In letzter Zeit passiert es des öfteren, daß ich Geschriebenes wieder Offline nehme, so wie gestern den Linsen, Schnitzel, Igelbraten-Text. Die Hausfrauen- und Lebensdinge, die ich schreibe, scheinen mir akzeptabler. Braves Mädchen, sag lieber nichts. So ist fein.
Dabei hätte ich zu Sprache und Kultur so viel zu sagen. Über Spaltung von Sprache und Realität. Weil die Träumer sich in Despoten verwandelt haben, die nichts mehr zulassen als sich und ihren Entwurf der Welt. Die zuletzt glauben, dass die Welt wie sie ihnen gefällt, die Wirklichkeit ist.
Menschen, die glauben, die Welt zu besitzen, wenn sie die Dinge, die sie umgeben neu benannt haben.*
Über Sklavensprache, die versucht die Dinge, über die heimlich gesprochen wird in der öffentlichen Kommunikation zu platzieren, aber so, dass die, die die Macht haben über die Sprache es nicht merken. Über die Macht des Dokumentarischen. (Die wichtigsten Filme in der DDR waren am Schluss Dokumentarfilme, die eine ganz andere Welt zeigten, als öffentlich kommuniziert wurde. Helke Misselwitz, Petra Tschörtner, Frauen die es nicht nötig hatten, in irgendjemandes Arsch zu wohnen und davon profitierten, dass die männlichen Filmemacher gaaanz wichtige Dinge taten und sie aus dem Radar waren.)
Über Literatur, die plötzlich welk und kraftlos wird, weil Ambivalenz im Storytelling beim Bau der perfekten Zukunft stört. Beste Beispiele: Willi Bredels Trilogie „Verwandte und Bekannte“ oder noch besser „Der stille Don“. Ich habe mir vorgenommen die letztere Tetralogie im Winter wieder zu lesen. Als Mittzwanzigerin hatte ich den ersten Band verschlungen. Ein wahnsinniger Heimatroman, ein Blut- und Boden-Epos der anderen Art mit einer irrsinnig starken Frauengestalt. Der zweite Band hatte einen ähnlichen Drive, ich wurde aber schon skeptischer, den dritten las ich nur an. Aus den prallen Figuren wurden allmählich sprechende Propagandaplakate. Hatte man den Autor einer Hirnwäsche unterzogen?*
Ich lehne Sprachmanipulation rigoros ab. Sprachmanipulation ist Denkmanipulation. Um den Zugriff auf mein Hirn zu unterbinden, bin ich in den 80ern zum Theater geflüchtet, da hatten wir den Status von Hofnarren. Als die Mauer fiel, war ich froh, frei denken zu können, ich wäre in diesem Land früher oder später wahnsinnig geworden. Ein zweites Mal lasse ich mir das Hirn nicht spalten.
Jeder, der Sprachmanipulation betreibt, behauptet, er täte es für eine gute und wichtige Sache. Jeder. Das ist das Gefährliche daran.
*Die Geschichte dahinter ist weitaus komplizierter. Scholochow hat scheinbar den Roman eines weißgardistischen Offiziers plagiiert und als Spinoff verlängert.
Super.
Meinen Kommentar zum offline gesetzten Eintrag, der mir während der morgendlichen Hunderunde durch den Kopf gegangen ist, kann ich mir jetzt einrexen.
Das ist aber nicht das eigentliche Problem, denn das liegt darin, dass Sie, wie mir scheint, eine Tendenz entwickeln, sich selber mundtot zu machen.
Mich ärgert, dass mich die Sache so aufregt. Es geht nicht um Schnitzel, es geht nicht um Dekolletes. Es geht um die allgemeine Tendenz, einen sprachlichen Puritanismus zu entwickeln, den ich kenne und den ich nienie wieder erleben will. Ja, was ich mache mit dem Schnauze halten, ist etwas, das ich mir geschworen hatte, daß ich das nie wieder tun wollte in meinem Leben.
(Und hinter dem Schnitzel steckt ein ganzer Exkurs, wie die Kultur des Habsburgischen Reiches unter Verortungsverlust in Sterotypen weiterlebt und den irrsten Wandlungen unterworfen ist. Stichwort Piroschka) Aber ich habe keine Lust, von irgendwelchen Spacken gemaßregelt zu werden, denen die einfache Lösung wichtiger ist als die Analyse.
Das hier ist IHR Platz, Sie müssen es sich nicht gefallen lassen, wenn sich jemand derb im Ton vergreift. Und das hat jetzt nichts mit Redeverbot zu tun, sondern es geht hier rein um Tonfall und Ausdrucksweise, denn eine Meinung äußern und sich im Ton vergreifen sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Sie würden ja auch niemanden zu sich nach Hause einladen, der ihnen – aus welchen Gründen auch immer – bei der ersten Gelegenheit die Einrichtung zertrümmert.
Die Frage der Kommentarmoderation war auch bei mir lange ein Thema, und ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass manche Menschen, denen mangelnde Sozialkompetenz innewohnt, Grenzen gesetzt bekommen müssen (ein Punkt, an dem virtuelle und greifbare Realität einander treffen).
schade, dass ich den nun offline genommenen eintrag verpasst habe! auch ich habe die ddr-sprache inkl. gehirnwaschgängen noch live mitbekommen. und gehasst. (stichwort fahnenappell …) aber ich war ein braves kind, das sich seinen teil dachte, die klappe hielt – und dadurch mit seinen vielen fragen zu den entdeckten widersprüchen allein dastand.
daher interessiert mich deine sichtweise besonders, weil du dich dem sprachdiktat ganz offensichtlich sehr rigoros entzogen und eine ähnlich heftige allergie dagegen entwickelt hast wie ich.
Ich habs wieder online gestellt.
Interessant, dass sich auch hier der enorme Sozialisierungsunterschied zwischen Ost und West zeigt. Was dem einen ein Wert ist, wird vom anderen über Bord gekippt.
Ich finde, dass ist einer der besten Beiträge, den du in letzter Zeit online gestellt hattest (und Sie wissen, welches Plaisir ich dennoch an Hausfrauen-, Näh- und Abendkleider-Content habe!). Gerade weil du aus zwei Erfahrungswelten die Dinge betrachten und sogar noch theoretisch untermauert begründen kannst.
Im Zweifelsfall bitte eventuelle Kommentare moderieren (denn dies ist dein Heim und Gärtlein), was nicht Zensur oder Gedankenzensur auf die neue Art heißt, denn Beleidigungen und Schmutz sind imho nicht hinzunehmen. Im eigenen Vorgärtlein.
Mir sind Sprach- und Denkvorschriften extrem suspekt. Natürlich muss ich nicht vom „Negerkönig“ mehr erzählen, wenn ich Lindgren vorlesen oder ein „Zigeunerschnitzel“ ohne zu denken bestellen. Aber der wichtigere Punkt ist doch darüber nachzudenken und das Hirn nicht abzuschalten, wenn es ums Besser-Nennen geht. (Mein Linguistik-Grundkursus ist zu lange her, um das korrekt mit den Termini zu beschreiben.)
So, dann kann ich den Artikel von gestern ja nun doch noch weiterempfehlen. Gerade, weil du dich weigerst, die selbstgemachte Sprachpolizei zu sein oder dieser zu folgen.
Ach, danke! Diese aufeinanderfolgenden Rants haben zumindest eine Sache in mir in Bewegung gesetzt: Ich erkenne, dass das PAL – Probleme anderer Leute sind. Ich bin anders sozialisiert, habe eine andere Biografie und meine Werte sind andere. Wer in seinem Leben zu viel Freiheit erlebt hat, braucht vielleicht die Beschränkung. Gleiche gilt für den Anschluss an bestimmte Bewegungen und unreflektierte Reflexreaktionen in deren Geiste. Das gibt Halt und Orientierung. Das mag ich niemand verdenken.
Es ist nur nicht meins.
In diesem Sinne bitte ich, über die Holperer in meinem eigenen Kommentar hinwegzusehen. Der Ärger war größer als die Orthographie.
Nichts sagen ist so gar keine Option!!! Bitte weitermachen, auch gerne mit Hausfrauendingen, schaumgeborenen Linsen, tollen Näherfolgen und ähnlichem, aber nicht nur.
Und für den Willi B. bekommen Sie ein -Hach!- von mir. Danke!
Ich habe die „Rosenhofstraße“ online gefunden. Das kenne ich noch nicht, das werde ich noch lesen.
Wie schön, dass der Beitrag wieder online ist! Ich habe ihn zwar erst heute gelesen, aber ich habe mich sehr über ihn gefreut.
:)