Im Anderen leben

Eva Gabriellson, die Lebensgefährtin des schwedischen Autors Stieg Larsson hat ein Problem.
Larsson starb völlig überraschend, relativ jung und ohne Testament. Die Erlöse der drei Bücher, die sich als Bestseller erwiesen, gehen an seine lebenden Blutsverwandten, zu denen er laut Gabriellson so gut wie keine Verbindung hatte.
Aber ihre sehr lange dauernde Beziehung ist so gut wie nicht publik:

Eva Gabrielsson hat 32 Jahre mit Stieg Larsson zusammengelebt. Es war ein gefährliches Leben, denn er stand auf den Todeslisten der Neonazis in Schweden, weil er den Mut hatte, immer wieder öffentlich vor ihnen zu warnen. Er musste sein Privatleben so anonym halten wie möglich. „Ich durfte nicht mal meinen Arbeitskollegen sagen, mit wem ich meine Wohnung teile“, erinnert sich Gabrielsson. „Ich hatte auch nie Menschen von der Arbeit zu Hause zum Essen oder so was. Wir haben auch nicht geheiratet, damit Stieg nicht bei den öffentlichen Behörden recherchierbar ist.“

Quelle

Ganz ehrlich, ich finde das sonderbar. Vielleicht sind schwedische Neonazis gefährlicher und mächtiger als deutsche. Denn zwei Frauen, die ich kenne, die in Brandenburg und Berlin sehr intensiv zu Neonazis recherchier(t)en und veröffentlich(t)en, bewegen sich ganz normal in der Öffentlichkeit. Sie telefonieren zwar mit unterdrückten Nummern und sind mit ihrer Adresse nicht allzu freigiebig, aber sie bekennen sich zum Lebensgefährten bzw. Ehemann und haben Kinder, mit denen sie ganz normal umgehen.
Sollten die beiden tatsächlich 30 Jahre lang ohne Freunde und jegliche andere öffentliche/gesellschaftliche Statements eine enge Beziehung geführt haben? So eng, daß Gabriellson tatsächlich durch konkrete Hilfe und Unterstützung maßgeblich am Entstehen der Bücher beteiligt war? Oder war sie nur(?) die Geliebte, die standby-Frau, bei der sich der Untergrund-Krieger ausruhte und zu der er sich womöglich nie bekennen wollte?
Die Frau im Hintergrund des Kreativen ist keine Neuigkeit der Kunstgeschichte, eher der Klassiker.
Mich verwundert aber, daß das auch in einer so extrem emanzipierten Gesellschaft wie Schweden passieren kann. – Oder vielleicht gerade? Denn welche eigenständige Frau stellt sich hin und rechnet ihrem Lebensgefährten/Geliebten vor:
Socken und Unterhosen gewaschen
für einen vollen Kühlschrank gesorgt
zugehört (auch wenn du zuviel getrunken hast)
Bibliotheksrecherche
Ideen ausgesprochen
Manuskript gesichtet und korrigiert
dir Mut gemacht, wieder und wieder
auf gemeinsame Freunde verzichtet
offiziell als alte Jungfer vergammelt
Angst um dich gehabt,
das macht in 30 Jahren, in denen ich dir einen großen Teil meiner privaten Energie und Lebenszeit gewidmet habe mindestens 30% deiner gegenwärtigen und zukünftigen Einnahmen aus – und das hätte ich bitte schriftlich und zwar jetzt.
Das ist eine schwierige Sache, nicht wahr? Zudem Frauen ihren Support freiwillig anbieten, wieder und immer wieder. In der alten, tief sitzenden Hoffnung, für Nettsein und stille Aufopferung belohnt zu werden. Statt auf sich selbst zu vertrauen und ein Buch zu schreiben, einen Bauernhof zu kaufen, eine Firma zu gründen, sind sie die Wesen im Hintergrund und seit es aus der Mode ist, bei engerer Bindung zu heiraten, sind sie gearschter als früher. Aber sie sind selbst schuld.

LaPrimavera hat sich ihr drittes Haus allein gekauft. Zwei Mal hatte sie einen Mann im Boot. Beim ersten Mal verlor sie bei der Scheidung die ältesten Freunde, weil der Exmann öffentlich jammerte, sie habe ihn mit dem Haus finanziell ruiniert, weil es nur unter Verlust zu verkaufen war. Beim zweiten Mal zog der Lebensgefährte die Reißleine, weil er seine Ideen nicht durchsetzen konnte. Das Haus wurde rechtzeitig und mit Gewinn verkauft. Den Gewinn teilten sich die beiden und sie machte die nächste Investition in ihre Traumobjekt allein. Mit allen Konsequenzen: ruinierten Bandscheiben wegen der harten Arbeit und einem Fulltimejob durch den riesigen Garten. Es gibt zwar einen Mann in ihrem Leben und der wird auch aufgefordert, etwas zu tun, wenn er unter riesigen Bäumen in der Hängematte liegen will. Aber wenn es darum geht, daß er ganz zu ihr zieht (was er eigentlich gern möchte) und damit als Mann im Haus jede Menge schwere Arbeit übernehmen wird, macht er immer wieder einen Rückzieher.
Er begründet den natürlich nicht öffentlich, aber ich kann mir gut vorstellen, daß es sicher darum geht, daß er seine Energie nicht in einem Faß ohne Boden versenken will und womöglich irgendwann ohne Bleibe dasteht.
Er weiß also, jenseits von Heimwerkerei zur Beziehungspflege, was seine Arbeit wert ist. Er will sie nicht einfach so verschenken.

Vielleicht ist das der Punkt. Den Wert der Zuarbeit für einen Partner selbst schätzen zu lernen. Sich nicht mit Kleinkram bescheiden oder diesen bewußt zu verschenken (ich habe z.B. Bügeln immer als scherzhaft Liebesbeweis bezeichnet). Sich zu fragen, warum man das, was man für den anderen tut, nicht für sich selbst tut. – Verbunden mit Verantwortung und dem Risiko des Scheiterns. Wir sind wieder beim alten Thema Furcht vor Verantwortung…

11 Gedanken zu „Im Anderen leben

  1. ach frau kitty,….
    den text muss man sich ausdrucken und über den spiegel hängen…. nur falls man mal wieder in versuchung kommt
    :-)

  2. REPLY:
    „ich bin selber über telefonbücher und melderegister für normale menschen seit jahren unauffindbar.“

    Nur für das Finanzamt hab ich das noch nicht geschafft. Gibt es dazu eine Erweiterung?

  3. REPLY:
    ah, die extension „finanzamttarnkappe“? das wäre ein bombengeschäft.

  4. REPLY:
    @timan: ich habe eine risikolebensversicherung auf der keine bank die pfote draufhat. die bekommt meine tochter, wenn ich mich um den autobahnbrückenpfeiler wickele. und dafür, wer sie dann aufzieht, hatte ich auch eine regelung. der leibliche vater sollte es nicht sein, sondern der soziale.

  5. … läuft schonmal gar nichts mehr – Punkt.

    Aus der Rubrik „Gebranntes Kind scheut das Feuer“

  6. Manchmal denke ich, dieses sich Einfügen in das Leben eines Mannes ohne Gegeneleistung zu verlangen, und sei es nur zur späteren Absicherung, ist bei Westfrauen viel häufiger anzutreffen.
    Im Osten war es völlig klar, dass man sich um sich selbst kümmern musste als Frau, einen eigenen Beruf haben musste. Bei einer Scheidung gab es ja keinen Unterhalt für die Frau.

    Beziehungen sind nur stabil und echt, wenn auf Dauer die Summe stimmt, wenn ich soviel bekomme, wie ich gegeben habe, sei es emotional, sei es matereiell. Aufopferung bringt nichts.

  7. REPLY:
    Im Übrigen glaube ich die Geschichte mit der geheimen Lebensgefährtin nicht so ganz. Die haben doch Nachbarn. Es gibt ein Melderegister. Das lässt sich doch nachprüfen. Nö, das hat die erfunden, oder er war hochgradig paranoid. Also gibt es einen Psychiater.
    Einen solchen, anderen Fall erlebe ich auch gerade. Eine Bekannte lebte dreißig Jahre mit einem Mann zusammen, kümmerte sich um Haus und Garten pflegte ihn nach dem Schlaganfall wieder gesund. Jetzt ist er gestorben, ohne Testament. Und einen Vertrag oder eine Heirat gibt es aiuch nicht. Also hat sie nichts, weder die Witwerente noch das Hause.
    Das erste, was ich gedacht habe, war „schön blöd“. Wie kann man nur….

  8. REPLY:
    den umgekehrten fall kenne ich auch gut: der nette tüp war so lange aktuell, bis die wohnung supetopklasse hergerichtet und modernisiert war…

  9. REPLY:
    das hat sicher auch mit einem enormen sozialen gefälle zu tun und der tendenz, daß frauen sich gesellschaftlich „nach oben“ orientieren. für viele frauen ist das einfügen das leben eines mannes schon ein enormer profit. sie leben ein leben, das sie sich selbst nie leisten könnten bzw. sie haben nicht die motivation, sich selbst ein solches leben zu schaffen. da hoppelt ein archaisches rollenverständnis der realität hinterher.
    im übrigen glaube ich der frau die sache auch nicht ganz. entweder war sie tatsächlich einem paranoiden hörig (die atemlos machenden bücher lassen bei einigem nachdenken viel über die mentale verfassung des autors blicken) oder sie war einfach nur die geliebte am rande.

  10. REPLY:
    hmhhh …die meisten menschen machen sich doch garnicht so viele gedanken über den wenn-fall und setzen unterbewußt gerne mal etwas voraus, was überhaupt nicht zutrifft. als ich mich das erste mal damit auseindergesetzt habe, wer meinen schuldenberg erben darf stieß ich auch auf ungeahnte untiefen des deutschen erbrechtes. ebenso dämmerte mir gestern erstmalig, dass ich aufgrund des alters der großeltern dringenst eine regelung für den nachwuchs festlegen muß, falls uns [also den eltern] etwas passiert. und aufgrund des erbrechtes ahne ich schon, dass das garnicht so einfach ist festzulegen, wer ein verwaistes kind mit schwierig zu regelnden finanziellen stzrukturen groß ziehen soll.

    p.s.: die geschichte scheint zu stimmen, ich habe das bei aspekte gesehen, kannt den fall aber schon vorher. wie man im wikipedia artikel über stieg larsson lesen kann sind die schwedischen rechten alles andere als zimperlich was die beseitigung von unbequemen beobachtern angeht. der ganze melderegisterkram ist übrigens [hier] lösbar. wenn man sich bspw. bei der anmeldung beim einwohnermeldeamt in deutschland den bogen mal gut durchliest kann man da auch einiges sehr wichtiges streichen. das ist eden meisten menschen garnicht bewußt, was da für datensätze freiwillig feil geboten werden. ich bin selber über telefonbücher und melderegister für normale menschen seit jahren unauffindbar. man muß das nur bewußt in gang setzen.

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