Weihnachten, dieser verdammte Tanz auf der Klinge. Für alle, Eltern, Kinder, Anverwandte, Haustiere. Wie gut, daß ich damit nicht allein bin.
Die selten, aber zuletzt Frau Casino* erzählte Geschichte vom für alle ausgefallenen Fest und einem Rucksack voll „du bist schuld“, weil das blöde Gör (also ich) eine mütterliche Anweisung falsch interpretierte und eine Endzwanzigerin und eine Fünfzigjährige nicht erwachsen genug waren, die Situation zu klären, hängt mir immer noch an. Nächstes Jahr schreibe ich die Sache auf, verbrenne sie und lasse die Asche von einem Herbststurm zerblasen. Danach feiere ich dann hoffentlich wieder unbeschwert Weihnachten bei meinen Eltern.
Darum verbrachte ich einen kurzen, aber schönen Weihnachtsabend mit Freunden, bekannten und unbekannten. Einer der Kreise, die sich zusammengefunden hatten, bestand vor allem aus Frauen, gut 10 Jahre älter als ich. Beruflich sehr weit oben, gut aussehend, aber nicht gebügelt, entspannt und zufrieden wirkend. Zwei Männer gehörten dazu: ein Sohn und ein schwuler Freund.
Feministinnen? Weit gefehlt. Very Old Economy. Wo es selbstverständlich zu sein scheint, die Kinderaufzucht an Nannies und Internate zu delegieren.
Ich erlebte einen der wenigen Momente, wo auf einer Party Frauen miteinander, aber nicht über Männer/Beziehungen etc. sprachen, sondern über ihre Vorhaben, Erlebnisse und Lebenspläne.
Sehr interessant.
Nachts packte ich mein Twichtelgeschenk aus. Das war soooo süß! Eine Studentin aus Holland hatte mir lauter hübsche Kleinigkeiten (z.b. ein Schlüsselsuchtool) geschickt und dazu Texte von sich gelegt und einen langen Brief an mich geschrieben. Das Mädchen ist tief in meinem Herzen.
Die Weihnacht war, wie auch in vielen Jahren zuvor, komplett schlaflos. Um 7 Uhr morgens gab ich es endgültig auf und spazierte durch den unberührten Schnee im menschenleeren Schöneberger Stadtpark, bis es hell war. Auf dem Rückweg schob ich noch ein Pflegedienstfahrzeug an, das sich rettungslos festgefahren hatte und, zurückgehrt saht ich, daß ich mich in einen Schneemann verwandelt hatte. Die Eiskristalle vom Schneesturm hatten meinen Mantel mit einer halbzentimeterdicken Schickt bedeckt.
Der Nachmittag und Abend gehörten dem Kind und dem anderen Teil der Familie. Ihr erstes großes Familienessen. Ich saß nach 20 Jahren wieder einmal mit meinem Exmann auf einem Sofa und lernte endlich den anderen Familienteil kennen, die 3 Geschwister des Quasi-Schwiegersohns. Natürlich platzte ich wieder fast vor Stolz über mein großes Kleines.
Ich mag selbst in Sachen Familienbildung komplett versagt haben, aber hier finde ich eine Familie, an die ich mich nach dem Tod von KKM gern anschließen möchte.
Die Nacht brachte ab 3 Uhr sogar Schlaf. Nachdem ich ewig gelesen hatte. Und der heutige Tag gehörte ganz mir und brachte eine wichtige Erkenntnis: So schön es sein mag, aber mehr als 40 Quadratmeter Wohnfläche sind zu viel für mich. Das Nestchen mit sienen 35 mag an manchen Ecken fürchterlich eng sein, aber innerhalb eines Tages ist es von Grund auf geputzt und aufgeräumt und es gibt keine Ecken, die ich aus den Augen verliere und in denen sich Müll und Ramsch ansammeln kann.
*die mich als erfahrene Mutter endlich entlastete
mit dem tanz auf derk klinge bist du wahrlich nicht allein. eine emotional derart überfrachtete angelegenheit, dieses weihnachtsfest, dass man eigentlich zwangsläufig scheitern muss, versucht man, sich an die „das war schon immer so“-regeln zu halten.
und: schön, dass du aus dem erdnahen orbit (dein post vor diesem hier) wieder da bist! (ich hab vorhin doch einen mittelschweren schreck bekommen. nicht, dass das was hülfe, wenn …)
lass es dir gut gehen und pass auf dich auf. viele grüße!