So, wieder ein Monatsfünfter, der beschrieben und bei Frau Brüllen verlinkt wird.
Der Graf stand um sieben Uhr auf und ich wand mich auch hoch. Ich hatte keinen Wecker gehört, was für mich ungewöhnlich ist, ich bin sonst beim ersten Klingeln wach. Ich machte ihm die Kaffeebombe fertig (so ein Emsa-Teil, aus dem man direkt trinken kann, das aber irgendwie aussieht wie ein Sprengkörper) und verbot mir, mich noch mal ein Viertelstündchen hinzulegen. Ich wäre unter Garantie erst nach zehn Uhr wieder aufgewacht.
Dann machte ich mir Frühstück. Joghurt mit Pflaumen, Pfirsich und Datteln und zwei Tassen Kaffee, sichtete Twitter, Ello, Facebook und die Zeitungen und begann danach mein Tagwerk. Was heißt, ich schrieb und textete. Derzeit für und über mich und das ist immer sehr unangenehm. Ich kann ja wunderbar die große Schnauze haben, aber wenn ich ganz nah rangehe an das, was ich mache, sehe ich ganz fix den Wald vor Bäumen nicht mehr und es kommen nur noch matte Worte raus.
Ich rette mich an den Kühlschrank, zu Käsebroten und Tomaten, aß aber nicht so viel, denn am Abend war ein Empfang mit Futter und Cocktails eingeplant.
Am frühen Nachmittag schrieb ich den Blogartikel über #rosahellblau und das war eine ganze Menge Denkarbeit und ein längeres Gespräch mit dem Grafen, der von der Arbeit zurückgekehrt war, zum Thema Entwicklung von Farben in Designs. Außerdem suchte ich mir einen Wolf nach den alten Kinderfotos und entdeckte, dass iPhoto ganz gern Bilder verschluckt bzw. Fotos, die ich schon mindestens dreimal gelöscht hatte, behält.
Mit dem Artikel gestern bin ich noch nicht ganz zufrieden, weil das Thema nur angeschrammt ist. Das ist der Nachteil vom Bloggen, es ist, wenn man in einer Materie nicht komplett drinsteht, zu schnell.
Ich würde die Thesen heute noch ergänzen um die Überlegungen, dass heute Kindern sehr viel mehr Anteil an der Entscheidung über Kleidung und Spielzeug zusteht. Das wissen die Hersteller ziemlich gut, deshalb benutzen sie genau die Aufmerksamkeits-Signale, die Kinder lieben: bunt, laut, blinkend, schrill und mit ihnen, ihren Freunden und ihren Lieblingsgeschichten verknüpft. Distinktion durch weniger auffälliges oder verfremdendes Design liegt Kindern total fern, meine ich, das ist Elterneinfluss.
Ich habe gestern auch nicht nach der Elternbotschaft gefragt, der hinter dem Wunsch steht, Kinderdinge und -kleidung mögen nicht gegendert sein. Die Kinder-Unisex-Dinge der in den 70ern und 80ern Aufgewachsenen öffnet meiner Meinung nach zwar die Welt der Jungen für die Mädchen, umgekehrt aber – außer langen Haaren – sind die Jungen nicht unbedingt in der Mädchenwelt unterwegs gewesen.
Dann las ich noch ein paar Tweets dazu – eine schrieb, sie habe ihre burschikose Kleidung überhaupt nicht gemocht, die andere fand sie ok., fand aber nicht gut, dass sie für einen Jungen gehalten wurde. Ging mir ja nicht anders, als Jungsmädchen unterwegs zu sein, gab mir viel Freiraum, verwehrte mir aber auch viel, das ich interessant gefunden hätte.
Am Abend hübschten wir uns dann und radelten zur Eröffnung von Analog Mensch Digital im Direktorenhaus. Vor dem Eingang standen gut zweihundert Studenten, Bohemiens und Adlati und ich dachte, prima, wir stehen auf der Gästeliste und wollte vorbei, bekam aber vom Türsteher (der Deutsch verstand, aber ausschließlich Englisch antwortete, auch wenn er auf Deutsch angesprochen wurde, eine ganz besondere Form von kulturkolonialistischer Schnöseligkeit, ich fühle mich da immer ins Berlin des Alten Fritz zurückversetzt, wo wer dazugehören wollte, französisch sprach) gesagt, die stünden alle auf der Gästeliste.
Joa und so wars dann auch. Menschenmassen in den Räumen, es hingen irgendwo Dinge, einige waren auch ganz nett, waren aber verstellt von bärtigen Männern in Karohemden und dünnen Frauen mit sehr rotem Lippenstift. Aus allen Ecken kam elektronische Musik, ich sah dann auch die Quelle (eine Frau übrigens, da ich neulich über Parität in Tech las), aber da war ich schon voll damit beschäftigt, in den engen dunklen Räumen langsam zu atmen, damit ich in dem Gedränge keine Panikattacke bekam.
Wir gingen dann bald, am Eingang begegneten uns die letzten Menschen, die mit uns im Pulk gestanden hatten und wir wurden wiederholt gefragt, warum wir denn schon gingen. Ja, was soll man da sagen außer „zu voll“ und das „haut mich nicht vom Hocker“ kann man sich sparen.
Letzten Endes sind das Networkingveranstaltungen, da stellt sich jemand als bedeutend dar, in dem er mit einer riesigen Einladung an alle Design- und Grafikschulen Gedränge produziert und lässt sich das Ganze von einem Stockbildproduzenten sponsern. Daß die Leute mehr oder weniger Komparsen sind happy sind, dazugehören zu dürfen, danach fragt doch kein Mensch.
Nette und sicher wirksame Idee, aber solche Massenauftriebsinszenierungen waren schon in der Filmbranche nicht meins.*
Wir fuhren rüber zur Fischerinsel und setzten uns am Ufer in ein Café, das Berliner Kontrastprogramm bot. Buletten mit Kartoffelsalat, Bier und am Nebentisch eine leicht angesoffene Nachfahrin von Edith Hancke.
Dann radelte wir quer durch Mitte zurück auf unseren Berg und ich war vor zwölf im Bett.
Und hier sind die anderen Einträge.
* Ich erinnere mich da an einen Abend im Cookies, wo ein Castingbüro sein fünfjähriges Bestehen feierte und die Agenten auf der Gästeliste standen. Ab 22 Uhr wurde dann eine Riesenherde zahlender Gäste eingelassen, alles Leute, die entdeckt werden wollten. Da brauchte es nicht mal einen Sponsor.
Irgendein bekokstes, dürres Hübsch-Mädchen bot mir Prügel an, weil ich sie an der Bar nicht vordrängeln ließ. Das war dann der Moment, wo ich sie darauf hinweisen musste, da sie zu Leuten wie mir besser freundlich sein sollte, wenn sie auf der Suche nach einem Agenten ist.
Sehr gut geschrieben, Miss Kitty.
So ähnlich habe ich es auch erlebt. Die Kindheit war auch im Westen geprägt von selber-nähen.
Es gab nur teure Kinderkleidung zu kaufen, die sich kaum jemand leisten konnte. So wurde gestrickt in Kratzewolle und genäht in Juckwolle.
Meine Mutter ist ja vom Fach und hatte als Directrice in der Kindermodenindustrie gearbeitet, Schnitte entworfen und Modenschauen organisiert.
Nach der Heirat hat sie aufgehört zu arbeiten, ein anderer Wohnort und auch das Bedürfnis aus der Tretmühle der Kollektionen rauszukommen waren die Gründe.
So nähte sie für meine Schwester und mich Latzhosen aus gestreiftem Baumwolltwill und Samtkleidchen aus waschbarem Baumwollsamt.
Wir waren sehr chic und sehr praktisch angezogen. Doch wir fielen immer auf.
Ich hätte in der Pubertät so vieles für Jeans und Parka gegeben, und trug doch die neueste Mode.
Später genoss ich es, stilsicher zu sein, immer neue Stile auszuprobieren, und immer meinen zu finden. Samt liebe ich noch immer. Ausgefallenen Schmuck auch.
Doch seit drei Jahren habe ich vier Jeans , ein paar Leinenblusen und ein paar Strickwestchen, die ich trage. Ich musste überleben, meine Kraft war nach innen gerichtet. Seit es mir besser geht, ändert sich das wieder. Bin gespannt.
Vielleicht fange ich die Näherei ja wieder an, die ich nur mit Widerwillen betrieben habe. War ja immer nur der Lehrling meiner Mutter, kein guter und voller Widerspruchsgeist.
Danke! :)
Das mit den Überlebensklamotten kenne ich auch. Bei mir waren das Jeans und Kapuzenpullover. Damit ich mich bei Bedarf verkriechen kann.
Ich würde es nur begrüßen, wenn Sie wieder anfingen zu nähen, es macht einen Riesenspaß.
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