… das ich immer und immer wieder lese, denn es ist mein Lebensseismograph.
Das ist „Eine andere Welt“ (Another Country) von James Baldwin. Eigentlich eine ganz simple New-Yorker Künstlerfreundesgeschichte. Nicht. Eine Geschichte über Rassentrennung, Homosexualität, Künstler-Sein, Armut, Aufstiegswillen, Bürgerlichkeit, Liebe, Nichtanpassung, städtischen Verfall, Erfolg und Jazz, jede Menge Jazz.
Als ich das Buch zum ersten Mal las, war ich 13 oder 14. Da interessierten mich Sex, New York und Jazz daran.
Ich nehme es im 4-5-Jahresabstand immer wieder zur Hand und es blättert sich eine neue Facette auf:
Der Mythos vom armen Künstler.
Die begnadete Sängerin, die alles für ihre Karriere tut, selbstverständlich auch mit dem Manager schläft.
Homosexuelle Liebe als Erlösungsmotiv und Mittel zur Selbsterkenntnis.
Die Geschichte vom Künstler als Diener des Marktes, der plötzlich nicht mehr Künstler genug ist.
Ein Amerikaner in Europa.
Nicht zuletzt Cass. Meine Identifikationsfigur. Die blonde, weiße, bürgerliche, zickige, ewig unzufriedene Cass, die als einzige Revolte in ihrem Leben – übrigens als Reaktion auf den schriftstellerischen Erfolg ihres Mannes – eine Affäre mit einem homosexuellen Freund beginnt.
Vor ein paar Jahren bekam ich einen Schreck, als ich begriff, daß Cass, die mir immer uralt vorkam, mittlerweile 10 Jahre jünger als ich ist. So vergeht die Zeit mit einem Buch.
Der ganze Fragebogen.