23 Montag und kein Schontag

Ein Bürotag und am Abend zwei Termine, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten.
Zuerst eine hochkarätige Podiumsdiskussion bei der Frauen-Union Berlin Mitte mit dem Titel „Chefin sucht Chefsessel“ – Was können Quoten ändern und wie kommen Frauen in Führungspositionen? Mit dabei waren eine Buchautorin, die aus dem Vorstandsetagen-Nähkästchen plauderte, eine Ministerialdirektorin aus dem Bundesfrauenministerium,  eine Unternehmensberaterin, die früher Kommunikationschefin in großen Läden war und ein Herr von Kienbaum und Partner.
Ich finde solche Diskussionen vor allem gut und informativ, wenn da wirklich Leute zusammen sitzen, die Erfahrung und etwas zu bewegen haben und keine Elfenbeinturmschwätzer und feministischen SandkastenspielerInnen. Ich habe interessante Fakten mitgebracht, die mir aber ziemlich das Nackenfell sträuben.

  1. Viele Frauen, die Karriere machen wollten, geben mit Mitte 40 resigniert auf. In diesem Alter sind Männer reif für die höheren Weihen und haben 10-15 Jahre mit höchster Macht, Position und Verdienst vor sich, in denen sie ihre Erfahrungen und Verbindungen nutzen können.
  2. Quote kann demnächst bedeuten, dass große Konzerne rechnerisch die (britischen, französischen) Frauen in Führungspositionen mit einbeziehen, die sie in anderen europäischen Ländern bekleiden.
  3. Sollte dieser Rechentrick nicht erlaubt sein, will man Frauen aus dem Ausland rekrutieren. O-Ton: Es gibt derzeit keine deutschen Frauen, die das Standing, die Biografie und die Qualifikation für einen Vorstandsposten haben. (Wir reden allerdings von Großkonzernen, nicht vom Mittelstand.)

Nun ist es nicht ausschließlich so, dass die bösen Männer schuld daran sind. Dann hätte die Männerverschwörung nämlich auch verhindern können, dass Angela Merkel Kanzlerin wird.
Aber diese (west)deutsche Denke, die mir allfällig entgegenschlägt, dass Frauen Rabenmütter sind, wenn sie Jobehrgeiz und Kinder haben bzw. Frauen unsexy sind, wenn sie nicht wesentlich weniger als ein Mann verdienen oder den höheren Titel haben, ist schon heftig. – Das Ergebnis davon ist unter Punkt 3 zu lesen. Die 50er Jahre lassen grüßen.
Es gab dazu auch noch eine Erläuterung der Dame aus dem Familienministerium. Auch die gewerkschaftlichen Bemühungen in den Lohnabschlüssen gingen immer in die Richtung, die (finanzielle und statusmäßige) Macht des Mannes in der Familie weiterhin zu gewährleisten.
Interessant, dass der Herr von Kienbaum dem Auditorium – Ärztinnen, Anwältinnen, PR-Frauen – erklären wollte, warum in seiner Unternehmensberatung so wenige Frauen arbeiteten: Die Arbeitszeiten wären so familienfeindlich. Man müsse auch mal am Wochenende was durcharbeiten und abends die Mails checken. Die Reaktionen der Damen kann man sich vorstellen. (Er hat übrigens ein Kleinkind im Haushalt und seine Frau arbeitet auch! – Als Tagesmutter.)
Ich habe genügend rosinenpickende Frauen erlebt, die immer im Hinterkopf hatten, dass sie , wenn es nicht so leicht läuft, wie sie es sich vorstellten, ein Kind kriegen und in Familie machen können. Ich habe aber auch erlebt, dass männliche Warmlufterzeuger mit entsprechendem Auftreten an einer ganzen Herde Frauen vorbei zogen (und als einzige im Studentenprojekt bezahlt wurden). Fakt ist, dass etwas passieren muss. Sonst kann ich Frauen nicht ernst nehmen, die jahrelang studieren und gute Abschlüsse nach Hause bringen, um dann ein hübsches Heim zu dekorieren und dem Bovarismus anheim zu fallen. Die Veränderung wird komplexer sein als „die müssen sich mal was zutrauen“ oder „die dürfen uns keine Steine in den Weg legen“. Das Leben in den Chefetagen wird sich ändern. Aber es wäre wünschenswert, wenn es endlich mal anfinge.
Ich hätte ja die Hoffnung, dass die Generation, die gerade in Wirtschaft und Politik antritt, schon per se anders tickt, in Sachen Frauen in Führungspositionen. Einige Dinge bei den Piraten (Stichwort Muschi- & Mimimi-Quote), lassen mich aber zweifeln.
Als für mich wichtigsten Rat nahm ich mit nach Hause, dass frau  sich beim Netzwerken auf gar keinen Fall auf reine Frauennetzwerke beschränken sollte, weil dort (noch) niemand wirkliche Macht hat und einen weiterbringen kann. Nicht sehr solidarisch den anderen Mädchen gegenüber, aber sinnvoll. Was ich mir sonst noch abgeschaut habe? Körpersprache, Redetempo, Selbstpräsentation, Satzbau.
Ich riß mich ungern los, denn der Abend war spannend.

Dann wechselte ich von Mitte nach Friedrichshain, ins Hops & Barley, wo die Iron Blogger die Bierkasse vertranken. Um den großen Tisch sitzend und Bier trinkend, Schmalzbrot essend, sprachen wir über Gott, die Welt und kranke Pferde. Der Graf ist nun auch Iron Blogger und muss wöchentlich schreiben bzw. für die Füllung der Bierkasse sorgen. Hihi.
Um halb zwei, nach einigen Schluß-Wodkas, bestiegen wir die Fahrräder und schlängelten uns in Richtung Mitte.