Zitierte eine Freundin eine Freundin.
Die mit ihren letzten 20 Mark einen Blumenstrauß kaufte, essen ging und auf diese Weise in Berührung mit der Welt blieb und unterm Strich ein reiches Leben führte.
Irgendwie habe ich die Tage viel darum diskutiert.
Um die Angst vor Verarmung und das Geldhorten und ein Leben so, als wäre der worst case schon eingetreten.
Darum, ab und zu den Test zu machen, wie wenig man eigentlich braucht und wovon man sich trennen kann. Materielles Fasten sozusagen.
Darum, welchen Wert man sich beimißt. Wie sich das ausdrückt. Ob man es sich wert ist.
Ob billig unterm Strich teuer ist.
Ob Kirchenmaus oder Katze. Grille oder Ameise.
Und dann machte der Diskurs einen Ruck.
„In der DDR gab es keine armen Leute.“
WTF?
ES dauerte lange, bis die Erinnerung wieder kam. Die Freundin mit dem dauerkranken Kind, die von 200 Mark Sozialhilfe lebte. Die Invaliden und alten Hausfrauen, die zuletzt eine Mindestrente von 330 Mark bekamen. Der Opa, der den Müll durchwühlte, um Verwertbares zu finden und Eier und Blumen an der Wohnungstür verkaufte, weil er auf einen Farbfernseher sparte. Die Freundin, deren psychisch kranke Mutter Ende der 70er 300 Mark Invalidenrente bekam und Kindergeld (20 Mark???), die nie in Urlaub fuhr und zweimal im Jahr zwei Hosen für 15 Mark und Leinen-Turnschuhe für zwölf Mark kaufte. Manchmal nähte sie sich was aus Stoffresten.
Es ist sicher keiner vor Hunger gestorben. Die Teilnahme an (staatskonformen) Veranstaltungen und Vereinen war auch umsonst, Kino und Theater relativ billig. Die Wohnbedingungen waren erschwinglich, aber katastrophal. Eben diese verkommenen, kaum heizbaren Altbauwohnungen ohne Bad und mit Klo auf der halben Treppe, um die wir nun, nach der Sanierung, in Mietwettbewerb treten.
Wer hochqualifiziert aus dem Beruf fiel, sei es durch Unfall oder Krankheit, mußte drei oder vier Stufen tiefer wieder anfangen, wenn er mit verminderter Funktionalität nicht mehr zu gebrauchen war.
Wenn „keine Armut“ bedeutete, daß keiner Obdachlos war oder verhungerte, dann akzeptiere ich das. Ansonsten lebt heute selbst ein Hartz IV Empfänger auf wesentlich höherem Niveau als ein Armer in der DDR.
Nur zur Erinnerumg.
Übrigens gibt es im Netz so gut wie kein Zahlenmaterial zu dem Thema. Es dürfen gern Fakten und Erinnerungen in den Kommentaren hinzugefügt werden.
Amen!
Es reicht nicht, einen verklärten Blick für das zu haben, was vermeintlich gut war. Es gab sehr wohl Armut, wenngleich sie sich anders darstellte als das, was wir heut dafür halten.
Mensch erinnert leider immer nur die guten Dinge.
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(das stimmt alles. beschäftigt mich auch. ärgerlich, wie schnell man immer aus dem faktischen raus- in die ganzen projektionen rein rutscht)
hoch verehrte frau koma,
dies ist ein wunderbarer, anregender text!
ich lese ihn auch täglich :-)
ob es wohl möglich wäre, zu erfahren, wie es ihnen geht…. und wann sie hier mal wieder weiter machen??????
herzlichst und sehnsüchtig wartend…. ihre ro
REPLY:
Mensch erinnert leider immer nur die guten Dinge.
Wohl wahr.
Das ist ein klarer Fall für Früher ™
REPLY:
Ich hatte es auch fast vergessen.