Trotz Sonntag stand ich relativ früh auf und setzte mich an das Konzept. „Zusammenbacken“ nannte das der Co-Autor. Zusammenbacken war es auch wirklich, denn wir haben zwei vollkommen unterschiedliche Kommunikationsstile. Er bilderreich und ausführlich, ich knapp und prägnant. Gegen 11 Uhr war ich fertig, aber da fehlte noch ein weiteres Konzept, das ich für die Veranstaltungswoche einzeln einreichen wollte. Also ging ich auch noch über diesen Entwurf, das wurde auch nur ein Einseiter.
Dann war es früher Nachmittag und auch schon wieder so weit, die Badesachen zu packen und in Richtung Müggelsee zu fahren. Eine Freundin ist im Frühjahr vom Prenzlauer Berg nach Friedrichshagen gezogen, eine wunderbare Idee, wie ich finde. Meine Jahre an der Dahme in Grünau waren vom Wohngefühl her mit die schönsten.
Aber vor der Sommerfrische am See kommt die Fahrt mit dem ÖPNV. In der U8 die üblichen übrig gebliebenen derangierten Nachtgestalten, ergänzt durch sonntäglich geputzte Familien, die samt und sonders keine Deutsche waren. Scheinbar treffen sich nur noch Polen, Türken und französische sprechende Afrikaner zum sonntäglichen Kaffeeklatsch. – Oder aber die entsprechende deutsche Population nimmt das Auto.
Die S-Bahn war dann voller Menschen mit Fahrrädern und Badetaschen. Je weiter östlich und ländlich, desto größer wurden die Styling-Fails. Während die Mütter ihre nicht mehr ganz taufrischen Arschgeweihe nun unter voluminösen Shirts verstecken und ihr letzter modische Schrei die Bicolorfrisur ist, tragen die Töchter Schlachterstempel an besser sichtbaren Stellen, dazu mitten auf der Stirn schwebende schwarze Augenbrauen und zu Ballons aufgeblasene Brüste. Naja, in 10 Jahren kommt dann das weite T-Shirt drüber.
Bemerkenswert, dass Friedrichshagen schon immer, auch in DDR-Zeiten, eine kleine Insel der Seligen war. (die Maulbeerbäume gibt es noch und die Maulbeeren sind grade reif) Das war nicht der abbröckelnde Hype der kaiserlichen Ruder- und Segelclubs und riesigen Vergnügungslokale wie an der Dahme, das war schon immer klein, niedlich und gediegen, mit recht wohlhabenden und unspießigen Immobilienbesitzern im Umfeld.
Die Freundin hat dort eine hübsche Wohnung zu ziviler Miete gefunden, ein großer Glücksfall, wie sie berichtete, und statt der Säufer vom Helmholtzplatz gibt es nun riesige Joggingareale, nette Badestellen und gute Gastronomie.
Wir besichtigten die Wohnung und schwammen dann ein Weilchen auf den Müggelsee hinaus. Ich hatte einige Déjà-vu-Erlebnisse, dieses am Wochenende von unzähligen Booten aufgewühlte und kabbelige Wasser, der Geruch von Kiefern und Sommerstaub, die Wolken…
Zum Hinlegen war die Badestelle zu voll und so gingen wir weiter an die Müggelspree, um zu schauen, ob in der Arche unterkämen, aber das war wie erwartet, sinnlos. Wir hatten mehr Glück im Domaines, das auf der Friedrichshagener Seite des Spreetunnels liegt. Ein französisches Restaurant in einem winzigen Pavillon, das phantastisches Essen hat.
Gesättigt brachen wir auf und wenigstens auf dem Rückweg verteidigte die S-Bahn ihren Ruf als Chaotenschleuder. Zuerst fanden wir ob der wirren Ausschilderung auf dem Bahnhof Ostkreuz die nach Westen weiterfahrenden Bahnen nicht, das waren schon mal 20 Minuten, die wir in der Hitze mit vielen Leuten auf dem falschen Bahnsteig rumstanden. Dann stand die volle Bahn, mittlerweile war jede Lücke in den Gängen mit jugendlichen Spaniern aufgefüllt, deren Frauen die Lautstärke eines Nebelhorns entwickeln konnten, eine Viertelstunde auf dem Ostbahnhof herum, bis wir dann alle wegen einer Signalstörung aus der Bahn komplimentiert wurden. Irgendwas ist immer. Stellwerksstörung, Polizeieinsatz, Signalstörung. Zehn Minuten später ging es weiter.
Als wir zu Hause ankamen, waren wir total fertig. Ich ging nur noch unter die kühle Dusche, sendete das Konzept endgültig ab und legte die Beine hoch.
Sehr herzlich gelacht über die Reisegesellschaft und sehr Sie beneidet für die Maulbeeren am Wegesrand.