Ich fiel früh aus dem Bett, denn ich hatte dem Kind versprochen, die endlich eingetroffene Overlockmaschine mit ihr aus dem Laden abholen.
Vorher bekam ich natürlich bei den beiden noch ein ordentliches Frühstück und begutachtete die Plantage rieeesiger Tomaten auf ihrem Balkon. Das Kind hing etwas in den Seilen, denn sie hatte ihre erste Hausarbeit beendet und ihr war jede Sch… passiert, die dabei passieren kann: gebummelt und zu spät angefangen, Teamkollegin, die keine Computerkenntnisse hatte und auch ansonsten nicht die hellste ist, langweiliges Thema und Motivationsmangel. Das passiert einem Gott sei Dank nur einmal, damit sind diese Themen für den Rest des Studiums abgehakt.
Im Nähmaschinengeschäft gab es deutschen Kundendienst vom Feinsten. Die Damen packten meiner Kleinen das Teil auf den Tisch und sagten: und am Montag bringen Sie die Maschine bitte zur Einweisungsstunde wieder mit, wir haben hier keine mehr. Die Konfliktfähigkeit meines Kindes ist enorm. Sie sagte einfach: „Nö, das war so nicht abgesprochen. Ich habe kein Auto.“ Ich hätte nichts gesagt und mich grün und blau geärgert. Nach einem kurzen Disput, diese blöde Schnalle war nicht in der Lage, sich zu entschuldigen oder irgendwie einen Kompromißvorschlag zu machen, mischte sich die Kollegin ein und verwies auf eine ähnliche Maschine eines anderen Herstellers, an der sie üben könnte. Dann gab es noch ein bißchen Preisnachlaß. Damit war die Sache klar und wir fuhren mit dem Schmuckstück nach Hause.
Dabei sprachen wir über ein interessantes Thema. Das Kind studiert Soziale Arbeit und wohnt nun mitten im Problemkiez. Sie hört, wie auf dem Hof ein paar Jungs ausmachen, wer wem das Telefon abzieht, fängt die „du dreckige blonde Schlampe“-Blicke auf, wenn sie mit einem kurzen Rock die Straße langgeht und wurde Zeugin einer Schießerei. Sie sieht hautnah, daß auch die vierte Generation Migranten lieber in ihrer Parallelkultur lebt, statt sich produktiv und selbständig zu integrieren. In ihrer Schule ist das kein Thema, dort herrscht – vor allem unter der Studentenschaft – linke Sozialromantik, die vor den offensichtlichen Problemen die Augen verschließt und für alles eine Entschuldigung findet. Vielleicht ist es eine Lösung, einfach mal den Neuköllner Bürgermeister einzuladen und sich anzuhören, was er dazu zu sagen hat.
Nachdem ich Kind und Maschinchen zu Hause abgeliefert hatte, machte ich mich zu Hause an marinierte Karotten und Aprikosensalat, der Mann schnipselte einen riesigen Obstsalat. Nach zwei Jahren Unterbrechung fand das Sommerfest eines Freundes wieder statt, das eigentlich eine 16jährige Tradition hat.
Woran man merkt, daß man alt wird. Diese Zahlen! Und die Gäste bringen nicht mehr die neueste Freundin mit oder baggern wie die Weltmeister, sondern laufen mit 2-3 Kindern auf und unterhalten sich über Hauspreise. Wobei in diesem Jahr keine Kinder dabei waren, die sind mittlerweile entweder schulpflichtig und die Familie ist justament in Urlaub oder der nächste Nachwuchs kündigt sich dringend an. (Unser Angebot, eine Wassergeburt im Pool zu organisieren und die Wehen mitzusingen wurde leider ausgeschlagen.) Der klemmige schwule Psychiater hat nun eine Freundin (!), der ewige Weiberheld seit einem Jahr was festes. Kinder, die Zeiten ändern sich.
Wir saßen in einer schönen Runde zusammen, ich war froh, wieder dabei zu sein, denn zu diesem Teil meines Freundeskreises hatte ich in meinen soziophoben Zeiten gar keinen Kontakt und man hatte mich schon fast abgeschrieben.
Die 7km Rückweg durch den Spandauer Forst waren ein Abenteuer, denn zeitgleich mit uns waren jede Menge Wildschweine und Rehe unterwegs, die seelenruhig die Straße kreuzten. Man fuhr 30 und warnte sich gegenseitig per Lichthupe vor Querverkehr.
Das schönste ist doch, wenn einen der Freundeskreis, der einen schon fast abgeschrieben hatte, ohne großes Federlesen wieder aufnimmt. So als wäre nichts gewesen.
Wie surreal diese wilden Tiere in der Stadt eigentlich sind, und wie sehr man sich daran gewöhnt hat. Ich freue mich übrigens schon sehr auf Sie, schade, dass es heute nicht hingehauen hat, aber demnächst, demnächst! In meiner neuen Wohnung!
boah, DAS reizwort. linke sozialromantik ist genau das, was den karren vor die wand gesetzt hat. aber so richtig richtig. wenn ich könnte, ich würde diesen elfenbeinturmgutmenschen am liebsten allen persönlich in ihren verklärten 68er arsch treten …
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ich hatte proteststürme erwartet, als ich das thema aufschrieb. hm.
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das stimmt.
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das mit der neuen wohnung ist ja wirklich eine überraschung!