Da ist eine Diskussion zum Thema Drogen doch mal mächtig ins Schleudern gekommen.
Alle Äußerungen von Leuten zum Thema „Drogenkompetenz“ sind um die Nachmittagszeit herum gelöscht worden. Übrig blieben die üblichen Moralisten, aber auch bei denen kappte die Zensur die ganz schrillen Töne weg, die schonmal in Richtung: Sie hats bestimmt für Sex gemacht! phantasierten und mächtig mit den Worten „Anstand!“ „Moral!“ usw. um sich warfen.
Wirklich faszinierend, was Leute in ihrem armen, kleinen Single-Leben für Kopfkino entwickeln.
Und es ist schade, daß ich keine Screenshots gemacht habe…
Edit: Ach wie schade! Jetzt ist der gesamte Thread gelöscht, wie Frau Hühnerschreck gerade bemerkte. Und ich wollte so gerne noch ein Zitat herauskopieren in dem es um das Grundmotiv so vieler Moralapostel dort ging: Angst, Angst, Angst…
Deshalb Kurzabriß aus dem Gedächtnis, für alle, die nicht dabei waren: Ein Mann hat eine Frau kennengelernt, die in der Medienbranche arbeitet. Nach einer Weile erzählt sie ihm, daß sie als sie ganz jung, dumm und neu dort war (also Anfang 20), ein paarmal auf Parties gekokst hat. Weil sie es angeboten bekam, weil sie dazu gehören wollte etc. Sie muß wohl noch nicht ganz über dem Thema stehen, denn sie benutzte die üblichen Buzzwords der Süchtigen: hatte es immer im Griff, konnte jederzeit aufhören, das machen doch alle etc.
Die Reaktionen waren, wie zu erwarten, polarisiert. Vornedran die Moralisten, in Großbuchstaben und mit Abschlußlosungen wie „Keine Macht den Drogen“ und der Behauptung, sie würden nicht einmal Alkohol trinken. Dann ein paar Leute, die sich in der Medienbranche auskennen und meinten: das Mädel erzählt keinen Scheiß, das ist relativ normal, daß bei Parties der Koks ausgepackt wird. (Kann ich bestätigen, meist sogar von der mittleren Chefebene.), schließlich arbeiten dort alle wie die Viecher und könnten sonst nach einem 14-Stunden-Tag garnicht mehr feiern, außerdem macht es schlank und selbstbewußt. Dann ein paar der Älteren, die meinten, nun macht doch mal halblang, wir haben auch in unseren Jugend … oho! Dazu Exkurse zum Thema Suchtpersönlichkeit und Triggerpunkte für Sucht.
Die Leute mit Drogenerfahrung (was in diesem Kreis heißt „in der Jugend mal gekifft“) gaben den Rat, ihr noch mal auf den Zahn zu fühlen, ob da nicht doch ein klitzekleines, latentes Suchtproblem besteht, denn der Fragesteller lehnt Drogen vehement ab, und ansonsten dort weiterzumachen, wo sie gerade sind: Mit Liebe. Die Moralistenfraktion hatte ihre Meinung: Eine Frau, die solche Drogen genommen hat, ist für eineernsthafte Partnerschaft und Familiengründung ungeeignet, ja verbrannt. Sie kommt nicht nur aus dem „Millieu“, nein, sie arbeitet sogar noch weiterhin dort und macht sogar Karriere in der Medienbranche.
Innerhalb von wenigen Stunden wurde aus der Geschichte eines Mannes, der scheinbar die Richtige gefunden hat, die ihm voller Vertrauen erzählt, sie hätte in der Berufsanfängerzeit mal gekokst, was ihn verunsichert, die Geschichte eines Mannes, der aus der verblendeten Liebe zu einer Drogenschlampe gerettet werden muß, indem man ihm rät, er solle sich sehr überlegen, ob er mit ihr weiterhin zusammenbleibt.
Warum mich das so interessiert? Ich schaue einerseits interessiert auf die Bemühungen der Forenmoderation, ein hohes Niveau zu halten. Was heißt: Keine stammelnden Legastheniker, keine Trolle, keine Emoticon-Hällöle!-Vollhonks, keine dummen Kabbeleien. Allerdings haben sie das große Problem, daß ihre aktivsten Autorinnen (ja, es sind zum Großteil Frauen, denn die „Elite“Männer müssen ja Geld ranschaffen) in manchen ihrer Argumentationen noch Eva Herman in dem Schatten stellen. (Kennt die noch jemand?)
Männer in Elternzeit – Unmännlich. Kinder im Kindergarten -Rabeneltern. Männer mit Unterhaltsverpflichtung – Altlastenträger. Aleinerziehende Mütter – ganz unten in der Hackordnung, nur noch für Sex zu gebrauchen. Frauen, die Sex außerhalb einer Beziehung haben – Schlampen. Ältere Frau, jüngerer Mann – Pervers. Männer, die im Restaurant nicht alles zahlen – indiskutable Milchbrötchen, die Frau nicht mehr treffen muß. Ältere Frauen (ab 35) – unfickbar. Dicke – ganz arme Schweine. Sex ohne Liebe – Garant für fiese Krankheiten. Urlaub allein – Lizenz zum Fremdgehen. Tanzkurs ohne Partner – Lizenz zum Fremdgehen. Männliche Erzieher – unter Pädophilie-Generalverdacht. Männer – wollen nur das Eine, das ihnen nur im Tausch gegen finanziell gut aufgestellte Partnerschaft zu gewähren ist. Frauen mit Kinderwunsch – Männer-Abzockerinnen. Regelmäßige verbale Steinigungen von Fremdgängern finden natürlich auch statt.
Das ist das, was übrig bleibt, wenn man versucht, Seriosität und Zielgruppe miteinander zu vereinbaren. Unerträglicher Moralismus, Scheuklappen-Denken und die Meinungs-Herrschaft von Menschen, die verzweifelt versuchen, einen Partner für ihre Inszenierung einer heilen Familie alter Bauart zu finden. Die natürlich nicht fündig werden, weil ihre Anforderungsliste so lang ist, wie ihre Angst vor Versagen und Irrtum groß ist. Wo ist er denn, der gutverdienende Mann bis 45, der nicht geschieden ist, keine Kinder und überhaupt noch nie eine längere Beziehung hatte (quasi Jungfrau für Frauenaugen), trotzdem keine Macke hat und nun Nägel mit Köpfen machen will und eine der anwesenden Damen erwählt und nun ein Haus baut, Kinder zeugt, die Familie ernährt und fortan seinen Willen unter den der Familie stellt und über siene gesamte Lebenszeit verfügen läßt? Ach so, außerdem sollte er noch schlank, sportlich und gut aussehend sein, männlich entschlossen selbstredend, ehrgeizig im Beruf, aber ohne Überstunden, Nichtraucher, Nichttrinker, ohne Glatze, Tätowierungen und Piercings, ohne Drogen-, Homosex- und Prostituierten-Erfahrung, keine One-Night-Stands, keine Seitensprünge. Und wenn Mann dann die Dame regelmäßig ins Restaurant einlädt, mit ihr Tagesausflüge in Zoos und Wildparks absolviert und sich nach seinem Vorleben, Ab- und Ansichten ausfragen läßt und mit ihnen erst ins Bett geht, wenn man „zusammen“ ist, dann, ja dann sollen die Damen, die im Forum Haare auf den Zähnen haben und mit dem verbalen moralischen Baseballschläger unterwegs sind, angeblich zu freundlichen, liebenswürdigen, anschmiegsamen, sanften Wesen mutieren, die mit ihm übergangslos in den siebten Himmel der Ehe gleiten. – Viel Spaß, Jungs!
Das ist Deutschland. Gut ausgebildete, beruflich erfolgreiche, in höheren Positionen angestellte Menschen auf dem Zenit ihres Lebens, die Angst haben.
jetzt scheint alles weg zu sein – der link funktioniert nicht mehr. herrjemineh, da muss es ja ECHT heiß hergegangen sein *lach*
yep. Da war nichts mehr zu retten bzw. zu redigieren.
Schön gesehen, Frau Koma, und wunderbar hingeschrieben. Wie sehr musstest Du Dich zusammenreißen, um keine (Nick-)Namen zu nennen? Andererseits. Man erkennt sie auch so.
Ich bin ja immernoch dafür, unbedingt eine Fanpage für diese Frau einzurichteten, die den ganzen Tag Zeit hat, ellenlange Kommentare zu schreiben. Ich frag mich immer, ob sie als Pharmareferentin in der Industrie arbeitet oder eher in einer Hygienebehörde.