Doris Heinze hatte ein Jahresgehalt von 80.000 € und einen Pensionanspruch, dessen Berechtigung derzeit geprüft wird. Der Schaden, den der NDR beziffert, der sich daraus errechnet, daß H. als Fernsehdirektorin lediglich einen halbierten Honoraranspruch auf ihre Drehbücher hätte, hat die Höhe von 47.000 €, die reichliche Hälfte ihre Jahresgehaltes. Solch ein Betrag fällt in einem Filmbudget fast unter die Kategorie ein Tütchen Peanuts.
Wenn man sich weiterhin vor Augen führt, daß der Schaden, den Werbemanager Ruzicka angerichtet hat, ca. 49 Millionen € betragen soll, ist die Bereicherung der Doris Heinze nichts als eine halbe, müde Erdnussschale.
Wozu die Aufregung fragt man sich und hat auch ganz schnell das Wort Siemens im Mund und den Gemeinplatz, daß Deutschland schon längst und immer Tummelplatz von Korruption und Vetternwirtschaft ist. Wo es etwas zu verteilen gibt, da wird klammheimlich das private Scheibchen abgeschnitten. Das betrifft den Mitarbeiter im Bauamt oder den Einkäufer für den Großbetrieb genauso wie die öffentlich-rechtliche Tycoona. Wer wenig Geld für den Besitz von Macht bekommt, versucht diese zu Geld zu machen. Das ist halt menschlich…
Der Ruzicka-Fall hat es selten über die Wirtschaftsseiten der überregionalen Zeitungen hinaus geschafft, dem Fall Heinze widmet sich das Feuilleton, obwohl es kaum Neuigkeiten zu vermelden gibt, weil der NDR den Ball niedrig hält. (In einem anderen Fall von Bereicherung schweigt ein anderer Sender sogar ganz.)
Keiner will sprechen oder wenn er es tut, dann hat er nichts mehr zu verlieren, wie Heinzes geschaßte Lektorin Loretta Wollenberg oder der sich in Verschwörungtheorien gefallende Ex-Polizeiruf-Kommissarsdarsteller Uwe Steimle.
Dabei ist sich jeder, der Branchenwissen hat, im klaren darüber, daß die Drehbücher des Ehepaars Heinze/Lüders die Spitze eines Eisbergs sind.
Denn das ZDF agiert ganz offiziell so:
Für eine derartige Praxis gibt es ein Beispiel aus einem anderen öffentlich-rechtlichen Haus: Die Autorin Christine Rohls hat seit 1997 für das ZDF 65 Bücher für „Unser Charly“ geschrieben und 47 für „Hallo Robbie“ – Serien, die in der Hauptredaktion Unterhaltung und Wort angesiedelt sind. Diese führte bis 2007 ihr Ehemann, Claus Beling. „Ein transparenter Fall, der nach außen und innen klar war“, sagt ZDF-Sprecher Alexander Stock. Generell verlange das ZDF, dass „Geschäfte mit Verwandten“ der nächsthöhere Vorgesetzte, in diesem Fall der Programmdirektor, genehmigen muss. Außerdem müsse ein solches Engagement „gesondert begründet“ werden. Nicht zuletzt gilt – ähnlich wie beim NDR – die Regel, dass der unmittelbar zuständige Redakteur nicht der Verwandte sein darf.
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Aha, der Redakteur darf nicht der Verwandte sein. Der Chef darf es allerdings.
Beleuchten wir dieses von der ZDF-Intendanz abgesegnete Geschäft genauer, wissen wir, um welchen Deal es sich hier handelt. Für eine Folge eines 45-Minüters erhält ein Autor zunächst nicht viel Honorar, bei 100 Folgen (und damit einem unangefochtenen Monopol auf zwei maßgebliche Serien des ZDF) summiert sich das mit den Jahren. Doch viel wichtiger ist es zu wissen, daß mit jeder Wiederholung eines Filmes oder einer Serienfolge in der Regel wiederum Honorare ausgeschüttet werden. So häufig, wie die Affen- und die Robben-Serie wiederholt werden – die durch die Tierpräsenz von der Dramaturgie und vom Plot her ohnehin einfach gestrickt und somit schnell geschrieben sind – bedeuten die Autorenrechte an 100 Folgen eine kleine Lizenz zum Gelddrucken für das Ehepaar Beling/Rohls.
Frau Beling hat nicht schlecht verdient, mutmaßlich zwischen zwei und sechs Millionen Euro.
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Das ist noch immer weit von den Beträgen entfernt, die ansonsten bei „richtigen“ Insidergeschäften gemacht werden. Warum rege ich mich also darüber auf?
Weil es den Anfang und die Schwächsten der Verwertungskette trifft, die Autoren. Drehbuchautoren gehen auf eigenes Risiko in Vorleistung. Sie haben (so sie nicht als Lohnschreiber für tägliche Serien arbeiten) keine Position im sozialen Netz, sie müssen sich selbst renten- und krankenversichern, sie müssen aus Aufträgen Rücklagen für die nächste unbezahlte Vorleistung, in der Regel das nächste Treatment oder Exposé, bilden. Sie sind freie Künstler in einer Branche, deren Regeln industriell geworden sind.
Das Acht-Punkte-Papier „zur Optimierung bei Fernsehfilm und Hauptabendserie“ forderte damals die „konsequente Kontrolle und Durchsetzung der Vorgaben, Kriterien und Sendeplatzbeschreibungen durch die zuständigen Redaktionen in allen Stufen der Planungs- und Produktionsprozesse“ (epd 43-44/2000). Für die „Erzählweise“ wurde „durchgängige Verständlichkeit“ gefordert, sie soll „einfach, klar, auf keinen Fall verwirrend“ sein. Das Milieu soll „attraktiv, interessant, zumindest nicht abstoßend sein“. Auch für die Figuren gab es Vorgaben: „Zumindest eine Figur muss Träger von Sympathie und/oder Mitleid der Zuschauer sein.“ Verblüffend war an dem Papier auch, dass es Selbstverständlichkeiten als Negativkriterien benannte, die zu vermeiden seien: „Vermeintlicher und verquaster Tiefsinn“ etwa oder „unverständliche, unattraktive Anfänge“. Das Zuschauer-Bild, das sich hinter Vorgaben wie denen des Acht-Punkte-Papiers verbirgt, zeugt von einer großen Publikumsverachtung.
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Unter diesem Wust an Vorschriften ist von Freiheit des Autors nichts mehr zu spüren und Ideenklau, gerade bei simplen Genreplots, ist allgegenwärtig.
Wer dann trotzdem noch so verrückt ist, seine Stoffe in einem enger gewordenen Markt anzubieten (denn die Privaten produzieren kaum noch fiktionales Programm), ist abhängig von einigen wenigen Entscheidern.
(Nichts gegen deren Sachverstand, der ist unbestritten. Ich habe kein Problem mit dem als „Süßstoffpapier“ beschimpften 8-Punkte-Plan, hält er doch simple Genreregeln für ein wenig flexibles Massenpublikum fest. Zementiert allerdings damit auch die Entwicklung der Gattungen Fernsehfilm und -serie.)
Wenn ein guter Prozentsatz des Jahreetats vom Gatten oder der Gattin des Chefs absorbiert sind, wird es noch enger und es kann mir keiner erzählen, daß für diese Personen ein irgendwie gearteter Wettbewerb stattfand. Denn nicht umsonst sind diese Produkte simple und seichte Fernsehdutzendware, da sind keine audiovisuellen Leuchttürme dabei und noch weniger Herzblut. Das schreibt man für die Miete und das würden auch gern viele Autoren tun, die sich ansonsten für ihre anspruchsvolleren Stoffe engagieren.
Wo sonst, wenn nicht in Deutschland ist die Klage laut, daß es keine guten Stoffe und keine guten Autoren gäbe? Wo sonst, wenn nicht in Deutschland macht man lieber Fernsehredaktionskarriere mit Nebeneinkünften und Pensionsberechtigung, statt so hirnverbrannt zu sein, für Demütigungen und Selbstausbeutung kreativ zu sein?
PS:Besonders gea…t sind übrigens Autoren, in deren Filmen vor einigen Jahren Product-Placement versteckt wurde. Ein Gutteil dieser Produktionen liegt nun im Giftschrank und hat nur mit teurer Nachbearbeitung eine Chance auf Sendung bzw. Wiederholung. Da die öffentlich-rechtlichen Autorenhonorare sich erst bei Sendung und Wiederholung lohnen, ist vielen ein Schaden entstanden, der bis jetzt nicht ersetzt wurde. Aber das ist eine andere Geschichte…
Wollt ich auch grad sagen…danke.
Erinnert mich an die Geschichte von den drei Pokerspielern…Ein Neuer kommt hinzu, setzt sich, legt das Geld auf den Tisch und kriegt Karten. Schon bei der ersten Runde bekommt er mit, wie sich der Geber vier Asse von unten abzieht. Er protestiert natürlich und bekommt die lakonische Antwort:
„Naja…er war doch mit Geben dran, oder?“
ür den etwas bodenständigeren Blickwinkel auf die Causa Heinze und das deutsche Drehbuchwesen.
Weil das Stichwort „Ruzicka“ hier fällt, erlaube ich mir dazu ein paar Einlassungen, auch wenns nicht unbedingt zum eigentlichen Thema hier gehört. Man mag es in der Tat für unverhältnismäßig halten, wie hoch der Fall Heinze in der Tagespresse gehängt wird und wie vergleichsweise zurückhaltend über den Ruzicka-Prozess berichtet wurde. Man muss leider sagen, dass der Komplexitätsgrad der Anschuldigungen und Tatbestände den einschlägigen Sachverstand der meisten Wirtschaftsjournalisten weit übersteigt, und das sage ich ohne Häme als jemand, der wirklich versucht hat, dem Prozess zu folgen und zu verstehen, was da abläuft. Als langjähriger Autor der Werbefachpresse bringe ich sogar eine gewisse Vorbildung mit, mir sind die Usancen und die Akteure im Media-Business nicht ganz fremd, ich kenne auch einige der Berichterstatter-Kollegen, die regelmäßig in Wiesbaden der Verhandlung beiwohnten. Aber selbst für mich hat der Prozess mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, und ich wage die Prognose, dass es in der Revision nochmal richtig spannend und interessant wird. Aber ich kann es keinem Kollegen verdenken, der nach eingehender Sichtung „worum gehts hier eigentlich?“ dann doch die Finger davon lässt. Denn es besteht immer noch das nicht unerhebliche Restrisiko, dass die Dinge überhaupt nicht so sind wie sie scheinen. Was nicht heißt, dass Ruzicka ein Unschuldslamm wäre, aber die Art und Weise, wie die Agentur an der „Wahrheitsfindung“ mitgewirkt hat, reinigt nicht alle Verantwortlichen von dem Verdacht, das System Ruzicka jahrelang wissentlich geduldet zu haben. Er hat ja noch eine siebenstellige Abfindung bekommen als die anonyme Klage längst am Laufen war. Es soll wie ich hörte auch seitens der Agentur Versuche gegeben haben, einen der Berichterstatter, der auch nach der Rolle der Agentur und ihres Chefs Herrn B. gefragt hat, bei seinem Auftraggeber zu diskreditieren.
Und da habe ich über die Frage, ob nicht auch manches Zeitungs- oder Zeitschriftenhaus den Mediaagenturen Kickbacks zahlt noch gar nicht gesprochen…
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gute information. ich durfte ein oder zweimal kommentare zu sache von kollegen des herrn ruzicka hören. da hieß es auch, daß von einem schaden so gar nicht gesprochen werden könnte. (deshalb habe ich auch so vorsichtig formuliert).
mir scheint in beiden fällen ähnlich, daß die branche jemanden hochgehen ließ, der es übertrieben hat.
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ziemlich genau. Parallel laufen ja noch Ermittlungsverfahren in Sachen Bestechung/Bestechlichkeit gegen einige Repräsentanten der TV-Werbezeitenvermarkter und mehrere Mediaagenturchefs. Die haben es meines Wissens abgelehnt, das Verfahren gegen eine Zahlung von ichweißnichtwieviel Millionen einstellen zu lassen, weil das einem Schuldeingeständnis gleichkäme. Man ist wohl entschlossen, es drauf ankommen zu lassen – auch damit man künftig mehr Rechtssicherheit hat.
Ich behaupte (auch wenn alle naslang irgendwelche Kundenvertreter sich hinstellen und mehr Transparenz fordern), letztlich ist der Markt nicht wirklich an mehr Transparenz interessiert. Denn dann wäre auch offensichtlich, dass viele Kunden die Agenturleistung mehr oder weniger für umme haben wollen und die Agenturen damit geradezu ermuntern, andere Erlösquellen anzuzapfen und bei den Vermarktern die Hand aufzuhalten oder mit auf eigene Rechnung gekauften Werbeflächen rumzubrokern.
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letzter abschnitt: genau das isses. daß ein koksnasiger depp dann auch noch großwildjagden auf diese kreative art und weise finanziert, davon war erstmal nicht die rede.
Vielen Dank für diesen Beitrag, der mir zu dem eigentlich vieldiskutierten Thema etliche Aspekte näher gebracht hat, über die ich bislang noch nicht informiert war.
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freut mich.
Allein die Tatsache, dass das ZDF überhaupt Wiederholungshonorare zahlt, hat schon ein Geschmäckle. Dem „normalen“ Autor werden schon seit Jahren nur noch Buy-Out-Verträge angeboten, also Verträge mit einer (geringfügig) höheren einmaligen Gage, für die man aber auf Wiederholungshonorare verzichtet.
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Nach dem, was zu lesen war, gab es den Buy-out bei mindestens einem Heinze-Drehbuch immerhin auch.
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war mir ein anliegen.
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das verrückte ist tatsächlich diese gemengelage von geld abzocken (und es ist wirklich nicht viel) und der ausnutzung eines großen apparates für eigene verwirklichung.
das muß man sich erstmal reinziehen: du schreibst ein buch und alle finden es toll, weil du die chefin bist. und für die aufbesserung der urlaubskasse wird dann noch eine pseudonymproduktion durchgewinkt.
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bei der preisexplosion der letzten jahre waren buyoutverträge durchaus wirtschaftlich (also in der denke des produzenten und der leute, die höhere honorare wollten).
ich sehe derzeit, daß die kreativen, um die ich mich kümmere, sehr froh sind, noch buyoutverträge im portfolio zu haben.
spannend und interessant, auch weil sie sich die mühe machen, die ausführungen ausreichend ausführlich zu machen (ärgs das klingt jetzt falsch…. sollte eigentlich ein kompliment sein – weil ich selbst so ungeduldig immer die hälfte verschlucke und es bewundere, wenn jemand seine sieben sinne beisammen hat und den text gut sortiert).
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:) habs schon verstanden. ich wollte tatsächlich nicht nur in insiderkürzeln reden.
danke!