dereinst so weit bin.
Ob es daran liegt, dass man heute auch im Alter den Anspruch auf das volle chirurgische Programm hat?
Man wird zwar älter als früher, aber zu welchem Preis?
Statistisch gesehen ist das letzte Lebensjahr das teuerste Jahr im Leben, medizinisch gesehen.
Immerhin könnten Sie die Heizung anstellen, wenn es ganz arg wird. Hier tut sich nix, wenn ich das versuche, erwäge Anschaffung eines Heizlüfters.
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Der Begriff „letztes Lebensjahr“ sagt wenig aus. Man kann auch mit 36 sein letztes Jahr haben. Außer durch Unfälle sterben ja wenige gesund.
Die Leute sind heute mit 50 oder 60 eben nicht aufgearbeitet, wie es meine Oma in dem Alter zum Beispiel war. Und besser ernährt, besser versorgt und besser notfallbetreut.
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Nee, vor Ende September gilt bei mir die Maxime „ein Indianer kennt keinen Schmerz“. Je eher ich ins heizen einsteige, desto mehr friere ich im Winter.
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Das eine ist der finanzielle Aufwand, einen fruehenTod aufzuhalten. Das andere ist, den Tod nach einem gelebten leben um einige Monate – mit fraglicher lebensqualitaet – zu verzögern.