O.M.G.

Ich könnte jetzt viel dazu sagen, denn schließlich bin ich Fachfrau auf diesem Gebiet. Aber so hat noch nie jemand die Folgen seiner Berufswahl auf den Punkt gebracht. Ich danke der jungen Dame für ihre Ehrlichkeit, wünsche ihr viel Glück und hoffe, daß sie mir meine Indiskretion verzeiht.
(gleiches gilt für Studenten der Philosophie, Soziolinguistik, Malerei und viele andere brotlose Künste)

Hallo,

Ich habe gerade meine Schauspielausbildung in … erfolgreich abgeschlossen. Und jetzt muss ich mir etwas einfallen lassen, weil ich nahezu stündlich von Freunden, Bekannten, Verwandten, Kommolitonen, Passanten… gefragt werde, was ich denn jetzt tue, welche Angebote ich habe und wie viel ich verdiene. Bitte helfen Sie mir- nehmen Sie mich in Ihrer Kartei auf und geben Sie mir einen Job- irgendeinen, nur, damit ich was zu erzählen habe! Und damit ich es vor meiner Familie endlich rechtfertigen kann, dass ich unbedingt Schauspielerin werden musste. Damit sichern Sie Ihr gutes Karma für die nächsten vier Wochen! Davon abgesehen schadet es auch nicht, ich bin nämlich talentiert.
Vielen, lieben Dank!

Ich wünsche einen erfolgreichen und spaßigen Resttag!

X.Y.

19 Gedanken zu „O.M.G.

  1. Ich könnte jetzt viel dazu sagen, denn schließlich studiert meine Tochter Vergleichende Literaturwissenschaft und Gesang – leider kein Witz. Aber was will man machen, sie ist sehr talentiert und hat deswegen sogar ein Stipendium gekriegt und ist glücklich dabei. Vielleicht nimmt sie eines Tages sogar jemand in einer Kartei auf ;)

  2. Find ich ausgesprechen nett, dieses Schreiben. Mein Sohn hat eine abgeschlossene Schauspielerausbildung, arbeitet aber in der IT, damit er nicht so viel außer Haus sein muss. Die ersten möglichen Engagements waren alle nicht in Wien.
    Und jetzt spielt er einen ausgezeichneten Familienvater für Frau und insgesamt drei Kinder. Und manchmal bezweifle ich, ob er das nur spielt;)

  3. oh mein gott !!!
    sehr geehrte frau koma,
    ich habe vor 20 jahren mein psychologiestudium in … erfolgreich abgeschlossen. und jetzt muss ich mir etwas einfallen lassen, weil ich nahezu täglich von freunden, bekannten, verwandten, passanten erzählt bekomme, dass sie sich da auch eh auskennen und dass die leute meiner zunft ja eh einen an der waffel haben und im übrigen erzählen sie mir dann die familiengeschichten mit all ihren schizophren-depressiv-narzisstisch-phobischen angehörigen. sie meinen, mich müsste das kostenlos interessieren, weil es sei ja eine berufung (wegen des eigenen vogels vermutlich?). bitte helfen sie mir und nehmen sie mich in ihrer kartei auf und geben sie mir einen job als hutmacherin, damit ich nicht mehr schauspielern muss.
    selbstverständlich sichern sie ihr gutes karma für die nächsten vier jahrzehnte! davon abgesehen schadet es auch nicht, ich bin nämlich talentiert im entwerfen von kopfgeburten.
    vielen lieben dank und einen erfolgreichen und spaßigen resstag,
    ihre rosmarin.

  4. Mir haben schon viele Leute alles mögliche gewünscht. Aber einen „spaßigen Resttag“?

  5. REPLY:
    Wer einen Beruf ergreift, von dem 1% oder weniger nachhaltig und auskömmlich leben kann, sollte wissen, worauf er sich einläßt.
    Zudem 80% der Frauen im alter von 35 nicht mehr dabei sind. Für so eine kurze und beschränkte Karrieremöglichkeit 3 Jahre Privatschule bezahlen, halte ich für rausgeschmissenes Geld.

  6. REPLY:
    Hutmacher! Ja! Hutmacher! Wir schulen Sie um, Fau Ro….
    Aber, oh Gott, ich bin schon wieder zu spät! Ich muß weiter!

  7. REPLY:
    Ein gutes Arrangement hat er gefunden, mangels Engagements.
    (Wanderzirkus! Alle zwei Jahre umziehen! In Deutschland arbeiten! Wochenlang weg für Dreharbeiten! Aber das wissen sie ja alles vorher nicht.

  8. REPLY:
    Das Stipendium ist ja schon mal so was wie ein lukratives Jobangebot. Da hat jemand zugehört und ja gesagt.

    Wascdas talentiert sein betrifft: wenn jemand es so wie in der mail von sich behauptet, stimmt es meistens nicht.

  9. Die wirklich traurigmachende Passage ist doch die mit dem was erzählen können.

  10. Ich habe gerade meine Metzgerausbildung in … erfolgreich abgeschlossen. Und jetzt muss ich mir etwas einfallen lassen, weil ich nahezu stündlich von Freunden, Bekannten, Verwandten, Kommolitonen, Passanten… gefragt werde, was ich denn jetzt tue, welche Frikadellen ich habe und wie viel ich verdiene. Bitte helfen Sie mir- nehmen Sie mich in Ihrer Hackfleisch – Kartei auf und geben Sie mir einen Job- irgendeinen, nur, damit ich was zu erzählen habe! Und damit ich es vor meiner Familie endlich meine Ausbildung zum Wurstfachverkäufer rechtfertigen kann, dass ich unbedingt Metzger werden musste. Damit sichern Sie Ihr gutes Karma für die nächsten vier Wochen! Davon abgesehen schadet es auch nicht, ich bin nämlich talentiert.
    Vielen, lieben Dank!

  11. Verehrte Frau Koma,

    ich habe erst von der Mode geträumt, dann vom Bauen. Trotz erfolgreichen Studiums und guten Jobs habe ich letztes Jahr hingeschmissen und beschlossen, jetzt als Grafiker und Webdeveloper zu arbeiten, wo doch in Berlin die Kreativwirtschaft boomt, aber kaum einer davon Leben kann. Ich will trotzdem in keine Kartei, weil mein Talent und mein Fleiss aussreicht, um mich damit auch so zu finanzieren und zufrieden zu sein. Außerdem habe ich Spaß an meiner Arbeit. Rechtfertigen muss ich mich trotzdem ständig, warum ich nun 10 Jahre Mode und Architektur studiert habe, um jetzt was ganz anderes zu machen.
    Screw them all! Seit ich mir selbst Gutes tue, geht es meinem Karma viel besser, für hoffentlich mehr als nur vier Wochen… Empfehle ich allen anderen auch! Davon abgesehen schadet es nicht, denn Übung macht den Meister.
    Ich wünsche Ihnen ein wunderschönes, entspanntes Wochenende.

    Ihre Frau Baustelle

  12. REPLY:
    Ja, Metzger und Maschinenbauer werden nach der Ausbildung auch gefragt, ob sie denn nun einen Job haben und wenn nein, warum nicht.

  13. REPLY:
    Liebe Frau Baustelle und das ist gut so!

    Sie verzichten auch auf Karteien und schauen, daß der Laden läuft. Das vertrackte an manchen Kunstberufen ist, daß die Einstiegshürden so niedrig sind bzw. der Sog so groß. Ein Maler kann auf Halde malen, noch und noch, er bleibt ein Maler. Gleiches gilt für Schriftsteller. Ein Schauspieler hat irgendwann mal eine Ausbildung gemacht und ist ab da Schauspieler, wartet, daß jemand ihn anstellt und macht derweil unbezahlte Projekte (wenn überhaupt).
    Modedesigner müssen Investoren finden bzw. selbst in Kollektionen investieren. Architekten brauchen Bauherren mit Geld. Das sind alles höhere Investitionsrisiken als das tägliche Brot.
    Nicht in der Ecke sitzen bleiben, die man sich einmal gesucht hat bzw. nach einem Studium, das vielleicht nur für einen kurzen Lebensabschnitt wichtig war, nicht darauf beharren, daß das Leben einem jetzt die Jobs vorbeibringt, ist wichtig.
    Aus der Mutterposition kann ich nur sagen, daß mein Hauptaugenmerk beidem gilt: daß es meinem Kind gut geht und daß sie (eventuell mit meiner finanziellen Hilfe) eine Ausbildung macht, die ihr danach ermöglicht, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen und zwar nachhaltig. Weil ich auch irgendwann loslassen und mein Kind für erwachsen erklären will.
    Ob es nun Archäologie studiert und hinterher Pizza ausfährt oder Politikberater ist oder alte Scherben ausgräbt, das ist sein Ding.

    Erfolg (schwieriges Wort!) braucht keine Rechtfertigung.

    Und dann ist nicht zu vergessen, wie viele Kinder eine Ausbildung machen, entweder ihren Eltern zu liebe oder gerade im Gegenteil. (U.a. aus diesem Grund habe ich Theaterwissenschaft studiert.)
    Als karteiinhabende Person sieht man darauf noch einmal besonders. Wenn Talent dann nur eine Behauptung ist, kann man nur die Schultern zucken. Dann wäre das Geld für die Schauspielschule besser in einer Psychoanalyse angelegt.

    Ebnfalls einen entspannten Abend!

    PS. Und dann gibt es noch das zähe Vorurteil, da man kein Künstler mehr ist, wenn man für den Broterwerb einer ganz anderen Tätigkeit nachgeht. Und das halte ich für schwachsinnig.
    Ob ein Schauspieler in engagementsfreien Zeiten als Immobilienmakler, Webdesigner, Eventmanagerin oder Coach arbeitet (alles reale Beispiele) ist egal, das nimmt ihm seine Fähigkeiten doch nicht weg. – Auch wenn es vielleicht ein wenig diese ominöse Aura des Besonderen verletzt.

  14. So und nun habe ich den Link mal angeklickt.
    Was für mich rüberkam wie eine hilfloses, naives junges Wesen, ist eine dreißigjährige Frau, die wirkt wie ein geschmacklich nicht ganz treffsicheres, verspieltes kleines Mädchen.
    Das Problem ist nur, daß eine halbwegs erfolgreiche Schauspielerin mit 30 im Geschäft sein und nicht erst die Schule beenden sollte.
    Und: ja, da gab es schon einmal ein Studium. An einer recht renommierten Schule. Und dieses Studium hätte sie – Talent vorausgesetzt – als Quereinsteigerin für den Schauspielerberuf sehr gut befähigt. Der Rest wäre einfach Arbeit und ggf. Privatunterricht gewesen.

  15. REPLY:
    und dann habe ich mir noch das dazu gehörige video angesehen, auf dem sie tatsächlich so alt aussieht, wie sie ist und frage mich, was die frau die letzten sieben jahre getrieben hat. sie ist sogar talentiert. sie sieht gut aus. und sie hat die jahre zwischen 21 und 28, in denen es die meisten rollen für frauen gibt, scheinbar vertrödelt und verpennt.
    wenn ich mir die frisuren ansehe, so sieht das sehr nach berliner boheme aus. zu viel kastanienallee, zuviel party, zuviel nie realisierte projekte und jede menge träumerei.

  16. Darf ich als Laie mit Verspätung fragen, warum sehr viele der bekanntesten Schauspieler nie Schauspielunterricht hatten?

  17. REPLY:
    ach, ich hätt immer gedacht, sie sind von der zunft?
    talent braucht oft keine schule. manchmal nutzt sie aber auch. um noch mal eine runde zur reife auf die weide zu gehen oder um nicht von jungstarangeboten gefressen zu werden oder um schreiend flüstern zu können oder um nicht zu verbrennen wie eine fackel, sondern zu begreifen, was man da grade tut.
    aber wenn jemand nach einer fundierten gesangsausbilung noch einer C- oder D-schauspielschule drei jahre geld in den rachen wirft, stimmt mich das skeptisch.

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