Der Wind war abgeflaut und nun war es in der Sonne recht warm.
Morgens hatte ich es geschafft, haarscharf an einem Twitter-Scheißegewitter vorbeizuschrammen. Ich wurde gefragt, was ich von #allesdichtmachen halte. Ich so Hä? und suchte nach dem Hashtag, sah mir ein paar Filme an, in denen sich Schauspieler sarkastisch über die Corona-Maßnahmen äußern und wohl auch die Regierung kritisieren und fand mich wieder in der Kommentierung des Doublebinds, daß Kontaktsperre gut für das soziale Wesen Mensch ist und dann bald alles vorbei ist – oder auch nicht. Ich pendele in meinen Überlegungen seit Wochen zwischen: Alles zumachen für drei Wochen, komplett die Füße still halten, alle. und: Wir werden uns in den nächsten Jahren von Mutante zu Mutante hangeln und das geht nicht weg. Ich fand mich mit meiner Gefühlsverwirrung und meinen Zweifeln wieder.
Und ansonsten zuckte ich die Schultern. Daß Leute auf der Regierung rumhauen, ist in den sozialen Medien doch Tagesgeschäft. Daß das nun ausgerechnet Schauspieler machen, macht es für mich politisch nicht ernstzunehmender.
Als ich mich in der Richtung auf Twitter äußerte, kam Widerspruch, der durchaus auch mal imperativ wurde. Dann bekam ich mit, daß Tout Twitter scheinbar schon stundenlang am Schreien war.
Ich blende den ganzen Empör schon seit Wochen durch Überlesen aus und hänge absichtlich 24 Stunden in meiner Timeline hinterher. Seelenhygiene. Irgendjemand schrieb neulich auf Twitter, man könne grade ein paar Leuten beim langsamen Verrücktwerden zusehen. Die Situation ist für alle, jeden auf seine Weise, schwierig. Da muß man den Kopf klar halten und so was nicht reinlassen.
Das ist nicht meine Tasse Tee. Ich habe letztes Jahr kaum über meine sehr frühen Vorsichtsmaßnahmen geschrieben, weil meine Peergroup da noch der Meinung war, so etwas wie das Bundesseuchengesetz, das heute abgestimmt wurde, wäre Naziteufelswerk. Jetzt hat es sich gedreht, jetzt ist man Nazi, wenn man Probleme hat, daß es per Gesetz zentrale Beschränkungen und eine strikte Ordnung gibt.
Ich habe keine Probleme mit Einschränkungen. Ich bin in einem autoritären Staat aufgewachsen. Solche Ordnung von oben beruhigt mich in schweren Zeiten.
Wir gingen mittags raus und spalteten das Holz fertig. Es sah nicht so aus, aber die Stamm- und Kronenbasis war noch einmal eine Menge Holz. Es sind ca 10 Raummeter, vielleicht sogar noch etwas mehr, weil wir trockene Scheite schon seit zwei Wochen verheizen und noch Teile von drei jungen Eschen dazu kommen, die auf dem Grundstück gefällt wurden.
Die Arbeit ist anstrengend, auch wenn die Aussicht auf Heizmaterial fürs nächste Jahr gut ist, nochmal machen wir das nicht. Es hält uns von unserer eigentlichen Arbeit ab.
Abends war ich zu müde zum Kochen und aß nur eine halbe Tüte Chips und einen Schokoriegel. Ich hoffe, ich werde nachts nicht hungrig.
In den letzten tagen hatte ich mir im Fernsehen The Movies angesehen, eine Dokumentation über die Geschichte Hollywoods.
Ich merke, daß mir doch manchmal etwas fehlt. Kino, daß mit großen Bildern erzählt wird, der dunkle Saal, die Konzentration auf den Film.
Ich habe mal auf meine Liste geschrieben, daß ich in einem flachen amerikanischen Haus in einer wüstenähnlichen Landschaft leben und meine Tage im Swimmingpool und im Kinosaal verbringen wollte. Nun lebe ich in einem barocken Haus mit Park in einer irisch anmutenden Landschaft und habe zwei große Fernseher zur Verfügung.
Kino kommt später. Auch im Jenseits gibt es Kinosäle, da bin ich mir sicher.
Falls ihr irgendwann “danach” Open air Kino im Park veranstaltet, werde ich gerne anreisen!
LG
Poupou
Der Graf plant so etwas tatsächlich.