Es ist wieder mal Zeit für Tagebuchbloggen. Für längere Beiträge reicht es gerade nicht, weil hier zu viel los ist.
Der gestrige Tag bestand darin, dass mich durch wissenschaftliche Arbeiten und Tests grub. Thema: Selbständigkeit gleich nach dem Studium. Als ich mein Studium 1993 beendete, war das noch etwas, von dem dringend abgeraten wurde. Der Rat war damals, mindestens 10 Jahre in einem Großkonzern zu absolvieren und Geld und Erfahrungen zu sammeln oder gleiches bei einem Mittelständler zu tun, um ggf. die Firma zu übernehmen.
So ändern sich die Zeiten. Heute ist es ziemlich egal, ob man sich durch Praktika und Zeitverträge hangelt oder lieber gleich auf eigene Rechnung arbeitet.
Das Idealbild des Gründers mit einer tollen Idee, die die Welt braucht, die/der Durchsetzungsfähigkeit, Durchhaltevermögen und Risikofreude hat, unterscheidet sich meist beträchtlich von der Realität, in der oft aus prekärer Situation in die Selbständigkeit gegangen wird, um überhaupt einen Fuß ins Arbeitsleben zu bekommen. Aber selbst eine Entscheidung auf so einer Basis kann Menschen große Kraft geben.
Was mich erschreckte, ist der Fakt, dass auf unternehmerische Eigenschaften spezialisierte Tests auch als Grundlage dienen, ob sich Finanzierungsunternehmen mit einer Gründung beschäftigen oder nicht. (Mit Tests hatte ich bisher nur am Rande zu tun, weil ich in handverlesenen Branchen gearbeitet habe.) Der Sinn solcher Test ist dann fragwürdig, weil jeder versuchen wird, sie zu bescheißen und außerdem – nachdem ich sie durchgespielt hatte – hoffe ich schwer, dass die Entscheider die Ergebnisse tatsächlich einschätzen können. Die ideale Unternehmerpersönlichkeit wäre ein gefährlicher Soziopath. (Nicht dass ich davon nicht einige erlebt hätte, es gibt welche, die laufen noch heute wie die Zombies durch Berlin, nachdem das Unternehmen nun jemand anders gehört, andere sind schon lange tot.) Damit macht man es sich etwas einfach, finde ich. Welche Zuschreibungen dann außerdem stattfinden z.B. kreativ=weiblich, handwerklich=männlich, darüber decken wir mal den Mantel des Schweigens.
Ich werde als Seiteneinsteigerin in die Personalentwicklung ja oft misstrauisch beäugt, weil ich nichts weiter als lange, anspruchsvolle Arbeitserfahrung vorzuweisen habe. Aber wenn ich so was lese, werde ich zickig und frage mich, was mir eine Qualifikation mit vorweisbarer Pappe auf diesem Gebiet bringen würde.
So, das war der Tag. Nebenher machte ich noch einen Abstecher in den REWE in der Invalidenstraße und sah, dass meine Beschwerde beim Filialleiter über die ins bodenlose gestürzte Qualität am Wurst-, Fleisch- und Fischstand tatsächlich Konsequenzen hatte (ich hatte innerhalb von zwei Käufen über Nacht anrüchige bzw. verdorbene Waren bekommen). Die Anlernlinge und Azubis dürfen nicht mehr allein arbeiten, die Wurst wird nicht mehr vorgeschnitten und mit der Hand aus zotteligen Bergen gezerrt, es riecht nicht mehr nach alten Knochen. Ich hoffe, das hält sich. Die knapp zwei Euro für die verdorbene Leberwurst habe ich mir schon aus Prinzip zurückgeben lassen, die acht Euro für den Kabeljau, den ich nur mit Unmengen Zitronensaft hinbekommen habe und für den ich keinen Kassenzettel mehr hatte, ärgern mich aber immer noch.