Es ist Ende Februar und das Wetter macht den Anschein, als wäre der Winter vorbei. Wenn man ein paar Grad mehr herbeiphantasiert, ginge das Gespritze und Geplätscher vom Himmel als frischer Frühlingsregen durch.
Aber der gelernte Berliner weiß: Es wird noch mal richtig kalt. Vorzugsweise Ende März, wenn man die Winterklamotten schon auf den Speicher räumen wollte.
Das Leben an der Barnimkante spielt sich derzeit weitgehend im Vorbereitungs- und Planungsbereich ab. Es ist alles noch nicht spruchreif, weil kein Mensch weiß, wie und wann die Weichen springen, auf die wir gerade zufahren. Kann sein, dass das nächste halbe Jahr ganz easy und sortiert wird. Kann aber auch sein, dass nicht. Da der Graf ein großer Planer ist, was ich sehr schätze, da ich ja eher der Typ „schaun mer mal …oh hoppla!“ bin, werden Dinge berücksichtigt, die mir noch nicht im Traum einfielen, weil ich noch nicht davor stehe. Diese Recherchen und Gespräche brauchen viel Zeit und Energie. Ich krache abends ins Bett und bin sofort im Traumland.
Dem Kind mit dem Kindlein im Bauch geht es gut und ich muss mich mit dem Babyquilt langsam sputen. Aber der Stoff ist zumindest schon gefärbt und zusammengeklebt sind die Schichten auch schon. Nun geht es an die Nähmaschine.
Ansonsten begegnen mir Dinge.
„Meh, Ermüdungsbrüche von zu viel Sport, ich würde ja kürzer treten, wenn ich wüsste, wie ich sonst 10 Kilo abnehmen und das Gewicht dann halten könnte“ von einer ganz normal schlanken Frau.
Behelfshäuser von wohnungslosen Menschen unter Brücken und im hinteren Eingang zum U-Bahnhof Rosenthaler Straße eine Feuerstelle mit einem davor schlafenden betrunkenen Mann. Meine Reflexreaktion ist „Ich möchte das nicht.“ Ich will nicht, dass diese Stadt noch mehr verkommt. Und ich will nicht, dass diese Menschen auf der Straße leben müssen. Aber da wird es schon kompliziert. Große Städte ziehen Menschen an, die aus der Gesellschaft herausfallen und nur eine Unterkunft hilft oft nicht.
Ein Kampf um 10 Arbeitsstunden mehr, die immer nur für 8 Monate befristet gewährt werden, um vom qualifizierten und verantwortungsvollen Beruf leben zu können. Keine Berufsanfängerin. Eine Frau, die auf Mitte 40 zugeht, seit dem 19. Lebensjahr im Job fleißig, bis auf 3 Jahre Unterbrechung durch ein Studium, das gute Jobchancen hat. Wechsel? Schwierig. Wer wechselt schon von unbefristet mit Tarifvertrag auf befristet ohne Tarif?
Einen 90jährigen nach einem Herzanfall und einer Lungenentzündung in eine Reha stecken, damit er nach dem Willen der 25 Jahr jüngeren Gattin wieder fit gemacht wird. Gehts noch?
Und damit nicht alles so schrecklich klingt, schreibe ich noch auf, was schön war. Gulasch mit Pilzen und Rotkohl gekocht. Das Kind nach dem Schwimmen mit Suppe gefüttert. Tiefes Glück empfunden, angesichts des Umstandes, dass es einem Mann gibt, der mich liebt und den ich lieben darf. Und zwar nicht nur in Entsagung und Distanz oder mit „komm her – geh weg“, sondern ganz und real, mit alles und schafe Soße. Respekt und Erwartungsglück angesichts dessen, was demnächst passieren wird. Die Aussicht darauf, dass ich aus einer Geschichte besser rausgehe als erwartet und die 7 schlimmen Jahre damit endgültig vorbei sind. Auf dem Stoffmarkt die Rot-Phase eingeläutet, auch wenn ich grade eine schlimme Nähblockade habe und nichts für mich zuschneiden mag. Nach dem Putzen und Ölen einen Test mit der neuen alten Nähmaschine genäht.
Das Leben ist schön.
Ich les dich so gerne, liebe Jana. Du greifst immer wieder Gedanken auf, die mich auch grade umtreiben. Wir haben hier vorm Nachbahrhaus seit einigen Monaten 2 Obdachlose, die sich hier ganz häuslich eingerichtet haben. Was mir aufgefallen ist, innerhalb kürzester Zeit hatte sich ihr Equipment extrem verbessert. Einige Anwohner haben so wohl ihr Gewissen erleichtert. Aber ich weiß ja auch nicht, bin da zwiespältig, über die Gründe dieses Schenkens. In mir gehen die Tage auch ähnliche Gedanken rum, warum müssen Menschen auf der Strasse leben, oder im Müll nach Flaschen suchen?
Freu mich auch schon auf den Frühling um endlich wieder draußen in Brandenburg mit dem Bikey die Natur geniessen zu können. Und bis dahin: weitermachen :-) Wird schon! Immer schön eins nach dem anderen.