Nach einem Kaffee pilgerte ich in Richtung Hausarzt. Nichts Bedeutendes, nur einmal Vampirservice für die Schildrüsenwerte. Der Doc war auch gerade gekommen, hatte seinen Fahrradrucksack vorm Empfangstresen auf die Erde geschmissen und betete seinen Mädels noch mal die Standardantworten für die heutigen Kassenpatienten vor: XY ist zu teuer, das zahlt die Kasse nicht, nehmen Sie statt dessen Z. AB können wir gern machen, kostet aber soundso viel, wenn Sie das bezweifeln, rufen Sie bitte Ihre Kasse an.
Ich möchte derzeit nicht mit ihm tauschen.
Eine Freundin, die im Pflegebereich arbeitet, sagte mal zu mir, das deutsche Gesundheitswesen sei für die Patienten und Ärzte ein riesiger Selbstbedienungsladen gewesen, an dessen Ende keine Kasse stand. Nun, das ändert sich gerade. Das ist nicht angenehm. Nur will sich scheinbar auch niemand damit auseinandersetzen, wovon wir das allesamt bezahlen wollen.
Ich finde es immer wieder frappierend, daß richtig gute, renommierte Ärzte recht niedrige Rechnungen schreiben. Den Abkochern sieht man es meistens auch an.
Auf dem Rückweg von der Arztpraxis kaufte ich mir eine Streuselschnecke. Ich habe nämlich zunehmend das Gefühl, daß meine komischen Essensanwandlungen daher kommen, daß ich seit Jahren kein Brot vertrage und esse, irgendwas scheint in mir zu fehlen und wird hektisch verlangt. Ich teste jetzt mal nach und nach, was geht. (Also nicht nur Kuchen, aber die Lieblingsessen nehme ich doch gern mit.)
Ich arbeitete ein paar Stunden und ärgerte mich, daß meine Prokrastination mich in die blöde Lage versetzt hat, daß ich nunmehr noch eine Woche für die Smart Repair meines Autos habe, plus Lackierung. Ich hatte die Nummer des Autofritzen aus Strausberg versiebt und der meldete sich bei mir auch nicht mehr mit einem Kostenvoranschlag, weil er eher am Verkauf des Wagens interessiert war. Mist. Weiß jemand einen guten Reparateur in Berlin oder Brandenburgischer Umgebung? Den Lack muß ich nicht unbedingt machen lassen. Es ginge um eine abgeschabte, klarlackierte Leichtmetallfelge und den unteren Stoßfänger vorn, der vom Bordstein einige Risse hat, die geklebt und gespachtelt werden müssen. Autos sind einfach nicht mein Ding, abgesehen vom Fahren.
Als ich über Twitter einen Freund kontaktierte, der dies probehalber geschäftlich tut, fragte ich mich, ob es nicht an der Zeit sei, nicht überall als Kitty unterwegs zu sein. Einerseits ist der Name eingängig und merkfähig, andererseits ist es irgendwann wie mit diesen Spaß-Email-Adressen, die in bestimmten Bereichen überhaupt nicht mehr gehen, früher aber normal waren.
Ich habe mittlerweile kein Problem mehr damit, meine Anonymität zu lüften. Ich gebe meinen Beruf auf, der viel mit Diskretion und exponierter Stellung zu tun hatte, ich werde sicher in Zukunft nicht als Angestellte arbeiten, da ist es quietschegal, ob jemand weiß, ob ich am Abend vorher Party gemacht habe oder nicht. Nachdem ich die Änderung gemacht hatte, kam mir das blöd vor. Bestimmte Sachen kann nur Kitty Koma schreiben, Jana Kunath aber nicht. Ich gab mir einen Tag Bedenkzeit.
Um die Mittagszeit traf ich mich mit der Frau meta_morfoss, formerly known as Hühnerschreck auf ein persisches Essen. Sie war mal eben mit einem Wahnsinnstempo vom unteren Neufünfland nach Berlin gekommen. Es ist immer wieder eine Bereicherung, die engen Netzbekanntenschaften dann ins wahre Leben umzusetzen.
Ins Büro zurückgekehrt, führte ich ein paar Telefonate. Einige Leute, mit denen ich gut zusammengearbeitet habe, melden sich Freitags gern bei mir, um mit mir zwanglos zu plaudern. Das ist schön. Dann lasierte ich die neugekauften Holzplatten.
Irgendwie läuft in der nächsten Woche alles auf ziemlichen Streß hin: Auto abgabefertig machen, Seminar vorbereiten, Küche fertigstellen, Papierkrieg mit Frist etc. Mal sehen, wie ich das abfange.
Nach Arbeitsschluß quälte ich mich quer durch Berlin, in den Friedrichshain. Dort war der Laden, der mir die fehlenden Schläuche und Dichtungen für meinen Kühlschrank verkaufen konnte. Ich nahm auch noch einen Wassertest mit und weiß nun, daß das C-Burger Wasser ziemlich gut, aber doch chlorhaltig ist.
Den Abend verbrachte ich lesend auf dem Balkon. Ich bin derzeit zwar wenig empfänglich für Freizeitstreß und muß nicht bei jedem vermeintlich letzten Sommertag nach draußen stürzen, aber der milde Abend im Schein der Petroleumlampe war sehr schön.
Nachtrag: Als ich eine Facebook-Mail beantwortete, sah ich zum ersten Mal bewußt auf die für mich personalisierte Werbung.
Ein Tierheim bot per Foto niedliche Welpen an. Stayfriends wollte, daß ich Klassenkameraden wiederfinde. Und ein Laden namens eDarling wollte mich mit dem Foto eines graumelierten, normal-seriös aussehenden Mittfünfzigers (Spontanassoziation: Wasnndasfürnaltersack?) interessieren. Frauen von 46 scheinen für personalisierte Werbung also rückwärtsgewandte, mannigfach beziehungsaffine Wesen ohne sexuelle Ansprüche zu sein, die was zum Quatschen (Stayfriends), Knuddeln (Wauzi) und Versorgtwerden (älterer Herr) suchen.