Tag6, Freitag:
Die Sonne kam heraus. Zwar nicht ganztätig, aber doch sichtlich.
Allerdings verschliefen und verdallerten wir die Sonnenstunden, um dann angesichts eines kleinen Regenschauers zu beschließen, lieber drin zu bleiben.
Das Zimmer war nun absolut nicht mehr zu verlängern, am Wochenende war das ganze Hotel wegen einer Vernissage in der Galerie nebenan ausgebucht.
Mittlerweile war es voll, vor allem paarweise reisende mittelalterliche Damen und Ehepaare, bei denen die Gattin kulturbeflissen dreinschaute, waren eingetroffen. Eine der Damen brachte in der Nacht eine Solonummer. Sie stand auf dem Gang und motzte laut ob des Umstands, daß sie den Bewegungsmelder für die Flurbeleuchtung nicht auslöste. Ihre Worte bestanden aus so undamenhaften Ausdrücken wie: „Halts Maul“ und „Was ist denn das für eine Scheiße?“. Sie war auch nicht mehr ganz artikulationsgenau. War wohl ordentlich Küstennebel unterwegs.
Am Abend liefen wir lange über den Strand irgend wann kam der Mond und der Horizont blieb hell. Ich redete und lief und hörte zu und alles um mich herum bewegte sich im diffusen Licht. Das Meer, der Sand, die Wolken… und da zog wohl einer in meinem Kopf die Reißleine. Data overload. Mit der Assistenz des Grafen, dem in Ohnmacht fallende Damen nichts Neues zu sein schienen, wurde ich in den Sand gelegt und durfte etwas rekonvaleszieren. Danach ging es langsam heimwärts, auf einen galanten Arm gestützt.
O-o. Daß ich immer noch nicht merke, wann Schluß ist.
Tag7, Samstag:
Am nächsten Morgen ritten wir noch weit vor der normalen Aufstehzeit vom Hof. Natürlich nicht ohne eine Herausforderung zu produzieren. Ich hatte mein Make up-Beutelchen vergessen, wie wir einen halben Tag später telefonisch informiert wurde. Das reist nun getrennt von uns per Post nach Berlin.
Wir fuhren von der Nordsee nach Fünen an die Ostsee. Der Graf hatte dort schon einiges erlebt und wollte mir die Insel und seine alte Plätze zeigen.
Wir fanden ein Bed&Breakfast bei Faaborg. Wobei der Name für das Domizil schwer untertrieben war. Ein Grundstück mit Meerblick in der Ferne, davor Wiesen, eine Schafweide und ein Acker. Darauf ein modernes schwarzes Holzhaus und das Nebengelaß mit den Gästezimmern im englischen Landhaustil eingerichtet. Als Gastgeber ein lässiges älteres Paar mit Stil. So in etwa könnte ich mir meinen Lebensabend auch vorstellen. Ein bißchen Garten, ein bißchen Inneneinrichtung, ein bißchen kochen und mit den Gästen plaudern, die mir interessant erscheinen.
Wir machten die Runde durch Faaborg und verspürten ein kleines Hüngerchen. Die Gastgeberin hattte uns gewarnt: Hier wären die Restaurants abends sehr voll und würden früh schließen. Also bestellten wir den Burger nach Art des Hauses mit Country Potatoes. Was kam war ein Riesenmonster. Von der Idee her delikat, vom Koch her allerdings völlig verdorben. Versalzen und verbrannt. Ich weiß nicht, was mich geritten hatte, das Ding so zu akzeptieren, statt es zurückgehen zu lassen.
Der Graf war hinterher kurz vorm Amoklaufen vor Ärger, das er das Ding gegessen hatte, ich nur pappesatt und kaloriengelähmt.
Wir fuhren an einen Sandstrand oder besser an einen, der einer sein sollte. War er aber nicht. Zwischendurch fragten wir hier und da nach einem Quartier, aber es war alles ausgebucht, bis auf ein Redneck-Anglerheim mit Triebtäteratmosphäre, bei dem wir Bettwäsche und Frühstück hätten separat bezahlen müssen und der Preis hätte dann dem des Hotels an der Nordsee entsprochen. Wir ignorierten das Angebot und riskierten eine Suche am nächsten Tag, denn im schwarzen Haus konnten wir nicht bleiben, auch hier war alles vergeben.
Wir saßen am Abend mit Blick auf das Meer. Nebenan sang ein Ehepaar gemeinsam Wanderlieder. (wtf???) Einige Zeit später hatten wir noch Baumaßnahmen zu erledigen. Die Betten waren wunderschön, aber separat und federleicht. Mit zwei zu Seilen geknoteten Hunde-Netto-Tüten banden wir sie aneinander. Was definitiv die geringere Herausforderung war, als eine Verletzung vom Absturz in die Besuchsritze zu bandagieren.
Die Frage ist, ob die Leute, die Hotelzimmer einrichten, womöglich alle keinen Sex haben (oder diesen bei ihren Gästen vermeiden wollen?), daß sie sich so was einfallen lassen.
Tag8, Sonntag:
Nach einem sehr delikaten englischen Frühstück, serviert von der Hausherrin, mit der ich – obwohl ich der Sprache kaum mächtig bin – heftig auf Englisch scherzte, verließen wir mit großem Bedauern das schwarze Haus. (Natürlich hatten wir unsere baulichen Veränderungen rückgängig gemacht.)
Wir nahmen ein nettes Hotelzimmer in Svendborg direkt am Hafen und fuhren eine Insel weiter, um uns Schlösser anzusehen.
Erst eines, das auch vermietete, ein uralter Renaissance-Bau. In den Räumen(die auch im Sommer heftig geheizt werden mußten) umherzugehen, wo abends wahrscheinlich der Inhaber auf dem Sofa saß, war schon etwas sonderbar. Aber laut dem Grafen ist das hierzulande üblich.
Dann fuhren wir durch eine liebliche Landschaft nach Waldemars Slot. Das hatte schon etwas sehr Royales. Mit gefiel der kleine barocke Teepavillion am Meer am meisten. Da ließe es sich leben. Das Gesinde könnte mir Tee und gebratenen Fasan bringen, abends würde ich die obligatorische Flasche Champagner köpfen und nachts im weißen Nachthemd durchs Haupthaus geistern…
(Notiz an mich: Mal sehen, ob Jobs als Schloßgeist ausgeschrieben sind. Weiße Dame könnte ich ganz gut.)
Noch eine Insel weiter, auf Langeland, stieg ich auf einem Parkplatz dann glücklich in Wanderschuhe und kurze Hosen. Wir suchten uns an der Steilküste ein lauschiges Plätzchen und machten ein Picknick, um endlich wieder einmal die vollen Kontrolle über die Kalorienzufuhr zu bekommen. Die Sonne spiegelte sich im Wasser, Schiffe fuhren vorbei und wir schlummerten etwas auf den rundgespülten Steinen.
Danach waren wir in einem Zustand, in dem wir endlich entspannt einen mindestens dreiwöchgen Urlaub beginnen konnten, um dann noch eine Woche Urlaub abgewöhnen dranzuhängen.
Abends am Svendborger Hafen aßen wir noch eine Kleinigkeit auf die Hand und genossen das die alten Boote im Abendlicht. Ich hatte einen Karton Pommes vor mir und der Graf eine Pizza Calzone. (Solange man die Essensration noch tragen kann, ist es nicht zu viel.)
Und nun? Drei Tage aufschreiben im Hotelzimmer, vor einer Fake-Tiffany-Lampe, deren eine Glühbirne immer mal streikt. Willkommen im Hier und Jetzt.