Dit is Urlaub … oder was?

Geneigte Herrschaften, ich empfehle Ihnen das Ostseebad Boltenhagen.
Im Baumarktcharme sanierte FDGB-Ferienheime und großzügige Baukastenwohnanlagen bieten dem unteren Mittelstand behagliches Quartier.
Für ihren Strand können sie nix und der Besucher sieht die Spuren der morgendlichen Mühen. Doch selbst der Radlader hat es nicht geschafft, die infernalisch stinkenden, schmierigen braunen Haufen abzufahren.
Dafür nehmen sie 2,50 Eintritt.
Wofür?
Für einen sauberen Strand.
S.o., die Natur richtet sich leider nicht nach dem Dienstplan von 1-Euro-Jobbern.
Für kostenlose Toilettenbenutzung.
Auch dieser Teil der Natur richtet sich nicht nach dem Dienstplan … usw., vor allem wenn die männliche Hälfte der Urlauber die Bierplautzen pflegen muß. Sie sollten mit den Strandtickets Sagrotantücher verteilen.

Nach einem schönen langen Strandspaziergang noch ein Eis zu essen ist eine klasse Geschichte. Wenn das dann ein bißchen öm ist, dann macht das auch nichts. Man geht zurück und reklamiert es.
Tut mir leid, das Eis scheint schon mal aufgetaut zu sein, es ist grisselig und schmeckt nicht.
Ja und?
Ich möchte es nicht essen.
Das ist Ihr Problem, ich habe es vorhin selbst gegessen, das ist ganz lecker.
Kollegin kommt dazu: Da könn wir nichts machen.
Ich möchte keine andere Eissorte, ich möchte an ihre Kulanz appellieren, bitte zahlen sie mir das Geld zurück.
Geht nicht. (Der Blick: Hier wird gegessen, was auf den Tisch kommt!)
Warum nicht?
Können wir nicht entscheiden.
Wer kann das entscheiden?
Der Chef.
Wo ist der Chef?
Irgendwo da hinten, am zweiten Tisch. (Zeigt ins Areal einer Nackesteakbraterei von der Größe eines halben Fußballfeldes.)
Ich gehe zum zweiten Tisch.
Wer von ihnen ist denn der Chef?
Icke! Icke! Nee, Icke! Drei Säufer grinsen mich trübe an.
Ich gehe zum Biertresen.
Wo ist denn hier der Chef?
Warum wollen Sie das wissen?
Ich habe eine Reklamation.
Irgendwo da hinten. Fuchtelt in Richtung Brötchenbackofen.
Ich frage den Bäcker.
Hallo, sind sie der Chef? Der Bäcker zuckt zusammen.
Nee, bestimmt nicht. Aber da kommt die Chefin.
Ich nehme mit einer dynamischen kleinen Blondine Schritt auf, die mich keines Blickes würdigt und schildere ihr beim Durchqueren des Terrains mein Problem.
Lassnset sich zurückgebn. Sagt sie, als sie nach links abdreht.
Zurück am Eisstand.
Sie sollen mir das Geld zurückgeben.
Wer sagt das?
Ihre Chefin.
Wo ist die denn?
Da.
Die verdreht genervt die Augen.
Ja, zurückgeben.
Ich bekomme 60 Cent auf den Tresen geworfen.

Das ist einer vielen Momente, wo ich die Arbeitslosenquote in MacPomm für durchaus gerechtfertigt und noch zu niedrig halte. Denn ich wurde bereits von Menschen bedient, die nach einem Bewerbungsgespräch für fähig befunden wurden, diesen Job auszuüben.

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16 Gedanken zu „Dit is Urlaub … oder was?

  1. Huahahaha! Das klingt saukomisch, wenn man nicht selber blödes Eis zurückgeben will. Sehr schön geschrieben. Und manchmal befällt mich auch hier in der Gegend das Bedürfnis, die Leute sofort von der Pein des Arbeitslebens zu erlösen. Auf welchem Weg auch immer. Ich leide mit! Sonst aber noch eine Zeit, die so schön wie möglich ausfällt,

  2. REPLY:
    alles in allem ein fast perfektes ddr-dejavu. gott sei dank war es nur ein zweistündiger ausflug eines ansonsten sehr idyllischen wochenendes in der wismarisch-schweriner gegend.

  3. Eieiei… vielleicht sollte ich doch noch 10-15 Jahre warten, bis ich es endlich wage endlich die „DDR“ zu erkunden…

  4. Kommen Sie, das war doch nur eine Filmkulisse.
    Das kann doch nicht wirklich so sein, so klischeehaft, so platt.
    Sie mussten Eintritt bezahlen in die Show: „Zwanzig Jahre zurück“.
    Und uns erzählen Sie, dass das real gewesen wäre, sie Scherzkeks :-)

  5. Weia, aber ich denk der Umkehrschluss ist doch der falsche. Die, die zu diesem Job fähig sind und Spaß daran haben, wollten womöglich nur –,50 Cent mehr haben.

    Das geht natürlich nicht. Für einen Job überhaupt bezahlt zu werden. ,-)

  6. REPLY:
    neenee, kommse mal eher. man muß ja auch mal was anderes kennenlernen.

  7. REPLY:
    nein leider, es ist wahr. auch die sachsen am nacktstrand sind noch da. mittlerweile dank mcburger wandelnde fettgeschwülste und mit piercings und tatoos geschmückt, aber immer noch laut, leicht angesoffen und fröhlich.

  8. REPLY:
    das könnte ein kriterium sein. da oben wiegt die bezahlung er jobs oft die kosten für die anfahrt zum arbeitsort auf. aber auch ansonsten ist der fischkopp (zumindest zwischen boltenhagen und peenemünde) nur bedingt für servicejobs geeignet. da fehlt ein gen.

  9. Hm.
    Na ja.
    Und was genau beklagt sie nun?!
    Aber jetzt nicht, dass Menschen wie Menschen sind?

  10. Wahrscheinlich wird das extra gefördert von der Agentur für Arbeitslosenverwaltung, wegen dem Lokalkolorit, nicht daß die Leute nachher denken, sie wären an der Nordsee gewesen.

  11. REPLY:
    wenn ich im urlaub bin, will ich freundliche, kooperative menschen. bockbeinige zicken und zickige böcke hab ich im job.

  12. REPLY:
    und das wegen 60 ct., das ging mir auch durch den kopf, als ich quer über das areal des ostballermanns stolperte. aber genau darauf haben die leute ja spekuliert, als sie mich über den parcours schickten.
    ist wie früher in der ddr. wenn du was unziemliches wolltest, haben sie sich auch erst mal von pontius zu pilatus geschickt, dann immer noch die echtheit des stwempels auf dem formular angezweifelt, dich warten lassen und dann haben sie dich mit verächtlicher geste gewähren lassen.

  13. REPLY:
    da sollte man mal drüber nachdenken. wäre ja schlimm, wenn sich das so angleicht.

  14. REPLY:
    Gewiss doch.
    Ich finde bloß die überdauernde korrelation mit der alten ddr immer ganz amüsant. Was tu sie bloß, wenn ihr, wie mir geschehn, in freudenstadt der toiletteneimer in rechnung gestellt wird, weil das after shave drauf fiel und der deckel zerbrach, oder wenn sie in zwiesel nachmittags um 3 uhr nur diese labberige weiße wurst mit dem bärgs-süßen senf bekommt „broatzait halt…“ Welcher politische überbau ist denn dafür zuständig? *fg*

  15. Wegen 60ct wär mir das zu anstrengend gewesen – aber im Prinzip hab ich solche Erfahrungen dort oben hin und wieder auch machen dürfen. Meist klappt der Service aber doch und nur die Miesen stechen deswegen raus.
    Dafür hab ich von ’nem Fischkopp schon hören dürfen, dass einem diese Dauerfreundlichkeit und Ewiglächelei in Dresden auf den Sack ginge. Vielleicht haben die sich wirklich mit Genetik angesteckt.

  16. Ja, das kenne ich. Das ist einer der Gründe, wieso ich vor der mecklenburg-vorpommerschen Ostseeküste immer etwas zurückschrecke. Diese Mischung aus einem deutlichem Widerwillen, Dienstleistungen zu erbringen, und schierer Unfähigkeit. Ich bin da nicht gern und habe für das Gejammer über die wirtschaftliche Lage vor Ort wenig über. Das ist nicht alles hausgemacht, aber vieles.

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