Irgendwann nach Mitternacht und vor dem Schlafengehen bemerkte ich, dass gestern der 5. war. Der Tag, an dem Frau Brüllen fragt, was man denn die ganze Zeit gemacht hat.
Da ich von morgens bis abends zu tun hatte, hatte ich das komplett vergessen. Also wird es heute nachgeholt.
Gestern schlief ich aus, was heißt, ich sagte meinem inneren Faulpelz beim Aufwachen um 9:30 Uhr, dass wir jetzt nicht mehr weiter schlafen.
Dann frühstückte ich Joghurt mit Banane und Datteln, trank zwei große Tassen Kaffee und las ganz in Ruhe ein paar Neuigkeiten im Internet.
Inzwischen war der Graf aufgestanden, der wenn die Umstände es erlauben, ein Nachtmensch ist und wir machten unverzüglich eine kleine Gegenstände-Fotosession. Diese Gegenstände-Fotos brauchen Tageslicht und mit Licht wurden wir letzte Woche nicht so richtig verwöhnt und nun schien die Sonne.
Also bügelte ich zwei Hintergründe, der Graf richtete das Licht aus und fotografierte, ich zupfte und drapierte und schnell waren 200 Fotos gemacht. Gott sei Dank wähle ich das nicht aus, mir läuft von zu vielen Fotos gern der Arbeitsspeicher über. (Worum es geht, das steht später im Text.)
Kurz nach Mittag tauschte ich die Rumwusel-Schlumpersachen mit etwas Stadtfeinem, bürstete mir die Haare, malte mir Farbe ins Gesicht und wir machten eine Spazierengeh-Runde in den Prenzlauer Berg, zum Kollwitzmarkt. Das ist nicht unbedingt unsere Go-Area, weil die Leute auch in Eppendorf und am Viktualienmarkt so aussehen (und glauben, das jeweilige Gegenüber sei authentisches Berlin). Aber wir wollten schauen, was der Markt kurz vor Weihnachten so anbietet und ich brauchte ein Kilo Boskop-Äpfel.
Wir liefen von Stand zu Stand, es roch nach Bratwurst und buttrigem Blechkuchen und wir bekamen auf der Stelle schrecklichen Hunger. (Also der Graf wirklichen, weil er nie frühstückt und ich Solidaritätshunger.) Wir nahmen ein knuspriges Ciabatta mit Spanferkelbraten und einen Glühwein zum Aufwärmen, denn mittlerweile war die Sonne weg und es wurde kühl.
Meine Entdeckung dieses Tages war ein Händler, der wunderschöne bespielbare Kinderbücher aus Stoff anbot. Das schönste war eines mit einer Schlafengeh-Geschichte, in der ein kleine Teddy-Figur in den Pop-up-Seiten in Räume gehen konnte.
Mit anderthalb Kilo Äpfeln machten wir uns auf den Rückweg. Inzwischen wurde es dunkel und es war gegen halb vier. Der Graf ging zum Aufwärmen in die Badewanne und ich machte einen Mürbeteigboden, den ich in die Tiefkühlung stellte und testete meinen Grundschnitt für einen schmalen Rock, den ich lange nicht mehr benutzt hatte. Durch den Arbeitsstreß im Sommer trage ich ein paar Kilo mehr mit mir herum, die nur langsam gehen, deshalb nähte ich den Nesselschnitt als erstes zusammen, um die Passform zu testen. Mein Plan ist es, eine Art Tournürenrock zu nähen. Ich hatte auf dem Markt am Maybachufer einen mit Blumen bedruckten Fischgrat-Tweed erbeutet, den zu ich so etwas ähnlichem wie dem Rock in diesem Blogpost verarbeiten wollte.
Mit einer kleinen Korrektur in der Taillenbalance funktionierte der Rockschnitt auch noch. Ob ich dann nicht wie ein monströses Tweed-Sofa aussehen werde, wird die Nähpraxis entscheiden.
Gegen halb 7 begann ich, eine Tarte Tatin zu backen. Am zweiten Advent ist das traditionelle Treffen der Mieter unseres Hauses, zu dem jeder etwas zu Essen beisteuert. Diesmal wollte ich etwas Fruchtiges mitbringen und keinen Stollen oder Kekse.
Als der Kuchen im Ofen war, bereitete ich das Abendbrot vor. Ich packte den Kartoffelbrei mit Buletten und Möhrchen in eine Auflaufform, die in den Ofen kommen sollte, wenn der Kuchen fertig war. Dann widmete ich mich wieder dem Rock. Ein Meter rosa Baumwollsatin kam in die Wäsche, daraus werden das Futter, Paspeln und Schrägstreifen zum Versäubern der Innennähte und vielleicht Rüschen gemacht.
Um Viertel nach 8 aßen wir und danach nahmen wir wieder den Gegenstand in die Hand, den wir am Mittag liegen gelassen hatten. Der Gegenstand ist ein Stiftetui, beziehungsweise mehrere und hat eine Geschichte.
Der Graf sitzt oft in Kaffeehäusern und schreibt und plant, er hat dort und auch bei anderen Terminen gern sein kleines Büro dabei – Stifte, ein Tablet, einen Touchpen, ein Notizbuch und Zettel. Und er nimmt, wie viele andere Männer, nicht gern eine große Tasche, um alles unterzubringen. Deshalb sind die Dinge, die er auf seine Gänge mitnimmt, in kommode Stoff-Etuis in schlichtem, reduziertem Design verpackt, die er sich unter den Arm klemmt oder in die Jackentasche steckt und oft selbst entworfen hat.
Ich begleite diese Ideenumsetzung in guter Arbeitsteilung an der Nähmaschine. Die Suche nach einer schönen Anmutung, der idealen Größe für die Hüllen, nach passenden Klappen und Schließen und dem Stand, den das Material bekommen soll, das sind die Dinge des Grafen. Ich habe keine Geduld für solche Details und kümmere mich lieber um scharfe Ecken und knappkantige Steppnähte. Für die Stoffe gingen wir gemeinsam auf die Suche, der Graf arbeitet bei Entwürfen gern mit edleren Materialien.
Letzte Woche entstand nach einigen Testexemplaren das roll- oder faltbare Stiftetui aus japanischem Kimonostoff mit traditionellem Seigaiha-Muster mit verschiedenen Verschlußbändern. Ich wollte auch unbedingt eines haben und damit es nicht bei den beiden Exemplaren bleibt, bestimmt noch andere Teile folgen und wir alle im Weihnachtsgeschenkerausch sind, setzten wir uns gestern um 21 Uhr hin und eröffneten endlich den Shop Schöne Klare Dinge, von dem wir seit gut anderthalb Jahren redeten.
Das beschäftigte uns bis weit nach Mitternacht, denn einfach ist das nicht. Texten und Fotos einstellen geht noch, die Paypal-Anbindung ist ein wenig trickreich, aber die Preiskalkulation beschäftigte uns ziemlich. Bei recht teuren Materialien (die japanische Stoffe kosten um 17€ der Meter und liegen nur 1,10m breit) läuft man schnell über die üblichen DIY-Artikel-Preise hinaus. Und im Freizeitbereich vergisst man dann auch ganz gern, dass in dem Preis noch die Mehrwertsteuer inkludiert ist, die wir beide, die wir sonst immer im B2B gearbeitet haben, sonst als durchlaufenden Posten kalkulieren konnten. Wir sind dann als Startpreis glücklich unter 20 € gelandet.
Das war dann schon um nachts um halb 1 und ich schwächelte zusehends. Momentan pendele ich immer noch zwischen vom Sommer ausruhen, den Winterdepri in Schach halten und in Struktur und Disziplin bleiben, da kommen mir solche Arbeiten als Ergotherapie sehr entgegen.
Aber der Tag hatte es schon in sich, wenn auch mit Ergebnissen, die sich sehen lassen können. Und so ging ich gegen 1 Uhr zu Bett.
Ach so, der Kuchen. Den habe ich natürlich nicht im Ofen vergessen und rechtzeitig auf einen großen Teller gestürzt. Da der Rand etwas bröselte, habe ich sogar schon einen Löffel voll davon kosten können. Denn wenn der heute Nachmittag auf dem großen Tisch steht, ist er sehr schnell alle.
Das wars mit dem letzten WMDEDGT für 2015, die anderen Blogposts sind hier verlinkt.
ich mag diese Kategorie, denn so erfährt man immer mal wieder, wie es euch so geht. lg die rosmarin
Laß und mal telefonieren, wenn du von deinen ausgedehnten Touren zurück bist. Ich bin ja wieder von dieser Welt.
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Schwerstens verliebt in das mobile Büro. Ich bin ja resistent analog was den gesamten schöpfungsprozess angeht. Allenfalls Inspiration wird in digitaler Form geordnet. Also gebe ich so eine schöne Rolle mal als Tipp an die diversen Weihnachtsmänner und -frauen in der Familie weiter. ;-)
Danke! Das ist doch prima!
Hah, das ist doch mein Stiftetui, das ich seit Jahren im täglichen Einsatz habe! Dunkelblau (was sonst?), dasselbe Muster. Superpraktisch, allerdings hat meins nicht so ein schönes, rotes Band, und es ist innen uni gefüttert. Gekauft habe ich es damals bei Jetpens, aber Eures hat die bessere Fächeraufteilung, denke ich. Ich hab‘ mir mal ein Eselsohr in den Browser gemacht.
Na das freut mich doch!