10.7. 10

Mein Kind hatte mit Freund zum Frühstück eingeladen, damit wir die Wohnung im Endzustand sehen können.
Bei solchen Gelegenheiten platze ich immer vor Stolz. Das ist das kleine Mädchen von früher. Jetzt ist sie erwachsen und selbständig. Obwohl sie so eine bekloppte Mutter hat, die sich um alles andere, aber nicht um korrekte Kindererziehung kümmerte.
Es ist frappierend, daß sie mit 23 ähnliche Hobbies hat wie ich. Nähen, T-Shirts gestalten (bei mir waren es Applikationen und Patchwork), Pflanzen ziehen. Dabei habe ich ihr das gar nicht beigebracht, als sie heranwuchs, war ich ja schon die hochtourig drehende Businessfrau. Hach.
Nach dem Erdbeer/Obstsalat/Rührei/Käse-Frühstück (Wurst gibts ja nicht mehr, die beiden sind inzwischen Vegetarier) fuhren wir in den großen Singer-Nähmaschinen-Laden im Wedding. Beim Kind stand schon längere Zeit eine Overlockmaschine auf der Investitionsliste. Ich stand vor Begeistung sabbernd im (Gott sei Dank klimatisierten) Laden angesichts der herrlichen Maschinen. Doch der Porsche unter den Overlocks ist ebenso überbucht wie das neue iPhone, es gab nicht einmal ein Vorführgerät.
Die Kinder hatten keine Lust mehr, mit und durch den Prenzlauer Berg zu tingeln (ich verbuchte es auch eher unter „eheliche Pflichten“) und gingen nach Hause, während wir eine „ach laß uns mal nette Läden kucken“-Tour im Prenzlauer Berg begannen. Wir pausierten vor einem Café und beobachteten den Gang einer Zwangsräumung. Nein, keine wehrlosen Miethaiopfer, sondern wahrscheinlich die letzten zwei verpeilten Bohemiens des Viertels, ein Schriftsteller und ein Drogentester, hatten es geschafft, die traumhaft niedrige Altbestandsmiete für die große Vierzimmerwohnung ein Jahr lang nicht zu zahlen.
Zwei Leben landeten im Container. Verstaubte Film-Bücher, Reisebeschreibungen, vieles davon ersetzt heute das Internet. Teilweise sehr schöne Retro-Möbel aus den 60ern, leider gnadenlos versifft. Picassohafte Laienmalerei, blecherne Werbeschilder, Omas Schlafzimmermöbel. Komischerweise animiert einen nichts, die Zweite-Hand-Möbel von der Straße aufzusammeln, als würde das Unglück der Gescheiterten daran kleben.

Am Abend saßen wir rechtzeitig im Schleusenkrug, um für das Fußballspiel gute Plätze zu haben. Die piefigen Freunde ließen wir diesmal zu Hause. Das Spiel begann, als sich die Feuchte der Haut von nass über glitschig zu klebrig verwandelte.
Neben mir saß ein Paar, das gut und gern in jedem fußballfreien Café hätte sitzen können. Er blies sich trotz Enge auf wie ein Truthahn: die Beine gespreizt, der schwitzige Ellbogen auf die Knie gestemmt und abgespreizt produzierte er sich vor ihr als Superchecker. Er hätte sogar schon mehrere Male American Football gesehen, außerdem kenne er den neuen Pressesprecher der Bundesregierung, alter Kumpel von ihm, was da vorn an Spiel passiere, entlocke ihm nur ein müdes Grinsen etc. pp. Sie (schmallippig, Applikationshandtäschchen, Blümchenkleid, pinkfarbenes Lillifee-Pflaster am Fußknöchel) war mäßig beeindruckt und taute erst auf, als er ihr Familienfotos auf dem Blackberry zeigte. Müßig zu sagen, daß er per Blackberry auf irgendeinem WM-Ticker checkte, ob er gerade das Richtige auf der Leinwand sah. Gleich nach dem Spiel hatte der das Mädel scheinbar so weit, die beiden verschwanden sehr schnell in der Nacht.
Wir trudelten nach Hause. Ich las endlich meinen Krimi zu Ende, in dem die Hauptermittlerinnen Frauen und alle sie umgebenden Männer entweder arme Loser oder potentielle Triebtäter waren.

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5 Gedanken zu „10.7. 10

  1. Ist doch gut, wenn ein Romangeschehen so nahe an der Wirklichkeit ist ;-))

  2. … was ist denn bei overlocks gerade so der porsche? ich bin informell bei baby-lock [was für ein name für ein high end produkt. man stelle sich vor der panamera hieße „schnuffi“!] stehen geblieben. und wurde darüber informiert, dass man die spitzenamschinen ohne schulung garnicht bedienen kann, bzw. nicht voll nutzen.

  3. REPLY:
    die verlinkte ist der slk und die babylock ist tatsähclch der porsche (aber so schweineteuer). schuffi, hihi. so sinds, die frauen.

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