Vigil 55

„Irgendwann möchte ich auch Kinder“

TW: Realität. In vielen Fällen. Nicht nett.

Und auf niemanden bezogen, keine Nonmention, das geht mir schon ewig im Kopf rum.

  1. Frauen sind auch ohne Kinder glücklich.
  2. Kinder beamen frau in eine andere Galaxis. Genau wie das Kind bei der Geburt in eine andere Welt rutscht, ist die Mutter danach in einer anderen Welt, wenn sie die Rolle als Mutter annimmt. Auch wenn frau phasenweise da wieder raus will.
  3. Natürlich können Mütter Kinder bei anderen Menschen lassen. Väter tun das doch auch.
  4. Menschen verändern sich mit akzeptierter Elternschaft. Ich finde, in den meisten Fällen zu ihrem Vorteil. Sie rutschen aus dem Zentrum ihres kleinen Universums in die Verantwortung für ein größer gewordenes Universum. Das macht reif und kompetent.
  5. Eltern wachsen mit den Aufgaben. Ein Kind ist kein Atomkraftwerk.
  6. Mit Anfang 30 ist es sicher ok., den Kinderwunsch noch aufzuschieben, einen Plan davon zu haben, ist trotzdem nicht verkehrt. Das ist nicht mehr das Alter für „irgendwann“. Dafür ist das Kinderbekommen von zu vielen Faktoren abhängig, die mittlerweile die Entscheidung für ein Kind bestimmen.
  7. „Ab 35 muss frau jeden Eisprung nutzen.“ Sagte der Arzt einer Freundin. Ich fürchte, er hat recht.
  8. Wechseljahre, Pflege der Eltern und Pubertät der Kinder zugleich ist schlechtes Timing.
  9. Wenn er sagt „Ich möchte jetzt noch nicht“ bedeutet das für eine Frau in den 30ern auch „Gegebenenfalls mit einer anderen, wenn ich Lust darauf habe und der Zug bei dir abgefahren ist.“ Das konsequenzenlos zu akzeptieren, kann für die Frau in den 30ern sehr unangenehm werden.
  10. Es ist verdammt unsexy, als Mann von einer Frau Ende 30 nach ein paar Wochen Bekanntschaft die Pistole umgehende Kinderzeugung auf die Brust gesetzt zu bekommen. So als letzte Gelegenheit.
  11. Es ist auch unsexy, von der ewigen Pubertät in die Midlifecrisis zu fallen und plötzlich bei jüngeren Frauen den Starbefruchter zu machen. Welches Kind möchte gleich nach dem Studium den Vater pflegen?
  12. Keine Frau ist gezwungen, aktiv zu verhüten, wenn sie eigentlich ein Kind möchte. Wenn ihr Bettgefährte das anders sieht, liegt die Verhütung in seinem Verantwortungsbereich. Sex und Zeugung hängen nun einmal zusammen, auch wenn das gern ignoriert wird.
  13. Das Gedöns um Social Freezing und das damit erweckte Gefühl, mindestens 15 Jahre gewonnen zu haben, ist meiner Meinung nach blauäugig.
  14. Ich habe in meiner Umgebung mehr jahrelange Tragödien um spätes Kindermachen erlebt als coole und entspannte späte Eltern. Das war selten allein abhängig vom Vorhandensein einer intakten Eizelle.
  15. Mit Mitte 30 ist nicht nur die Fruchtbarkeit auf dem absteigenden Ast, sondern auch andere körperliche Voraussetzungen für das Kinderkriegen. Ich hätte mit 37 nicht mehr ohne Gefahr schwanger werden können, mit 40 1/2 war es ganz vorbei. Bei vielen Freundinnen war das auch so.
  16. Fruchtbarkeitsbehandlungen können sehr teuer werden. Frau sollte nach Abzahlung von Studienkredit und Bafög unbedingt Geld im Wert eines Kleinwagens dafür zurücklegen.
  17. Mit 40 geht im Beruf der Run auf die oberen Sprossen der Karriereleiter los. Auch keine Zeit, um mit Riesenaufwand schwanger zu werden.
  18. Wir kaufen bio und versuchen gesund und natürlich zu leben, gehen aber per Fruchtbarkeitsmedizin auf einen medikamentösen Hormonparforceritt. Wie geht das zusammen?
  19. Machen wir uns nichts vor. Eizellspenden und Leihmutterschaft sind eine neue Form der Ausbeutung von Frauen in armen Ländern.
  20. Edit: Zwischen Ende 20 und Anfang 30 Kinder zu bekommen, bedeutet in 80% der Fälle weniger Party und kopfloses rumhühnern, mehr nicht. Das lässt sich 20 Jahre später nachholen.
  21. Die Verantwortung für das Kinderbekommen zur rechten Zeit kann nicht allein bei den Frauen liegen.

24 Gedanken zu „Vigil 55

  1. In vielem Stimme ich zu. Persönlich lebe ich es aber anders.
    Ich bin 40 und mit dem 3ten Kind in der 11ten Woche (Kind 1 ist 4, Kind 2 ist 2,5 Jahre). Alles Wunschkinder. Aber dann ist gut. Bin Vollzeitmama und um danach einen Job zu finden mache ich den Bilanzbuchhalter.
    Mit 30 wäre ich ganz sicher keine bessere Mutter gewesen.
    Mit kleinen Kindern Großeltern mit Zeit zur Verfügung zu haben ist Gold wert. Bei uns leider nicht der Fall. Eine Seite steht noch im Selbstständigen-Berufsleben, die andere Seite lebt nicht mehr. Bei vielen wohnen die Großeltern eh heute ganz woanders.
    Pubertät der Kinder kann auch von Wechseljahrsbeschwerden ablenken.
    Um mit 30 nicht ständig die biologische Uhr ticken zu hören habe ich für mich beschlossen mich zwischen 38 und 40 für oder gegen Kinder zu entscheiden; mit oder ohne Mann. Ausserdem habe ich ehrenamtlich Kinderturnen im Verein gemacht.
    Es gab auch in früheren Zeiten Ehen die ohne Kinder blieben. Heute hat man die Möglichkeit was dagegen zu unternehmen und es wird mehr gedöns drum gemacht.
    Und jetzt muss ich kucken – meine Mädels sind gefährlich still…
    LG
    Martina

    • Ich finde das eine gute Überlegung, die Kinderfrage erst einmal nicht von einem Mann abhängig zu machen. Das macht frei.

  2. Hier meine Thesen/Erkenntnisse aus dem Mittelschichtghetto:

    1. Jedes Jahr mache ich eine informelle Umfrage über Familie mit 17/18-jährigen. Die Mädchen wollen fast alle 2 Kinder und dann Teilzeit arbeiten, um Zeit für die Kinder zu haben. Der Mann soll Vollzeit arbeiten. Das ist ein Familienmodell, das ihnen sinnvoll und erfolgreich vorkommt. Die Jungs – die meisten möchten Kinder und dasselbe Modell.

    2. Bei Erwachsenen ist der Kinderwunsch, soweit ich das aus dem Bekanntenkreis sehen kann, kein Männerthema, sondern ein Frauenthema. Außer bei recht jungen, betont progressiven Paaren geht der Kinderwunsch von der Frau aus. Der Mann macht, meist mäßig begeistert, mit. Wundert mich nicht – der Mann gewinnt ja nichts bei der Sache. Keinen Zugewinn an Status, keinen Zugewinn an finanziellem Spielraum, zu erwarten sind Chaos und die geteilte Aufmerksamkeit der Frau. Und sollte es ihn mit 50 doch noch überkommen, kann er die Frau austauschen.

    3. D.h. es ist Illusion für die meisten Frauen, sich eine 50:50 partnerschaftliche Aufteilung der Carearbeit vorzustellen. Im Ernstfall ist das Kind eher IHR Projekt, und sie wird die meiste Verantwortung tragen. Es muss ihr klar sein, dass sie im Worst Case die Kinder alleine aufzieht und der Typ nicht mal freiwillig und verlässlich Unterhalt zahlt, geschweige sich um die Kinder kümmert.

    4. Wenn die Frau Kinder will, muss sie darauf eingestellt sein, sich massiv dafür auf die Hinterbeine zu setzen. Sie darf nicht darauf warten, dass der Mann plötzlich seine Ader dafür erkennt. Und SIE hat ein kleineres biologisches Fenster als der Mann.

    5. Ich hatte ein Kind mit 20, eins mit 40. Mit 20 war keine gute Zeit, würde ich nicht mehr machen. JEtzt funzt das. Aber ein paar Jahre früher wären schon noch snnvoll gewesen (Zeit für Kind 3), bloß dazu kam die Erkenntnis zu spät, dass ich die treibende Kraft sein muss.

    6. 40 ist das neue 30. Die Schwangeren, die meine Frauenärztin betreut, sind zu 50% 40 oder über 40. Sie meint, es gäbe nicht mehr Probleme als früher. Aber natürlich sieht sie die Leute, die verzweifelt von Kinderwunschklinik zu Kinderwunschklinik ziehen, nicht. Trotzdem – früher scheint mir einfacher.

    Ich hab sicher was vergessen, aber Kind 2 maunzt.

    Ach ja, ich hätte Sie gerne als Familienministerin, wär das nicht was für Sie? Sie haben sowohl klaren Blick als auch gedankliche Unabhängigkeit.

    • Danke. :) Aber das Problem ist, dass man, so man auf einem Ministerposten angekommen ist, sich keine Unabhängigkeit mehr leisten kann. Dann ist man voll drin im Parteienfilz.

    • Das ist seltsam. Jemand empfiehlt Sie als Ministerin. Und Sie denken sich eine mühsame Parteikarriere dazu.

    • Das ist in der Tat ein bisschen bescheuert – hat aber einen realen Hintergrund. Vor mehr als 15 Jahren wollte ich mal in den Bundestag und Ministerin wäre ich auch gern geworden. Ich war natürlich noch sehr weit davon entfernt, aber die Konstellationen waren günstig und ambitionierte Frauen gesucht. Ich hätte es schon ein Stück weit schaffen können, wenn auch nicht bis zur Ministerin.
      Der Politikbetrieb und die Parteikarriere waren aber nicht mein Ding.

  3. so wahr.

    noch ein bisschen anekdotischer evidenz (mit n>10): verschiedene von mir befragte jüngere herren (20-30+) wollen „auf jeden fall!“ kinder. hake ich dann aber nach, stellt sich heraus: herstellen wollen sie welche.
    kinderkacke entsorgen, nachts aufstehen und elternabende besuchen sollen aber bitte die mütter, das sei doch eh biologisch so vorgegeben (echt, so gehört anno domini 2011). manN wäre ja dann auch für die familienfinanzen zuständig. das wäre ja dann auch wieder fair.
    die frage, was nach einer trennung/scheidung wäre, wollten sie nicht hören.

    passend zum oben gesagten („fairness“ bei der verteilung von kohle und care) treiben sich auch in meinem umfeld die „prachtexemplare“ herum, die sich nach der trennung von den kindsmüttern arm rechnen (oder schlicht zu doof sind, mit sich selber und den eigenen finanzen klarzukommen) und nicht mal den mindestunterhalt regelmäßig zahlen. daher würde ich punkt 4 nur begrenzt zustimmen.
    punkt 11 fällt in so einem fall mit hoher wahrscheinlichkeit auch aus (wobei sich da dann gern die neue, 20 jahre jüngere partnerin einbringen kann).

    und: punkt 12 möchte ich gern an allen plakatwänden aller städte und dörfer sehen.

    • Sind die Prachtexemplare nicht auch das Sozialisationsergebnis aus Dorf und Osten?
      Wäre ich noch mal jung, würde ich dieser „natürlichen“ Arbeitsteilung durchaus zustimmen. Dann müßte aber auch seine Leistung der meinen entsprechen.
      Die „traditionelle“ Arbeitsteilung hat leider den Nachteil, dass sie nicht beachtet, wer eigentlich das Potential für finanziell erfolgreiche Erwerbsarbeit hat. Ich kenne da genug Männer, die überlastet rumstümpern und im Haushalt besser aufgehoben wären.

    • ausm dorf: ja, zum teil. nicht alle.
      ausm osten: ja, die eltern waren noch echte ossis. die jungmännlein sind bj. 84/85 und jünger.

      die sache mit der leistung: so wahr!! (einer der genannten junghengste ist so ein luschi, bei dem ich immer wieder staune, dass er sich ohne anleitung die schuhe zubinden kann.)

  4. „Keine Frau ist gezwungen, aktiv zu verhüten, wenn sie eigentlich ein Kind möchte. Wenn ihr Bettgefährte das anders sieht, liegt die Verhütung in seinem Verantwortungsbereich. Sex und Zeugung hängen nun einmal zusammen, auch wenn das gern ignoriert wird.“

    MIMIMI, Es ist mein Körper, und ich habe volles Recht über ihn! Ich darf abtreiben ohne zu fragen!
    Oh, aber die Verantwortung für die Verhütung übernehme ich ich trotzdem nicht. Will nur die Rechte und nicht die Pflichten! °^°

    Frauen = Intellekt einer Klobürste

    • Wer hier den Intellekt einer Klobürste hat, wäre noch zu diskutieren.
      Wer kein Kind will, übernimmt die Verantwortung für die Verhütung. Damit es keine unangenehme Schuldzuschieberei gibt. Auch Männer mit minderem Intellekt können das lernen.
      Wer Sex mit FRauen im gebärfähigen Alter haben möchte, muß für eventuelle Kinder gradestehen.

    • Mr. KK, Sie haben’s offensichtlich nicht verstanden, worum es geht.
      Aber auch durch die Beleidigung haben Sie sich elegant selbst disqualifiziert.

  5. Ich finde deinen Text super und würde ihn gerne einigen jüngeren Kolleginnen um die 30 die “ vielleicht irgendwann“ mal Kinder wollen, unters Kopfkissen schieben. Dieselben Kolleginnen ziehen aus den aktuellen Mutterschaftsdebatten auch nur raus, dass Kinder unglaublich anstrengend sind und man ALLES für sie aufgben muss, das macht ihnen die Idee nicht gerade attraktiver. Ich hab auch inzwischen genug Freundinnen Um die 40 die jetzt leiden, weil es nicht mehr so leicht ist mit schwanger werden, die mit 30, 35 auch noch tiefenentspannt waren. Mehr Klartext wie von dir wäre also super aber wird auch nicht so gerne gehört. Lg Catherine

    • Naja, ich habe ein bisschen die Gnade des Alters und des erwachsenen Kindes, da kann ich die große Klappe haben. Einfach war es nicht, trotz großartiger Unterstützung eines sozialen Vaters und meiner Eltern, sonst würde ich nicht mit etwas über 50 so erschöpft sein.
      Ich verstehe Frauen, die noch wichtige Karriereschritte gehen wollen. Wer Partnerin in einer großen Anwaltskanzlei oder Unternehmensberatung werden will, kann das mit Kind nur, wenn es Personal oder einen Mann, der einem ohne Wenn und Aber den Rücken frei hält, gibt. Ansonsten muß das eben aufgeschoben werden, bis das geklärt ist.
      Aber es gibt so viele, die vertun ihre Zeit, die sie biologisch nicht immer garantiert haben. Auch mit Männern, die sicher inspirierend und anregend sind, aber halt Spielgefährten und niemand für ernste Pläne.

    • Ich hab mich unlängst lang mit meinem Mann über unsere Sozialisation unterhalten und stellte verblüfft fest, dass er als Junge eine viel realistischere Erwartung eingeimpft bekam als ich als Mädchen.
      Junge: „Familie kostet Geld, du brauchst einen Job, mit dem du eine ernähen kannst. Und dann bleibt halt wenig Zeit für die Familie. Ist so.“
      Mädchen: „Du schaffst alles, was du willst! Kind und Karriere! Geht doch toll! Folge einfach deinem Herzen, tu dein Bestes, gerne auch bei IRgendwas mit Medien, und als starke Frau kriegst du das alles gebacken. *glitzer *regenbogen *geigensolo“
      Ich hätte mich, glaub ich, mitunter weniger blöd entschieden, wenn mir irgendjemand die unangenehme Wahrheit (s. oben im Text und auch den Kommentaren) rechtzeitig verklickert hätte.

  6. Liebste Kitty,

    ich unterschreibe das alles so und halte fest: Am Ende ist es immer nur eine Frage der Partnerschaft. Wenn zwei sich einig sind, können Herausforderungen jeglicher Art ganz ganz klein werden…..

    • Ja und nein. Da man selbst 50% der Partnerschaft ist, ist das eigene Mindset schon wichtig. – Wobei sich das natürlich mit Partner der Partnerin ändern kann.
      Mit jemandem, der nicht mal von mittags bis abends planen und das auch durchhalten kann oder bei der geringsten Schwierigkeit wegrennt, sollte man keine Kinder in die Welt setzen.

  7. ein herr auf einem datingportal, um die fünfzig, erzählte mir, er wolle unbedingt ein kind, endlich und jetzt doch. gerne mit einer frau, die keine beziehung mit ihm will, weil er in einer polyamoren geschicht leben würde, und da wären halt schon zwei frauen, die eine hätte schon große kinder, die andere wolle jetzt keine mehr. er liebe sie beide, auf seine art, mit einer neuen hätte es schon fast geklappt, aber dann sei sie abgesprungen und hätte ihn einfach so zurückgelassen, deshalb sei er jetzt hier unterwegs. er fragte sich, wo die ganzen frauen mit kinderwunsch wohl seien, und war wirklich verzweifelt. wusste gar nicht, was ich ihm wünschen sollte.

    • Oha! Ein moderner Harem! Und er wahrscheinlich als Reisesultan dazwischen, läßt sich mal hier mal da verwöhnen und durchfüttern. Da wäre es doch ein Gewinn auf seine Art auch ab und zu ein wohlgeratenes eigenes Kind zu besichtigen.

  8. ohne eine einzige entscheidung einfach alles haben wollen. worum ich ihn fast beneidet habe, ist die grosse selbstverständlichkeit, mit der er all das zu erreichen versucht, frei von verinnerlichten moralischen urteilen, die ich als frau immer noch zusätzlich mit mir herumschleppe.

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