Prima, das Tagbuchbloggen geht also weiter. Ich freue mich, wenn meine täglichen kleinen Heldentaten und Niederlagen gelesen werden.
Der Dienstag verging in Vorbereitungen für meinen kleinen Teilumzug. Der Mann half mir, die vergammelten Küchenmöbel abzubauen. Was sich hinter solchen Schränken verbirgt, möchte man eigentlich garnicht wissen und erst recht nicht sehen. Ich hatte den unbezwingbaren Impuls, erst einmal einen Kanister Sagrotan auszukippen, behalf mich dann aber mit heißer Sodalauge, für den Herd, 3 qm Fußboden und die Wände in Ölsockelhöhe wechselte ich dreimal das Wasser im Eimer. Dann bohnerte ich den Teil des Terrazzo, auf dem dann mein Kühlschrank stehen sollte und weißelte in dieser Region Wand und Decke, denn danach würde ich dort nicht mehr herankommen.
Die Büroarbeit lief in dieser Zeit eher nebenher und am Abend gab es glutenfreie Spaghetti.
Der Mittwoch begann früh. Ich fuhr nach Strausberg und bekam vom besten Freund, der mir den Lagerraum vermietet hatte, noch einen 1A-Bürokaffee und dann kam der Transportfritze. Er war von einer Zweimannarmee begleitet, von denen einer eine halbwegs intelligente Spacke und der andere ein muskulöser, etwas dumpfer Zahnloser war. Sie rochen beide sehr.
Mir blitze kurz: Ach du Scheiße! durchs Hirn, aber ich merkte bald, daß Scheffe seine Jungs sehr gut im Griff hatte. Väterlich, aber eisern.
Ich sortierte die Kisten und Möbel vor, denn ein Teil blieb da und es war alles recht fix geladen. Da ich mit meinem Wagen sowieso schneller war, aß ich mit dem besten Freund noch Bulette und Kartoffelsalat in der Betriebskantine und Lehrküche. War dit lecker!
Dann sauste ich zurück, wahrscheinlich fuhr ich den Wagen zum letzten Mal so richtig aus. Ein geiles Gefühl.
In Schöneberg angekommen, wartete die erste Überraschung auf mich. Im Grunde ist es in dieser ruhigen Wohnstraße kein Problem, an einem Arbeitstag einen Parkplatz für einen Sprinter in Hausnähe zu bekommen. Sicherheitshalbe hatte ich Flatterband mit einem Zettel von einem Baum zu einem Laternenpfahl gespannt. Es gab nur eine Pappnase, die seit Tagen, das Auto nicht bewegt hatte und das stand dann immer noch da. Und die Jungs kamen nicht mit einem Sprinter sondern hatte einen 7,5-Tonner. Somit war die Straße dann für eine Stunde dicht.
Wir luden ab und mir wurde angesichts des Kistenstapels himmelangst. Das sollte alles in eine 35qm-Wohnung passen? Die Männer waren derweil damit beschäftigt, meinen Kühlschrank die Treppe hochzuschleppen. Ich war recht froh, das es dabei keine Toten gab, die Geräuschkulisse war wie in einem Splatterfilm.
Dann gab es die nächste Überraschung: die Küchentür war 3 cm zu schmal, wir mußten die Türen abbauen. Das ist etwas frickelig, aber ich hatte ds für einen Transport schon mal gemacht. Blöd ist nur, wenn ein Mann ohne Lesebrille und handwerkliche Leidenschaft das Alphatier geben will und flucht und schraubt und Probleme sieht, wo keine sind. Frau steht daneben und sagt vorsichtig: letztens haben wir das soundso gemacht und bekommt zur Antwort: DAS KANN GARNICHT SEIN! Ach Männer!
Dafür werden wir in der Autowerkstatt erstgenommen, wenn wir euch mitnehmen.
Wir packten die Bücherkisten aus und ich mich beschlich ein komisches Gefühl. Bisher waren Bücher für mich heilig. Die wirft man nicht weg, außerdem zeichnet eine gut sortierte Bibliothek den gebildeten Menschen aus. Ich hatte Zentner von Büchern von Umzug zu Unzug geschleppt. Erst vor 4 Jahren hatte ich meine 7 Laufmeter Bücherregal zu 2,5 reduziert. Aber dann hatte ich ein paar staubige und stinkende Exemplare in der Hand, in denen ich im Leben nicht mehr lesen würde und beschloß, in Zukunft weistestgehend auf eBooks umzusteigen.
Meine Lebensbücher hätten Bleiberecht: Die mannigfachen Hamlet- und Faust-Ausgaben, die Heiner-Mülller-Werkausgabe, Ehm Welk, Tucholsky, Hans Scholz, Vicky Baum, Kisch, F. Scott Fitzgerald, Updike, die Lyrikbände, „Der stille Don“ in der Volk und Welt-Ausgabe von 1947, Stanislaw Lems „Sterntagebücher“ mit der wunderbaren Geschichte „Professor A. Donda“. (die Links sind für die jüngeren Menschen bestimmt – meine Tochter kennt diese Autoren schon nicht mehr)
Ich würde gern alle neuere Literatur als eBook besitzen. Nur kann man dann nicht einfach einem Freund ein Buch in die Hand drücken, mit den Worten: lies das mal. Perfekt ist das nicht. Außerdem kann man nicht mehr vom Bücherschrank eines Menschen auf seinen Charakter schließen. – Aber vielleicht gibt es demnächst auf Internetprofilen die Auskunft, wer welche Bücher hat… Schöne neue Welt.
Als wir mit Schrauben und Ausräumen so halbwegs fertig waren, fuhren wir nach Kreuzkölln ins Maison Blanche, zum Abschiedsumtrunk mit einem meiner Klienten. Sehr gute Küche, supernette Bedienung tolle Atmosphäre. Wir stießen darauf an, daß aus zehn Jahren streßfreier Zusammenarbeit nun eine gute Freundschaft wird und beglückwünschten uns beide zum Blick über den Tellerrand – denn er arbeitet längst nicht mehr hauptsächlich im angestammten Beruf.
Seine Freundin kam noch dazu und brachte den neuen Familienhund mit, einen herrlichen Bardino-Mischling, der aussah wie ein Schakal mit Schäferhundmaske.
„Außerdem kann man nicht mehr vom Bücherschrank eines Menschen auf seinen Charakter schließen. – Aber vielleicht gibt es demnächst auf Internetprofilen die Auskunft, wer welche Bücher hat… „
Von mir gibts sicher kein derartiges Profil. Ich würde eher über diverse Sexualpraktiken schreiben, die mir so im Laufe meines bisherigen Lebens begegnet sind, als eine Auflistung des Inhaltes meiner Privatbibliothek online zu stellen … Ich habe das Gefühl, ich würde durch die Preisgabe meiner Bücher äußerst verletzbar werden.
ich gehöre auch zu den leuten, die einfach keine bücher wegschmeissen können. aber die unterscheidung in lebensbücher und andere, die man eigentlich wirklich nicht mehr braucht, lassen mich über die intensive verwendung des kellers nachdenken.
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ich würde miene bücherliste auch nicht allen öffentlich machen wollen. denen, die zutritt zu meiner wohnung hätten, schon.
REPLY:
ich könnte die bücher in mein außenlager schaffen. aber da verdrecken sie und fangen an zu stinken.
mein bruder hatte seine bücher im keller. einen teil hat ein wasserschaden vernichtet, einen anderen teil ein brand. jetzt sind sie alle hinüber.
meine eltern haben die gesamte wohnung mit büchern aus erbschaften vollgestopft. die „fremden“ bücher haben sie meist garnicht gelesen, sie wollten sie nur nicht wegwerfen.
ich träume davon, daß man seine bibliothek digitalisieren kann wie schallplatten.
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Also benötigen wir einen großen, gerahmten Flachbildschirm und ein Programm, das darauf die Buchrücken (schön gebundene Erst- oder Schmuckausgaben, versteht sich) abbildet. Für Applebenutzer auch gerne mit Touchscreen zum weiterschieben und zoomen :)
Klingt nach einer guten Produktidee.