An diesem Morgen entdeckte ich ein Geheimnis. Tag für Tag führ ich an einem sonderbaren Etablissement namens „Amsterdam“ vorbei. Für eine verlassene Kneipe war die Tür morgen zu oft offen. Für eine bewirtschaftete Kneipe war das Ding zu düster mit den ewig heruntergelassenen Jalousien. Ein Puff wiederum hat mehr Schnörkel und Pastelllicht. Heute morgen stand endlich mal ein Mensch vor der Tür. Ein Lederboy. Ok., Rätsel Nr.1 gelöst, mitten im Omakiez haben Leute Spaß. Rätsel Nr. 2 gelöst, ich weiß jetzt, wo die Lederjungs gut gekühlt den Sommer verbringen.
Nach einem sehr aktiven Tag wie dem gestrigen fühlte ich mich wie auf der Erde festgeklebt.
Mir war kalt, ich war müde und gereizt. Glam fragte, ob ich mit auf Wasser komme, doch ich maulte leise in mich rein. Oh nö, zu kalt, zu windig, ich will aufn Arm.
Dann nahm ich meine Tagespflichten ernst. Ich will nun endlich meine Möbel hier haben und nicht nur umgeben von Metrokisten und Reisetaschen meinen Job erledigen. Da die Umzugsbörse nur überhöhte Angebote auswarf und mir partout keiner einfiel, der Träger kennt. (Früher hatten unsere Umzüge immer zwei illegal in Deutschland lebende Peruaner getragen, aber die hatte ich aus den Augen verloren.) Es ist ja nicht mehr so wie früher, wo alle Kumpels zusammenkommen und man einfach umzieht. Heute hat der eine Rücken, der andere Schulter oder Arthrose, der nächste keine Zeit und ich hab Beckenboden. Wir werden halt alle älter.
Da ich in Berlin bei allen Läden, die ich kontaktierte, nicht einmal Feedback bekommen hatte, machte ich mich in Strausberg auf die Suche, dort, wo die Sachen eingelagert sind. Dort gibt es offiziell zwei Leute, die sich mit Umzügen und Transporten beschäftigen und im Branchenbuch stehen, an Webpräsenzen ist garnicht zu denken.
Ich rief Nr. 1 an, da war zweieinhalb Stunden lang besetzt.
Die Nr. 2 ging ans Telefon und mußte sich dann von seinem Begleiter erst einmal seine Mailadresse („Äh ja klar, hamwa auch!“) buchstabieren und sich von von mir erklären lassen, daß da auf keinen Fall ein Leerzeichen drin sein kann. Ich sende meine Liste der zu transportierenden Sachen los.
Nr. 1 war irgendwann fertig mit telefonieren. Die Dame am Telefon reagierte auf die Frage nach der Mailadresse genauso: „Äh ja, hamwa auch!“ (Warum erinnerte sie mich an meine Sekretärin, die, wenn sie allein im Büro war, stundenlang mit ihrer Schwester telefonierte?) Ich sendete wiederum meine Liste los.
Nr. 2 meldete sich ziemlich schnell mit einem Angebot. Das ich allerdings recht teuer fand, außerdem hatte er erst in drei Wochen einen freien Termin.
Nr. 1 rief am Abend an.
Nr.1so: Sie ham mir da ne Mail geschickt, in der steht, ‚wie telefonisch besprochen‘, ick hab aba nie mit ihnen telefoniert. Dit muß die Kollejin gewesen sein.
Ickseso: Ich habe mit einer Frau gesprochen.
Nr.1so: Und warum schickense mir dann eine Mail, ick weeß doch garnüscht davon.
Ickeso: Ich habe die Rufnummer angerufen, unter der ihre Transportfirma im Branchenbuch steht und dort die Mailadresse erfragt, damit ich sie kontaktieren kann.
Nr.1so: Ah so, ja die Kollejin is schon weg, die konnte mir nich mehr sagen, wat da kommt. Na dann erzähln se mal.
Ickso: Das steht doch alles in der Mai!
Nr.1so: Ja aba die hab ick doch schon wieder zujemacht.
Ickeso: Warten Sie, ich mache sie mal auf, ich hab das doch nicht alles im Kopf, was da transportiert werden soll.
Nr.1so: Na dit kann ick auch machen.
Ickeso: Jetzt ist sie schon offen. (*kopf->tisch*) 25 Kisten, ein amerikanischer Kühlschrank, eine Truhe… etc. pp.
Nr.1so: Also der Kühlschrank, diese amerikanischen, die kenn ick ja. Dit is kompliziert. Paßt der denn bei ihnen in den Fahrstuhl?
Ickeso: Glaube ich nicht.
Nr.1so: Da tragen wir den dann zwei Treppen hoch, ick weeß nich. Also, halten se mich nich für pingelich, aber dit würde ick mir gern allet ansehen. Wann könnse denn nächste Woche mal da sein?
Ickeso: (innerlich hatte ich das Gespräch ohnhin schon beendet) Jaja, nächste Woche kann ihnen jemand aufschließen, ich melde mich.
O.M.G. Blühende Landschaften, in denen unglaubliche Idioten leben.
Gott sei Dank war zwischendurch eine SMS gekommen. Vom besten Freund, der mir auch schon den Lagerraum vermietet hatte: umzug nächste woche? 350 € netto kv, ist das ok.? der herr p. meldet sich bei dir. Und so telefonierte ich mit Herrn P., der sagte, das das alles kein Problem wäre, er riefe mich an, wenn er fertig geladen hätte und dann kämen die Sachen am Mittwoch zu mir. So einfach kanns sein.
Dann kam ich doch ein wenig in Hektik. Ich habe so gut wie keine Staumöbel mehr, weil ich im Loft den begehbaren Schrank und ein vier Meter hohes Regal hatte. Was hieß: IKEA, Billys kaufen. Was weiterhin hieß: zu einer sozial bekömmlichen Zeit, am besten heute Abend kurz vor Ladenschluß.
Wir kauften das vorvorletzte weiße Billy und noch ein paar andere Kleinigkeiten.
Danach setzte wir uns für ein wohlverdientes Abendmahl in ein persisches Restaurant in der Goltzstraße, das ich noch nicht kannte. Es roch hervorragend, was da in der Küche briet und kochte. Die Bedienung allerdings fuhr einen brutalen Entschleunigungskurs, denn sie konnte immer nur einen Gang auf einmal. Entweder den Bestellblock halten zum Getränke notieren oder die Speisekarte bringen, entweder die Gläser der gegangenen Gäste abräumen oder den Tisch abwischen. Zwischenfragen verwirrten sie, dann verschwand sie immer erst einmal minutenlag hinter ihrem Tresen. Nicht, daß sie unpräsent war. Eine üppige junge Frau mit dichtem langem Blondhaar und aufreizend trägen Bewegungen. Doch ihre Berufung schien der Job nicht zu sein. Was nicht zuletzt ersichtlich wurde, als sie verwirrt in dem winzigen Gastraum stand und überlegte, welcher der beiden Tische nun diese Order bekam und ihre Haarspitzen in meine Berberitzensoße titschten. Ich hätte normalerweise einen Anfall bekommen. Hier wußte ich, daß ich dann wahrscheinlich eine weitere Dreiviertelstunde auf das reklamierte Essen warten müßte. Also hielt ich die Klappe und fühlte mich wie in der DDR.
Das Essen war übrigens phantastisch. Man müßte nur einen Weg finden, es sich direkt aus der Küche zu holen.
So fiel ich denn um halb 12 mit vollem Magen ins Bett und wartete auf den Nachtschlaf.
„Das Essen war übrigens phantastisch. Man müßte nur einen Weg finden, es sich direkt aus der Küche zu holen.“
Made my day !
[Ich weiß, als Gast findet man solche Situationen weniger komisch.]
wäre weihnachten hätte ich bzgl. der peruaner gesagt immer den panflötenklängen nach. aber im sommer … dealen?
p.s.: habe ich das richtig verstnden, du hast bisher ernsthaft ein listenfreies leben geführt???!!!!!
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im ernst, einige leute standen schon an der küchentür.
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ich habe tatsächlichein weitgehend listenfreies leben geführt.
es gab im grunde nur die listen, wann ich rechnungen zu stellen habe und meine telefonnotizen – ich muß jedes telefonat protokollieren, sonst sehe ich nicht mehr durch.
alles andere schwirrte in meinem kopf rum – oder auch nicht.
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unglaublich. mit dem system wäre seit mindestens 15 jahren dem wahnsinn verfallen …
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naja, schließlich hatte ichs im letzten jahr dann auch am kopp.