Vigil 77

Keine Ahnung, wie es passiert ist, aber irgendetwas hat leise *klick* gemacht. Mir geht es so gut, wie seit sechs oder sieben Jahren nicht mehr. Nicht dieses wütend-euphorische Wohlgefühl, dieser trotzig-triumphierende Boost, sondern ein leichter Fluss, mal langsamer, mal schneller.
Ich habe mir vor ein paar Wochen eine Zeit-Struktur gebaut, die zu funktionieren scheint. Ähnlich wie die, die ich früher hatte, nur kürzer. Mein Tag ist geteilt in konzentrierte Kopf- und lockere Handarbeit. Plötzlich ist er lang und es gibt Zeit für Pausen. Ich verzögere weniger und schaffe mehr, weil ich auf dem Weg dahin nicht herumtrödele. Ich habe kaum noch Durchhänger und wenn ich müde bin, schlafe ich eine Viertelstunde, so viel Zeit muss sein.
Allerdings hat das auch einen Preis. Ich kommuniziere weniger und bin sehr zurückgezogen. Social Media rauscht irgendwie vorbei und Twitter und Facebook interessieren mich kaum noch. Wenn ich jemanden im RL treffe, ist das intensiv und danach brauche ich eine Pause.
Wie weit das beruflich tragen wird, wird die Zeit zeigen. Aber ich fühle mich damit sehr wohl.
Mein Kopf ist irritiert über die Abwesenheit von Drama. In mir geistert eine olle Kassandra herum, die in leisem, nörgelndem Ton schlimme Dinge prophezeit. Krankheiten, Katastrophen und und Strafen.
Das geht doch alles so nicht. Mir kann es doch so einfach ohne übermäßige Anstrengung gut gehen.

Wie bescheuert ist das denn?

9 Gedanken zu „Vigil 77

  1. „Wenn ich jemanden im RL treffe, ist das intensiv und danach brauche ich eine Pause.“

    Geht mir auch so. Das ist der wahre Unterschied zwischen Introvertierten und Extrovertierten, die durch Begegnungen mit Energie aufgeladen werden. Es hat nichts damit zu tun, ob man Menschen mag oder schüchtern ist.

    Die eigenen Bedürfnisse zu kennen und das Leben danach zu gestalten führt zum Wohlbefinden. Du hast Deinen Weg wohl gefunden. Wie schön!

    Liebe Grüße,
    Henriette

    • Ja, das ist bei den Intros so. Andere Menschen treffen ist ja ganz schick, aber allzuviel ist ungesund. :)

  2. in einer wettbewerb- und leistungsorientierten gesellschaft ist es gar nicht so einfach es sich „einfach gut gehen“ zu lassen.

    die anderen hetzen um einen herum, wichtig, wichtig, ach, keine zeit, viel zu tun…….noch mehr zu tun…….

    es wurde uns nicht gelehrt – das wir bereits so wir wir sind – etwas wert sind.
    und das nicht erst durch einen job beweisen müssen.

    arbeit ist nicht nur im draußen geld zu verdienen – der weg zum inneren ist wahres gold wert.

    • Ich stimme dir zu. Aber auf der anderen Seite muss ich Geld verdienen, um davon zu leben. Ich kann das nicht auf meinen Mann abwälzen. Ich bin zwar derzeit etwas abgesichert, aber diese Zeit muss ich nutzen, um mir konstante Einnahmequellen zu erschließen, die mich nicht wieder aus dem Gleichgewicht bringen.

    • wenn du lange genug nach innen hörst und dir selber treu bleibst – dann wirst du eine geldquelle im außen finden – manchmal ist es nur nicht das, was wir uns momentan vorstellen können.
      be open minded :-)

  3. Ich glaube immer mehr, dass vieles davon abhängig ist, das individuell richtige Tempo zu finden und zu leben. In jeder Begegnung und in der Arbeit. Wie guter Wein braucht manches den Reifeprozess und anderes wie in der Musik den Gleichklang. Das ist auch Leistung – nur anders. Hartmut Rosa nennt das Lernen durch Anverwandlung. Schön, dass Du Deinen Rhythmus gefunden hast!

    • Ja, du hast sehr recht, das ist tatsächlich so und da ich nicht unbedingt diejenige bin, die feine Öhrchen für sich selbst hat, ist das ein großer Fortschritt.

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