Gott sei Dank ein etwas trüberer Tag, so sah ich mich vorerst nicht unter dem Druck, vor die Tür zu gehen.
Ich verbrachte 2 Stunden mit einem Formular, das mir Geld sparen soll. Das tun wir doch gern. Grmpf. Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum ich gern Geld verdiene. Ich muß meine Zeit nicht für solche Bettel-Formulare verschwenden, sondern zücke in aller Freiheit meine Geldbörse.
Am Nachmittag wurde der Hunger dann sehr groß. Wenn ich zu faul bin, mir etwas zu essen zu machen bzw. dann sowieso nur zu Pfennings Geflügelsalat mit extra viel Mayonnaise greifen würde, mache ich mir so einen im Trockenzustand wunderbar nach Fischmehl riechenden Diätshake. Aber einmal am Tag sagt mir das innere Rumoren: Ick will wat Ontliches! Ok., ok., da muß ich dann wohl losgehen, denn Bestellen geht nicht mehr, das Bargeld ist alle, die großen Briefumschläge auch. Olivenöl wäre auch nicht schlecht, denn im Kühlschrank liegen Kartoffeln, im Regal steht das Meersalz von Matteo Tedesco und auf dem Balkon steht ein Rosmarinbusch.
Also brachte ich mich in einen stadtfeinen Zustand und radelte die Akazienstraße entlang. Für Nichtberliner: Die Akazienstraße ist gepflastert mit Eso-Hippie-Fernwehstätten, man könnte fast sagen, sie möchte das Tor zu einer besseren Welt sein.
Ich machte das volle Menopausenprogramm: kaufte eine Hand voll Rosenquarzbrocken für die Aufladung meines Trinkwassers, Käse, Öl und Wein im italienischen Feinkostladen, eine „Brigitte“ mit Herbststrickmustern und setzte mich in ein indisches Restaurant. Leider mußte ich feststellen, daß ich ohne Lesebrille nur noch die Werbeanzeigen sehen kann. Das Dossier „Macht Sex mehr Spaß, wenn man mehr darüber weiß?“ blieb daher leider unstudiert. Aber das Essen war gut.
Zurückgekehrt schlug ich die Flacheisen für die Gardinen, die ich auf dem Weg in einem Old-Fashioned-Gardinenladen gefunden hatte, in die Wand. Ein Desaster. Ich wollte mir ersparen, die schöne gespachtelte Wand mit Bohrlöchern für die Stahlseile aufzureißen und so fielen mir Putzbrocken durch die Hammerschläge entgegen. Dann bügelte ich eine Stunde lang meine selbstgenähten und -gefärbten zartblauen Musselinvorhänge und knüpfte sie auf. Es sah Sch… aus. Aber wahrscheinlich mußten sie sich noch aushängen. Ich würde sie ohnehin nur abends benutzen, bin ja nicht so der Gardinentyp.
Mit dem Vorhang vor dem Bett hatte ich mehr Glück. Die Bettnische des kleinen Zimmerchens hat eine in die Decke eingelassene Vorhangschiene, nachdem ich nun T-Schienen-Gleiter und Stopper gefunden hatte (Nicht zu fassen, die hatte meine Mutter früher kiloweise zu Hause!), hing ich zwei Überschlaglaken an, die noch aus der Weißnäherinnenwerkstatt einer Urgroßtante stammen.
Das sieht allerdings sehr gemütlich aus. Ist es auch, wie ich ein paar Stunden später feststellen durfte.
Was für eine wunderbare Oase, diese Bett hinter den Vorhängen….
Eine sehr verlockende Schlafstatt – inklusive der farbigen Wand im Hintergrund.
Vorhänge sind eine tief sitzende Konvention: Erst kürzlich fragte uns ein Essensgast (noch keine 30 Jahre alt), wie lange wir denn hier schon wohnten. Unsere Auskunft, elf Jahre, verdutzte ihn: Es sehe alles so provisorisch aus. Es stellte sich heraus, dass er damit vor allem die abwesenden Vorhänge meinte.
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oh ja. das war die ecke in der wohnung, auf die ich mich am meisten gefreut (und die größte mühe verwendet habe).
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schon erstaunlich, vor allem bei jungen leuten. gerdinen waren früher für mich ein absolutes no-no, weil spießeraccesoire.
ich sehe ja gern in fremde fenster, merke aber, daß ich mit zunehmendem alter ungern selbst beobachtet werde. daher gibt es jetzt das abendmusselin.
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nicht wahr?