Position Null ist eine Leseempfehlung. Die trockenen Sätze dieser Dame sprachen mir sehr aus dem Herzen.
Aber erstmal geht es um die Nosex-Abteilung. Miz Kitty frickelte gestern unter Anleitung des Grafen eine kleine Website, weil sie etwas weiterzugeben hat. (Es wird viele mittlerweile langweilen, aber das Teil soll in gute Hände.) Ein Aushang mit einem QR-Code ergänzte die Sache. Die ebay-Auktion wartet noch bis nach den Herbstferien.
Danach bestieg ich mit dem Grafen standesgemäß die Limousine, um dem neueröffneten Möbel-Höffner im Wedding einen Besuch abzustatten. Man winkte eine Woche lang mit stark reduzierten Preisen und netten Publikumsbespaßungen. (Nun brauche ich ja so was wie einen Kropf, aber die Hoffnung, daß ein Zanotta-, Brühl- oder Machalke-Sofa vom LKW gefallen wäre und für ein Viertel des Preises angeboten würde, stirbt bekanntlich nie.)
Höffie im Wedding. Dit is harter Stoff und Integration hautnah erlebt. Damen mit Kopftüchern, die in Viererreihen am Rabattglücksrad anstehen und kein Wort Deutsch verstehen. (Hier war der Beleg: Mann gründet keine Familie mit den in Deutschland aufgewachsenen Landsfrauen.) Durch das Restaurant schlurfende Rentner in beigen Wetterjacken, denn es gab zwei Essen zum Preis von einem, ignoranterweise war der Hit auf der Speisekarte Schweineschnitzel.
Nachdem wir uns am zeitgenössischen Nicht-IKEA-Massen-Möbel-Design einen handfesten Depri geholt hatten, wechselten wir zum Media-Markt, um mit Fernsehern weiterzumachen, später probierten wir mit ein paar Schuljungs Tablets aus. Es ist leider so. Wer einmal ein iPad in der Hand hatte, ist angefixt und kommt davon nur noch schlecht weg.
Nach der Absolvierung des Misanthropie-Parcours retteten wir uns zu Chicken Madras und Jalfrezi in die Ackerstraße.
Der Abend war ruhig, der Graf verschwand um 22 Uhr, 6 Stunden vor seiner normalen Schlafenszeit im Bett und ich bügelte.
Themawechsel. Kind. Bitte nicht weiterlesen.
Frau Journelles Blogpost beschäftigt mich bereits ein Weilchen. Sie hat recht. Über Sex redet man nicht, ich will ergänzen: Über Sex und Geld redet man nicht. Bzw. man redet über real stattfindenden Sex genauso wenig wie konkret über eigenes akkumuliertes Geld. Komische Parallele. Die Schwanzlänge des Liebhabers ist genauso tabu wie die Höhe der Geldanlage.
Ich bewege mich schon mein Leben lang im Achtungs- und Vorsichtbereich, denn irgendwer, das heißt, ich weiß ganz genau wer, nämlich meine Oma, hat mir eine Menge sexueller Energie vererbt. Die war auch nie so richtig wegzusozialisieren, weil sie meine ganz ureigene Superkraft zu sein scheint. Andere können schnell rennen oder irre lange Zahlen im Kopf zusammen rechnen, ich wollte lieber… ach lassen wir das.
Madame Journelles Frage war, warum? Warum überschreiten wir eine unsichtbare Grenze nicht? Reden ausgiebig öffentlich über die tiefsten Regungen unseres Inneren, aber nicht darüber, dass auf der Festplatte eines in dieser Wohnung stehenden Laptops Fotos gespeichert sind mit dem Hauptmotiv „Titten auf Glatze“?
Lust ist anarchisch und so gut wie nicht kontrollierbar. Eine Urkraft, die, wenn sie erst einmal wirken kann, kaum zu bremsen ist. Christlich-protestantisches Ethos (das gilt für eine Menge Religionen, aber diese kenne ich am Besten) ist vor allem Lustkontrolle, Triebbeherrschung. Lust ist realisierte Lebensenergie, Geld ist gespeicherte Lebensenergie. Deshalb hat man zu sparen: Geld und Lust.
Beide Existenzformen von Lebensenergie werden verschattet, verborgen. Pralles, volles Dasein ängstigt, weil es die Gefahr birgt, dass man sich und seine Lebensenergie verschenkt. Für ein gutes Gefühl, für einen Rausch, für Spaß, was auch immer. Wer sich verschenkt, muss nicht kaufen. Aber: wer sich verschenkt, verliert Sicherheit und Kontrolle.
Viele Frauen würden aufhören, ihr Geld in Yogakurse * zu tragen, wenn sie gut ficken würden. (Eines meiner Schock-Erlebnisse beim Yoga – das Stöhnen der Frauen, die gern ganz vorn die Nähe des Lehrers suchen.)
Ich war leicht erschüttert über die Reaktionen der Damen auf die wirklich geile Homo-Sex-Szene in Glams „Ashby House“. So mancher Geisteswissenschaftlerin hätte ich zugetraut, sie als das zu interpretieren, was sie ist, nämlich ein Politikum, ein Gay-Pride-Statement, das nicht moralinsauer ist, sondern Spaß macht, wenn man denn Spaß an der Aktion gutaussehender männlicher Körper hat. Die schmallippige Ablehnung schockierte mich etwas. Bei den Phantasy-Ladies war war es ja noch verständlich, die goutieren schließlich ganze Buchserien, in denen es vor allem darum geht, keinen Sex zu haben. (Und haben wahrscheinlich tatsächlich keinen.)
Ha, ich merke grade, daß ich mir vorgenommen habe, über meine Sexualität zu reden und ins Dozieren gerutscht bin. Soso.
Mit dem eigenen Partner über Sex reden zu können, ist ein großer Glücksfall. Denn die Konditionierung ist allgegenwärtig. Sie reicht von „mit so wertlosen Gedanken belaste ich mein Hirn nicht, wenns mich überkommt, überkommts mich eben und darüber reden tun nur hemmungslose Idioten“ (auf der Sex-Qualitäts-Skala nicht verwunderlich unter Null angesiedelt) bis zur hohen Kunst des Lobliedes auf das, was unsere Körper taten oder in Zukunft tun sollten (auf der Skala ganz oben, nicht umsonst mein erotischer Lehrmeister). Ich finde es wichtig, dass eine Frau es lernt, auch in dieser Hinsicht, auszudrücken, was sie will und braucht. Auch wenn sie sich vorher die gegebenenfalls schamvolle Arbeit machen muss, ihre Bedürfnisse kennenzulernen. Tanzen lernt man auch nicht von heute auf morgen. Fast noch wichtiger finde ich es, dass eine Frau lernt, einen Mann richtig anzufassen. Dass sie sich die Zeit nimmt, zu beobachten, was der Kerl in ihrem Bett überhaupt braucht, um durch die Decke zu gehen.
Journelle nennt Pornos als Lehrstücke für Frauen. Ja, es ist gut, daß Pornos für Frauen zugänglicher sind als früher, wo eine in der Schmuddelecke der Videothek befindliche Frau schnell von Taschenbilliard spielenden Männern umgeben war und Angebote bekam, auf die sie keinen Bock hatte. Wer hier mient, daß das alles Dreckszeug ist, vergisst, dass jeder Winkel des Internets Medienkompetenz voraussetzt. Amateur-Solo-Frauen- und Männerszenen schärfen den Blick. Nicht umsonst lernen Affen Sex, indem sie anderen in der Herde beim Machen zuschauen. Wachsen sie in Gefangenschaft auf, muss man ihnen Pornos zeigen, sonst wissen sie nicht, wie das mit der Paarung geht.
Ich bedauere die Jahre meiner Wortlosigkeit und das tiefe Tal der Lustlosigkeit ob der hormonellen Verhütung sehr. Aber alles zu seiner Zeit. Ich hätte nie gedacht, dass sich mir jenseits Mitte 40 eine neue Welt eröffnet. Der Körper ist jetzt nicht mehr das Objekt. Was ich mit ihm machen kann, ist allerdings phantastisch.