Home, sweet Home

Nach drei Wochen wilder Jagd liegen nun endlich drei reisefreie Wochen vor mir. Ich kann mir garnicht vorstellen, wie es Leuten geht, die für den Job ständig unterwegs sind. Ich versuche mich daran zu erinnern, was am Wochenende zuvor war und brauche gut fünf Minuten, um zu wissen: ah, Barcelona.
Es blitzen immer nur Fetzen in meinem Gedächtnis auf.
Das Essen zu siebent an den Markthallen. Plancha mista hatten wir einfach kommentiert mit: prima, alles, was plantscht kommt aufn Tisch.
Das Hotelzimmer dort. Vier Wände, ein 1qm-Balkon, ein Bett, ein Schrank, ein Bord und, nicht zu vergessen, ein Deckenventilator. Der Lärm auf der Straße. Die Betrunkenen wurden nahtlos von der Müllabfuhr abgelöst.
Diese komische Bar, die mit ihren großen Fenstern einen halben Meter tiefer als der Gehsteig lag. Von der wir sagten: wer sitzt hier eigentlich im Aquarium? Die draußen oder wir drinnen?
Die dicken Engländerinnen, mit ihren großgeblümten Kleidern. Sie treiben wie Manatees durch die Menge. Um sie herum paddeln ihre rotgesichtigen versoffenen Männer wie Seeleoparden.
Die Stimmung auf dem Montjuic. Glücklich, zufrieden, entspannt.
München.
In einer Doppelhaussiedlung in Haar habe ich stundenlang ein Dreimonatsbaby auf dem Arm. Er schnauft, sabbert und betatscht mein großzügiges Dekollete mit seinen winzigen Fingern. Die Mutter ist erstaunt, wie gern und ausdauernd er bei mir ist und ich genieße es.
Weißwürste frühstücken am Viktualienmarkt. Bier dazu am frühen Morgen.
Ich entdecke mitten in der Nacht ein Lokal wieder, nach dem ich Jahre gesucht hatte. Ein winziges italienisches Bistro mit phantastischem Essen und einem Kellner mit blaugrünbrauen Augen.
Eis essen auf der Theresienstraße. Dunkelbraunes Schokoladeneis.
Hessen.
Der große, freundliche Tanzbär, der am Nachmittag Gitarre spielte und am Abend, als er dann noch dazu sang, Verstärkung durch zwei weißhaarige Herren bekam (Bass & Drums). Das klang wie Dire Straits. Der Gastgeber meinte auf meine Nachfrage: Ach, das ist mein Nachbar. Die Lieder hat er selbst geschrieben.
Nachts im Hotel. HeMan hielt mich fest. Sagte los, komm, schrei einfach. Die Welt schrumpfte auf einen Punkt zusammen. Und ich ließ mich fallen und schrie.
Morgens. Wir fädeln die Plastik vorsichtig ins Auto. Heman wirkt traurig. Am Abend vorher hat er viele Freunde getroffen, die nun in ganz Europa verstreut arbeiten. Er denkt an die Zeit, als sie alle noch zusammen am Main wohnten und die Wohnungstüren immer offen standen. Verrückt. Sie tauschten Erinnerungen aus wie aus Hausbesetzerzeiten. Und waren doch vor acht Jahren Investmentbanker, Makler, Unternehmer, Geschäftsführer.

Nun Berlin. Ich sitze am Schreibtisch und der Papierberg neben mir schrumpft nur langsam. Ich habe Angst, daß meine berufliche Gelassenheit Mangel an Biß ist und bedeutet, daß ich den Laden vielleicht grade in die Scheiße reite.
Auf dem Loungesofa vor dem Schreibtisch liegt mein Kind. Sie hat sich heute morgen zwei Weisheitszähne ziehen lassen und ich bemuttere meine Kleine. Koche Tomatencremesuppe und mixe Bananenshakes.
HeMan ruft an. Er ist von München mit Freunden in die Dolomiten gefahren. Nun sitzt er auf zweieinhalbtausend Meter Höhe und berichtet vom Sonnenuntergang und von sieben Stunden wandern.

Das Leben ist schön.

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9 Gedanken zu „Home, sweet Home

  1. filmfest? den scheiß habe ich dieses jahr tunlichst umschifft. aber das alles klingt schön, wie eine weiche, bunte patchworkdecke

  2. offiziell filmfest. mit 1 1/2 geschäftlichen terminen in drei tagen. filmekucken haben wir gecancelt.
    ich habe in meinem leben so viele filme gesehen, daß ich unter angabe der personnage, des genres und des produktionsjahrs jeden film im kopf zusammenbauen kann.

  3. nachtrag: die schöne weiche patchworkdecke triffts. und gerade das macht mich nervös. es könnte mir ja zu gut gehen…

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