13.11. 2022 – Sonntagsmäander auf dem Dorf

Hups, mitten am Tag bloggen, das hat hier schon lange nicht mehr stattgefunden. Heute wurde ein Beschluss zu einem absolut faulen Sonntag gefaßt. Es wird Essen von gestern aufgewärmt, das Herrenzimmer muß auch nicht mehr hochgeheizt werden, weil es von gestern noch warm ist, die Geschirrspülmaschine ist befüllt und das Einzige, was noch ansteht, ist ein kleiner Spaziergang durchs Dorf und auf dem Rückweg ein paar Holzkörbe füllen für den kuschligen Abend.
Der Graf übte sich einige Minuten in der Trendsportart Heavy Xtremly Fensterrentnering, denn ein Jeep unbekannter Herkunft stand vor der Tür (Besuch? Für wen? Einfach so von Spaziergängern auf dem Rasen vor unserem Haus abgestellt? Jemand, der den Weg nicht findet?), aber das war ihm dann auch zu anstrengend und er legte sich auf die Chaiselongue.
Ich schlug den Impuls nieder, den Glühweintopf aus dem Obergeschoß vom kleinen Haus zu holen und den schilfgrünen Pullover blau zu färben, den ich über den Sommer gestrickt hatte, der dem Grafen aber zu militärisch aussieht.
Statt dessen bestellte ich Filzpantoffeln, denn von meinem Kaufland-Schnäppchen von vor 2 Jahren (12€, das wird es nie wieder geben), die einfach praktischer waren als die roten Haflinger, ist über den Sommer ein Schuh entwischt. Die Katze ist mal wieder im Verdacht (nicht bei mir). Mimi mopst immer mal kleine Dinge, zum Beispiel einzeln verpackte Salztabs für die Waschmaschine. Und auch bei einer Socke und dem Schlüssel für den Golf ist der Verdacht berechtigt, wie ich finde.


Was das Kalender-Ledermäppchen des Grafen betrifft, habe ich Zweifel. Das ist zu schwer und zu sperrig. Denn selbst die Salztabs läßt sie nach einem halben Meter fallen.

Worüber ich nach einigen Tagen Zögern schreiben will: Twitter. Seit 2008 in meinem Leben, habe ich eine lange Anlaufzeit gebraucht um in dieser Kakophonie einzelne Stimmen zu erkennen. Es war mir immer einen Tick zu schnell und zu hart, aber es war ein Kaffeehaus, in dem du auch die Gespräche am Nachbartisch belauschen konntest und anderen Menschen beim Leben zugesehen hast. Besonders nachdem viele nicht mehr bloggten. Seit es politisch wurde (von mir anfangs sogar begrüßt, weil ich die ständigen Jokes der Herren als langweilig empfand, kurze Zeit war es für mich sogar eine Art Diskursmedium) und wir immer öfter nach dem Spiel der Erwachsenen „Ist es nicht schrecklich?“ das Spiel „Auf ihn mit Gebrüll!“ spielten, war ich mit einem Fuß aus der Tür raus.
Ich bin zwar gut im Austeilen, gut im Einstecken bin ich nicht.
Irgendwann wurde ich schweigsam, beobachtete und nutzte die Plattform als maßgeschneidertes Informationsmedium und Kontakt zu stillen Verbündeten und Geschwistern im Geiste. Von politischen Statements jeglicher Position bis zu Porzellanfunden, Kleiderfotos und Kochrezepten.
Ich blieb, weil meine Timeline ein interessantes soziales Umfeld war. Ich litt, weil die Konversation Politik, Religion (heute: moralisches und -ismen) und Geschlechtliches nicht aussparte, obwohl eine eiserne Regel für gelungene Konversation ist, diese Themen zu meiden. Es war ein großer Zweispalt. Man bekommt die Inspiration nicht ohne den Schulhofteil.
Für mich stand schon seit Jahren fest, wenn Twitter den Weg von Facebook geht, war es das für mich mit den sozialen Medien. Es frißt zu viel Zeit, es regt zu sehr auf und es verstopft einem das Hirn mit Gedöns. (Ich lese seither keine Bücher mehr, aber dafür lese ich interessante empfohlene Artikel, auf die ich sonst nie gekommen wäre.) Das hat sich in diesen Tagen, in denen alle zu Mastodon abwandern, einschließlich des Grafen, nicht geändert, aber sag niemals nie. Vielleicht brauche ich meine Außenseiterposition in der Wärmestube doch.
Es ist auf Twitter ruhig und unaufgeregt geworden und ich empfinde das gerade als sehr angenehm. Ich beobachte. Ansonsten habe ich mein Blog, das ist mein kleiner, viele Jahren gepflegter Vorgarten.

Nächste Woche soll es auch hier kalt werden. Es graust mir ein wenig davor. Durch die Ostsee kommt der Winter hier immer verzögert an, bis Mitte Dezember kann man die Hoffnung haben, daß das Klima englisch bleibt und dann, um Weihnachten herum, wird es sibirisch und hart. Aber wir haben genug Holz.

Und noch was aus der Abteilung Porzellan. Ich trüffelschweine nach dieser Haviland Limoges-Teekanne mit Paradiesvogeldekor.

Die abgebildete hat Roséglasur (war mal ganz groß Mode, ist aber nicht unbedingt mein Favorit) und ihr fehlt leider der Deckel. Vielleicht tut es auch nur der Deckel…

4 Gedanken zu „13.11. 2022 – Sonntagsmäander auf dem Dorf

  1. Yo, winter is coming. Was Twitter betrifft: meine Rede, was interessiert mich mein Tool von gestern. Mastodon erinnert mich gerade an die Anfänge von Twitter. Also an die Zeit wo das Internet noch Spass machte.

    Irgendwann fangen die Menschen dann auch noch an miteinander zu telefonieren. Schrecklicher Gedanke.

  2. Die Teekanne ist von Gio Ponte für Haviland. Sehr hübsch. Es gibt ein paar abgelaufene Auktionen im Internet für Teeservice- leider ohne Endpreise. Meine Schwester, die sich mit sowas ein bisschen auskennt, meinte nur: „ Das wird schwierig!“

    • Da hat sie recht. Wenn sie überhaupt auf dem Markt ist, entweder mit einem hübschen Art Deco-Dekor oder den Paradiesvögeln, kostet sie zwischen 80 und 100€, mit geklebtem Deckel immer noch 60 und das ist mir zu teuer.
      (Wenn man unter Gio Ponte sucht, wird es teuer. Wer sie nur unter Haviland annonciert weiß nicht, daß sie ein Designerstück ist.)

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