Das letzte Wochenende führte mich und einen Tag später auch den Grafen ins Paradies.
Primavera nahm wie jedes Jahr mit dichterGarten an Offene Gärten Mecklenburg-Vorpommern teil. Was hieß, dass bei gutem Wetter um die 400 Besucher erwartet wurden.
Primaveras Garten ist in den 10 Jahren, in denen sie an seiner Gestaltung arbeitet (meist allein übrigens) eindrucksvoll schön geworden. Mit Blickachsen in die Landschaft und verwinkelten kleinen Plätzen und manchmal beidem zugleich – verborgenen Winkeln, von denen aus weit übers Land geschaut werden kann. Dann wieder gibt es verrückte und liebevolle Details – Wer kommt schon sonst auf die Idee, in eine efeubewachsene Mauer einen Spiegel zu hängen, neben der Waschschüssel aus grünem Glas und einer eichnen Badewanne?
An Ruheorten waren Texte zu entdecken und jeder dieser Orte hatte seine eigenen Farben in Möbeln, Decken, Kissen, Geschirr und Getränken.
Was aber zunächst hieß, dem Garten am Freitag den letzten Schliff zu verpassen. Ich kam zu spät und machte nur noch ein wenig Workout mit dem Rasenmäher. Primavera hatte einige Tage vorher so lange es hell war gearbeitet. Dann kochte ich zwei riesige Töpfe Kartoffelsuppe, denn die Bewirtung der Besucher ist selbstverständlich.
Drei plaudernde Frauen in der Küche. Es war eine liebe Jugendfreundin dabei, G., die ich 15 Jahre nicht gesehen hatte.
Am Samstag ging es früh los, wir richtete die Plätze her und machten Melissen- und Pfefferminztee, Ayran, Fruchtbowle und Apfelsaft fertig. Verteilten Karaffen, Gläser, Servietten und seitenweise Gedichte und Prosa über 4000 qm. Ein kleines Buffet mit Kaffee, Kuchen und Suppe wurde aufgebaut und kurz nach 10, wir waren gerade fertig, standen die ersten Leute auf der Wiese.
Gegen 11 Uhr fuhren G. und ich erst los, um die Wegweiser aufzustellen, schwere hölzerne Riesentrümmer. Als wir sie festbanden, wiesen wir Leuten schon winkend den Weg.
Es waren ganze Heerscharen gekommen und der Graf brachte bei seiner Anreise noch weitere Kartoffelsuppenzutaten mit. Wir sammelten Geschirr ein, spülten ab und stellten es wieder hin. Einige saßen stundenlang auf Lieblingsplätzen. Um 18 Uhr war erst einmal Schluss.
Wir zündeten ein Feuer an, nahmen uns Bockwürste und Tomaten, spießten sie auf Zweige und hielten sie in die Glut. Dazu gab es Rosmarinkartoffeln.
Es wurde kalt und windig, wir gingen bald schlafen.
Am Sonntag morgen trockneten wir erst einmal verregnete Lyrikblätter und feuchte Kissen.
Bei diesem Wetter war es der Tag der hartgesottenen Garteninteressenten, meist weißhaarig und in Wetterjacke. Es regnete immer wieder, sitzen und lesen war nicht so angesagt. Eher Garten anschauen, etwas fachsimpeln und sich anschließend mit Kaffee und Suppe aufwärmen.
Ich kochte eine Kartoffelsuppenvariante mit viel Lauch und dann noch ganz schnell, denn die Töpfe waren fast leer, eine mit Selleriegrün.
Wir stießen am Abend mit Sekt auf die doch recht gut gelaufene Sache an, denn G. und ich waren zwei noch nicht eingearbeitete Helferinnen. Dann backten wir Kartoffeln, Fenchel, Schoten und Lachs mit gedünsteten Zwiebeln und Beurre Blanc übergossen im Ofen. Dazu lief das Deutschlandspiel im Radio und wir arbeiteten weiter daran, uns leicht zu betrinken.
Ich widmete mich der übriggebliebenen alkoholfreien Bowle und pimpte sie mit Wodka.
Beim Versuch, mich über einem Kartenspiel wach zu halten, gewann ich versehentlich haushoch. Obwohl ich ganz mies spielen und verlieren wollte, um einen Grund zu haben, ins Bett zu gehen.
Am nächsten Morgen war es wieder etwas freundlicher und wärmer. Wir spazierten eine große Runde über die Wiesen, um vom Paradies Abschied zu nehmen und sprachen – aus Gründen – über die 3. Generation der RAF und ihr Ende in Bad Kleinen, gleich um die Ecke.
Dann ging es aus Holunder und Heckenrosenduft zurück ins olle, kalte, müffelige Berlin.