Der schmale Tweedrock tauchte ja im Lieblingsstückpost letzte Woche schon einmal auf.
(Es ist übrigens immer wieder eine Übung für mich, naturbelassene Fotos zu machen. Einfach so geschossen, ohne richtiges Licht, kurz vorm Losgehen und dazu nicht richtig gesund, was man sieht. Da schlägt der Perfektionsanspruch des Berufes immer wieder durch. Aber das nur am Rande.)
Der dunkelbraune Fischgrat-Tweed, der bestimmt 100% Acryl ist, sprang mich beim vorweihnachtlichen Stoffmarktbesuch an und wollte auf den Arm. Ich habe ihn auch noch einmal mit schwarzer Grundfarbe gekauft, das soll ein Etuikleid werden, wenn ich denn mal den Schnitt passend bekomme.
Das klassische Web-Muster, das ich schon naturbelassen sehr mag, ist mit verschwommenen Blüten bedruckt. Darüber liegen noch einmal dunkle, grafisch aussehende Streifen, auf die ich auch gern verzichtet hätte, denn sie sind aus Flockenmaterial (so wie bei beflockten T-Shirt-Motiven) und machen den Stoff etwas steif. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum der Stoff für 3 Euro das Meter auf dem Markt auftauchte.
Zuerst hatte ich unglaubliche Pläne, aus dem Stoff einen kurzen Tournürenrock zu machen. Und dann fragte ich mich, ob ich denn wirklich wie ein kleines Zirkuspferd ausstaffiert meine Weihnachtseinkäufe machen will.
Der klassische Konflikt zwischen Kopf- und Herznähen also.
Für den Schnitt habe ich dann meinen schmalen Rockgrundschnitt benutzt, den ich nach Memas Anleitung angepaßt habe. (Memas Blog ist für mich übrigens ein hervorragender Wissensspeicher. Vielen, vielen Dank an die Autorin!)
Ich mag es gern körpernah, habe derzeit aber keine Lust auf aufwändig zu fertigende und das Hinterteil abkühlende Schlitze. Deshalb habe ich hinten ein Godet eingefügt.
Dafür habe ich ein halbes Oval aus dem Schnitt genommen und aufgedreht. (Beim Wiedereinfügen – Überraschung! – war das aufgedrehte Teil viel größer geworden. Das gab noch zwei tief eingelegte Falten.)
Hinten habe ich nach der Nähschlampenmethode einen Reißverschluss und wie immer – statt eines Knopfes – Haken und Öse eingefügt. Ein nahtverdeckter Reißverschluss hätte mir zu sehr aufgetragen.
Der obere Abschluss ist nur ein Beleg, damit der dicke Stoff nicht so aufträgt. Wo Beleg und Rock zusammengenäht werden, habe ich ein festes schmales Baumwollband mit gefasst, damit der Bund nicht ausleiert.
Sonst setze ich einen Bund an, mache ich einen Formbund hinten und seitlich füge ich breites Gummiband ein, damit sich ein Rock meinem klimakteriumsbedingt mondartig veränderlichen Taillenumfang anpasst. Mit dieser Schnittlösung, die sich nicht anpasst, saß der Rock nach Weihnachten drei Zentimeter zu tief. Das kanns geben.
Das Innenleben ist wie immer kommod. (Das mag ich am Selbernähen, nicht auf das unbequeme Innenleben billiger Konfektion angewiesen zu sein.)
Die Stoffkanten sind mit Bändern gefasst und der Saum ist per Hand angenäht. Wenn ich dann noch graues Garn gehabt hätte… aber lassen wir das. Der Futterstoff ist ein rutschiger Baumwoll-Viskose-Mix, den ich einmal völlig verfärbt hatte. In dem Grau, das beim Entfärben übrig blieb, ist er gut als Futter geeignet.
Das Futter ist an den Beleg genäht und ich habe diesmal sogar gleich daran gedacht, Aufhänger mit zu fassen.
Fazit: Ich glaube, ich brauche noch 1-2 schmale Röcke, wenn sie so bequem sind wie dieser. Machen Bella Figura, brauchen nicht viel Stoff und sind genauso schnell zu nähen.
Die anderen Damen und ihre Kleider am Me Made Mittwoch sind hier zu finden.
Ist das ein toller Stoff!!
Ich war auch ganz hin und weg. Vor allem wird der Flockendruck nach dem Waschen weicher.
Na das nenne ich mal Innenverarbeitung!
Der Westwoodrock steht auch auf meiner Traumliste mit ganz oben.
Lg sybille
Irgendwann mache ich mir den auch noch einmal.
Die Mehrweite in dem Godet ist vielleicht dem schrägen Fadenlauf geschuldet. Aber die Faltenlösung sieht auch gut aus. Die Innenverarbeitung ist total toll. Ich ärgere mich auch, wenn ich diese ‚es geht gerade so‘-Verarbeitung an Kaufkleidung sehe.
Viele Grüße,
Katharina
Ja, ich vermute auch, dass sich der Stoff in den Rundungen geweitet hat, obwohl ich ganz doll drauf geachtet hatte, dass das nicht passiert.
Wow der Rock ist total schön! Der besonder Stoff ist einfach großartig und die Idee mit dem Godet gefällt mir. Das sollte ich vielleicht auch ausprobieren bei meinen schmalen Röcken. LG Kuestensocke
Nur zu! Der würde gut zu deinem Blazer passen.
Total schön, besonders mag ich das Godet!
Herzliche Grüße
Sabine
Danke!
So eine Innenverarbeitung lässt das nähnerdherz höher schlagen. Leider habe ich selten die Geduld zu sowas… sollte ich mir vornehmen.
Beim Stöbern im Blog bin ich auch über das Dirndl gestolpert – das würde ich zu gern mal sehen!
Das Nadelstreifen-Dirndl ist schon seit August fotografiert, aber nicht gut. Das wird auf jeden Fall nachgeliefert!
Gute Innenverarbeitung ist eigentlich gar nicht soooo aufwendig. Da mit Zickzack versäuberte Nähte mir auf der Haut scheuern, mache ich das automatisch – entweder mit Bändern oder mit französischen Nähten.
Die Falte im Godet ist ja große Klasse…… und die Innenverarbeitung sowieso.
Enge Röcke sind in meiner Garderobe eine der Grundlagen. So schnell genäht und bei Gewichtsschwankungen sitzen sie mal höher und mal tiefer, kein Problem. Schön, dass du mit meiner Anleitung klar gekommen bist. Und danke für den Lob. Es hat mich sehr gefreut.
Willst du den Tournürenrock mal nähen? Ich wäre dabei. Er gefällt mir sehr. Wie du schon richtig sagst, ein Zirkuspferdrock (und eine tolle Provokation bei manchen Events) und ich denke er hat das Potential sogar auf meine Figur angepasst zu werden.
Schöner Gruß Mema
Dann sollten wir den Rock mal zusammen angehen. Das fände ich toll.
Der auf dem Foto ist ein Upcycling aus einem Schottenrock.