diszipliniert. Täglich Sport oder wenigstens alle zwei Tage. Muckibude, Yoga, Joggen, Schwimmen. Die Welt steht mir offen. Doch zwischen uns liegt fett und bräsig mein Schweinehund, der innere. Hm.
Aber das Lamento geht gerade am Thema vorbei. Beim Spazierengehen im Netz kam ich an dieser Notiz vorbei.
ich glaube ich bin ein sehnsuchts-junkie. sehnsüchtig. ich glaube am meisten brennt meine seele, wenn ich wo dran bin. knapp dran bin. magische momente und momente kurz vor dem ziel sollte man konservieren. ewiges glück?
Als ich das las und danach meinen skeptischen Kommentar abgab, dachte ich an meine täglichen Kollisionen mit Sehnsüchtigen. Heftiges Fabulieren darüber, was man alles tun könnte, wenn die Welt einem doch die richtigen Bedingungen dafür bieten würde. Illusionen darüber, welchen märchenhaften Menschen man unsterblich lieben würde, wenn er denn endlich vorbeikäme. Träume davon, wer man wäre, wenn die anderen einen doch endlich erkennen würden.
Bullshit. Das Sehnsuchtskonstrukt hat etwas mit Vermeidung zu tun. Das Leben vermeiden. Gegenwind und Widerstand vermeiden. Konfrontation mit anderen Menschen vermeiden. Und letztlich auch die schonungslose Selbsterkenntnis umschiffen.
Wer sich ins Leben stürzt, spürt seinen eigenen gesellschaftlichen, emotionalen und körperlichen Marktwert.
Jetzt wollte ich weiter ausführen und das kann hart sein. Nein, das ist nicht hart. Handelnde Menschen, die sich ihrer selbst bewußt sind, haben ein Charisma, das ihre vermeintlichen Makel in den Hintergrund treten läßt.
Jungfräulichkeit ist nur in der ersten Nacht eine Sensation. Danach kommt die Ernüchterung, daß die Jungfrau von nichts eine Ahnung hat.
Sehnsucht überträgt die Verantwortung für sich selbst an andere/s. Der Traumpartner, auf den man ewig wartet, ist Selbstwertsteigernd. Der Traumjob, den man leider von ignoranten Personalchefs nicht angeboten bekommt, muß nicht erkämpft werden. Der Lottogewinn und der ausbleibende Reichtum liegen in der Ungerechtigkeit der Welt begründet.
Und doch kann Sehnsucht produktiv sein, sie ist die Triebfeder unseres Handelns. Nur was passiert, wenn der ersehnte Zustand eintritt? Rolle rückwärts? Ratlose Flucht zum nächsten Objekt der Begierde? Inszeniertes Scheitern, um das Ziel nur nicht zu erreichen?
Ich würde nicht so angepiekt darauf reagieren, wenn das nicht auch mein Thema wäre. Ich habe Jahre gehabt, in denen ich im Grunde genommen nur noch körperlich anwesend war. Der Rest war irgendwo im Nirgendwo und hat von oben herab auf die Welt geschaut. Ich wünschte mir andere Eltern, einen anderen Mann, eine andere Stadt, ein anderes Land, träumte von viel Geld, Schönheit und Berühmtheit. Getan habe ich nichts dafür. Schon der Gedanke an die Ausführung: geschäftlich fit sein, wegziehen, sich trennen, ließ mich zusammenzucken.
Irgendwann habe ich einen pragmatischen Trick gefunden. Ich leugnte die Sehnsüchte. Hatte ich kein Geld kultivierte ich Bescheidenheit. Hatte ich keinen Mann, erklärte ich, keinen zu wollen. Hatte ich keinen Sex, fand ich dieses ganze Gepaare sowieso blöd. Und so weiter. Und ich konditionierte mich so, daß dies tatsächlich meine innere Überzeugung war.
Was mich Gott sei dank nicht daran hinderte, ja zu sagen und zuzugreifen, wenn eins von diesen verdrängten Dingen wieder in meinem Leben auftauchte.
Und jetzt? Komischerweise bin ich gerade relativ wunschlos. (Jetzt, wo nun endlich auch die Liebe halbwegs mit beiden Beinen im Leben zu stehen scheint. Die Ängste und Vorbehalte weggeflogen sind wie schwarze Schatten.)
Essentielles gibt es noch, Sehnsüchte, die mit der Überwindung meiner Menschenangst zu tun haben. Freunde haben und die Freundschaften pflegen können. Authetische Orgasmen, keine Kopfkonstrukte. Impulsivität, Spontaneität.
Hm.